Tokio. Auf die Dressurreiterinen ist Verlass. Die “Schülerin“ von Jessica Bredow-Werndl schlägt die “Lehrerin“ Isabell Werth.
Ihr zweites Olympia-Gold durfte Jessica von Bredow-Werndl schon feiern, als der letzte Ritt im Baji Koen Equestrian Park von Tokio noch gar nicht beendet war. Die 35 Jahre alte Dressurreiterin aus dem bayerischen Tuntenhausen setzte sich einen Tag nach dem Sieg mit dem Team auch im Kür-Einzel mit ihrer Stute Dalera durch und ließ damit ihre ehemalige Lehrerin Isabell Werth hinter sich, die sich mit Silber begnügen musste. "Ich bin voll happy", kommentierte die Siegerin am Mittwoch.
Die Freudentränen liefen schon, bevor die letzten beiden Starterinnen ritten. So überlegen war sie. "Ich hatte manchmal das Gefühl, ein bisschen einen Feuertanz zu reiten, auf des Messers Schneide", sagte die 35-Jährige. "Aber es ist sich alles ausgegangen."
Werth verpasst ihren olympischen Rekord
Werth verpasste nicht nur den Sieg, sondern auch einen olympischen Rekord. Mit einer weiteren Gold-Medaille wäre die 52-Jährige aus Rheinberg im deutschen Medaillen-Ranking mit der Kanutin Birgit Fischer gleichgezogen, die achtmal Gold und viermal Silber in ihrer Olympia-Bilanz stehen hat und weiter alleine auf Platz eins vor Werth liegt. Team-Olympiasiegerin Dorothee Schneider aus Framersheim wurde 15.
Strahlend war die Siegerin zuvor aus dem Viereck geritten. Sie tätschelte ihr Pferd, bedankte sich bei Dalera für die Leistung. Als zweite Reiterin in der Gruppe der besten sechs Paare setzte sie die Konkurrenz um Werth mit einem famosen Auftritt unter Druck. "Am Anfang hab ich ein bisschen taktiert", erklärte die 35-Jährige ihren Auftritt: "Am Ende bin ich Risiko geritten. Es waren keine grobe Schnitzer drin, aber viele Highlights."
Fehlerfreie Vorstellung von Reiterin und Pferd
Von Bredow-Werndl hatte mit ihrer Stute erneut eine zauberhafte Leistung präsentiert und zeigte zur Musik des Films La-La-Land auch in der dritten Prüfung von Tokio die beste Leistung. Fehlerfrei tanzte das Paar einen Tag nach dem Sieg mit dem Team zum nächsten Gold. So dominierend waren die beiden, dass schon während des abschließenden Rittes von Dorothee Schneider klar war, dass das Gold sicher war.
Die nach ihrer Junioren-Zeit einige Jahre von Werth trainierte Reiterin begeisterte nach Grand Prix und Special auch in der Kür mit Musik. Die Anspannung war für sie aber deutlich größer als im Teamwettbewerb. Sie gab zu: "Heute ging es wirklich darum: Bin ich wirklich Erster?"
Für die Rekordreiterin ist mit den Medaillen in Tokio noch lange nicht Schluss. "Ein paar Tage werden es noch", sagte Werth am Mittwoch. "Ich fühle mich noch jung. Wie lange der Weg im internationalen und olympischen Sport sein wird, werden wir in Ruhe abwarten und sehen." Ihr mache es nach wie vor ungeheuren Spaß, "Pferde in den Sport hinein zu entwickeln, von einem jungen Pferd zu einem Spitzenpferd". Daheim im Stall in Rheinberg stehen mehrere Pferde, die das Potenzial haben, in drei Jahren bei den Spielen in Paris zu starten.
Bredow-Werndl: "Ich fühle mich am Anfang meines Weges"
Auch für von Bredow-Werndl ist das ein Ziel. "Ich fühle mich am Anfang meines Weges", sagte die Olympia-Debütantin. "Ich freue mich auf alles, was noch kommt." Über Werth sagte sie: "Ich weiß nicht, wie lange ich dabei bleiben werde, aber die Erfolge von Isabell sind nicht mehr zu übertreffen."
Am Tag vor den Ritten gegeneinander hatten Werth, von Bredow-Werndl und Schneider gemeinsam im Stall mit den Pflegerinnen das Team-Gold bei Sushi und Pizza gefeiert. "Das war sehr feierlich, herzlich, intim und schön", sagte von Bredow-Wendl. Für die drei Pferde gab es zur Belohnung Bananen. (dpa)