Essen. Seit 2012 fährt wieder eine Frau in der DTM mit. Sophia Flörsch hat nach ihrem Debüt Luft nach oben. Die 20-Jährige verfolgt große Ziele.

Die DTM hat sich verändert – alles neu ist das Motto der Saison, die am vergangenen Wochenende in Monza gestartet ist. Neben Teams und Fahrzeugen sind auch einige Gesichter neu: wie das von Sophia Flörsch. Neben der Britin Esmee Hawkey ist die 20-Jährige die erste Frau seit 2012, die in der Rennserie ins Cockpit steigt. Mit zweimal Platz 16 im Audi war sie bei ihrem Debüt in Italien noch nicht zufrieden. Am Lausitzring soll es in einem Monat besser werden. Denn sie ist ehrgeizig, das hat sie schon in der Formel 3 bewiesen. Nicht einmal ein schwerer Unfall konnte sie aufhalten.

Frau Flörsch, Sie starten in dieser Saison parallel in zwei Meisterschaften. Einmal fahren Sie ein Langstrecken-, einmal ein DTM-Auto. Noch in der vergangenen Saison saßen Sie in einem Formel-3-Wagen. Was fahren Sie privat?

Sophia Flörsch: (lacht) Einen Mini Cooper. Als Cabrio – das war irgendwie immer mein Traum. Und für die Stadt ist er optimal – ich wohne ja in München und so finde ich immer einen Parkplatz.

Was kann der?

Flörsch: Ich glaube, der schafft in der Spitze 200, 210 Kilometer pro Stunde. Aber ich tobe mich natürlich nur auf der Rennstrecke aus.

In dieser Saison mache Sie das erstmals auch in der DTM. Was sind Ihre Erwartungen?

Flörsch: Ich freue mich extrem, dass es jetzt losgeht. Ein Saisonstart im Juni ist schon sehr spät, sonst beginnt die Serie im April. Aber ich denke, dass es ein gutes Jahr wird, in dem ich viel lernen und mich als Rennfahrerin weiterentwickeln kann. Die DTM ist eine der größten Rennserien, die es gibt. Das Fahrerniveau ist extrem hoch. Ich fahre als eine der Jüngsten gegen Leute wie Timo Glock, der schon in der Formel 1 gefahren ist.

Wie wurden Sie im Kreis der Großen aufgenommen?

Flörsch: Sehr gut, alle fanden es cool, dass ich nun mit dabei bin. Die meisten kenne ich schon aus Trainingslagern oder aus der Formel 3 – der Motorsport ist eine kleine Welt, wie eine Familie. Das ist sehr schön.

Man kommt in einem Gespräch mit Ihnen nicht darum herum, auch das Offensichtliche anzusprechen, da es noch immer etwas Besonderes ist: Sie sind die einzige Frau, die in der DTM fährt – die erste seit 2012. Welche Rolle spielt das?

Flörsch: Für mich überhaupt keine – und im Fahrerlager auch nicht. Ich werde genauso behandelt wie die anderen auch und muss mich genauso durchsetzen.

Glauben Sie nicht, dass Ihre männlichen Kontrahenten eine Niederlage gegen eine Frau als Blamage sehen würden?

Flörsch: (lacht) Ich habe noch nichts gehört – aber das würden sie wahrscheinlich auch nicht zugeben. Unterm Strich ist jeder ein Rennfahrer und will die vor einem schlagen. Wenn darunter eine Frau ist, dann juckt es sie vielleicht ein bisschen mehr. Aber ich glaube nicht, dass es einen so großen Unterschied macht. Motorsport ist mit der einzige Sport, bei dem Mann und Frau das Gleiche leisten können, wo geschlechterspezifische Konstitution keinen Unterschied macht – anders als beim Tennis oder im Skifahren. Genau deshalb finde ich den Sport so geil – weil das Geschlecht keine Rolle spielt.

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Warum sind dann nicht mehr Frauen im Motorsport unterwegs?

Flörsch: Ich glaube, das Problem beginnt schon in sehr jungen Jahren. Es gibt ja diese typischen Rollenbilder: Ein Junge bekommt als Kind ein Auto zum Spielen, ein Mädchen bekommt eine Puppe oder es geht reiten. Viele Eltern kommen nicht auf die Idee, mit einem Mädchen mal auf die Kartbahn zu gehen. Da ist es eher normal, dass es Hockey oder Tennis spielt. Ich habe auch früher Ballett gemacht, aber trotzdem war mein Sport das Kartfahren. Und du musst halt früh anfangen, um in dem Sport erfolgreich zu sein. Wenn du mit 15 erst merkst, dass du auch Motorsport gerne machen würdest, dann ist es eigentlich schon zu spät.

Wann haben Sie angefangen?

Flörsch: Mit vier Jahren. Meine Eltern sind motorsportbegeistert, mein Vater hat mich oft mit auf die Kartbahn genommen. Das war mein Glück. Ich versuche heute ganz bewusst zu vermitteln, dass du auch als Rennfahrerin noch Frau oder Mädchen sein und lange blonde Haare haben kannst. Das eine schließt das andere nicht aus. Mir ist es wichtig zu zeigen: Du musst dich nicht verändern oder männliche Züge annehmen, nur damit du im Motorsport erfolgreich sein kannst.

Was treibt Sie an?

Flörsch: Ich versuche, den Sport wieder schöner zu machen, ihn mehr an die Gesellschaft zu bringen. Ich will zeigen, dass es auch ein toller Sport ist – ganz besonders auch für Mädchen. Ich glaube aber, dass der Sport zuletzt viel Negatives wegstecken musste.

Was meinen Sie genau?

Flörsch: Naja, das Auto generell hat in Deutschland nicht mehr den besten Stellenwert. Die Themen Umwelt und E-Mobilität haben dem Image geschadet. Der Motorsport wird dabei immer mitreingezogen. Viele wissen aber nicht, dass ein Profi-Fußballspiel zum Beispiel mehr CO2 ausstößt als ein Formel-1-Rennwochenende. Das ist schädlich, wenn das falsch transportiert wird.

Ein Grund für Eltern ist sicherlich auch der Gefahrenaspekt…

Flörsch: Das ist bei vielen Erwachsenen noch im Kopf drin, denn klar: Wenn man jetzt 20, 30 Jahre zurückdenkt, da war der Sport auch noch viel gefährlicher. Da sind viel häufiger Fahrer gestorben, da gab es jedes Wochenende einen schlimmen Unfall, da waren die Autos nicht sicher – aber das ist heute einfach nicht mehr der Fall.

Ihr Unfall in Macau 2018, als Sie beim Formel-3-Rennen mit 280 km/h abhoben und in ein Fotografenpodest krachten, dürfte allerdings Wasser auf die Mühlen sein…

Flörsch: Klar, passiert mal was Schlimmes, aber wir sind auch mit sehr, sehr hohen Geschwindigkeiten unterwegs. Ich sage immer: Wenn man auf der Straße im normalen Auto mit 50 einen Unfall hat, dann kann das schon extrem viel schlimmer ausgehen, als wenn wir mit 280 abfliegen. Man muss das immer vergleichen: Ich mache den Sport seit 16 Jahren – und ich hatte jetzt einen Unfall. Ich glaube, da verletzt man sich beim Reiten oder Tennis häufiger.

Spektakulärer Unfall 2018 in der Formel 3: Der Wagen von Sophia Flörsch (links) hebt ab.
Spektakulärer Unfall 2018 in der Formel 3: Der Wagen von Sophia Flörsch (links) hebt ab. © dpa

Denken Sie noch oft an den Unfall zurück?

Flörsch: Eigentlich nur, wenn ich in Interviews danach gefragt werde. (lacht) Das ist zweieinhalb Jahre her, es ist so viel dazwischen passiert und alles gutgegangen, dementsprechend ist das Thema für mich auch abgehakt.

Sind Sie damals ohne Zögern zurück ins Auto gestiegen?

Flörsch: Ja, als mir gesagt wurde, dass mein Körper wieder bereit dazu ist, zu fahren, habe ich sofort angefangen, hart zu trainieren, um die Muskeln wieder aufzubauen. Das erste Mal dann wieder in einem Rennwagen zu sitzen war für mich einer der geilsten Tage. Das war wie ein kleiner Entzug, wenn du drei Monate gar nichts machen kannst, was sonst dein Leben bestimmt.

Sie schafften dann auch ein beeindruckendes Comeback – für das Sie sogar mit einem Laureus-Award ausgezeichnet wurden. Wie wichtig ist diese Aufmerksamkeit?

Flörsch: Natürlich hatte ich nach dem Unfall nicht im Hinterkopf: Super, jetzt kriege ich die Riesenaufmerksamkeit. Den Crash hätte ich mir gerne erspart. Aber generell ist so eine Laureus-Auszeichnung, die sonst nur Weltmeister und Olympiasieger erhalten, eine riesige Ehre. Und so wird es auch von Sponsoren wahrgenommen. Da gilt nun einmal die Regel: Umso mehr Reichweite du hast, umso leichter fällt es dir, Gelder zu bekommen.

2019 wurde Rennfahrerin Sophia Flörsch mit dem Laureus-Award für das Comeback des Jahres geehrt.
2019 wurde Rennfahrerin Sophia Flörsch mit dem Laureus-Award für das Comeback des Jahres geehrt. © Getty

Welche Rolle spielen Sponsoren für Ihre Karriere?

Flörsch: Im Motor-, speziell im Formelsport ist es schon so, dass du – wenn du nicht gerade steinreiche Eltern hast – auf Sponsoren angewiesen bist, damit du dir eine Saison leisten kannst. Damit kämpfe ich schon seit Jahren.

Von welcher Summe reden wird? Eher über einen Kleinwagen oder über eine Stadtvilla?

Flörsch: Wir reden über eine Stadtvilla. Ein Formel-3-Jahr bei einem Team mit Siegchancen kostet zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Euro.

Gut, da reicht die örtliche Sparkasse nicht als Sponsor...

Flörsch: Das ist genau das Ding: Es geht halt nicht um 5000 Euro – was auch schon viel Geld ist, keine Frage. Aber für den Motorsport ist das extrem wenig, wenn du übers Jahr 1,5 Millionen aufbringen musst. Du brauchst Konzerne, die bereit sind, mit dir diese Geschichte zu erzählen und die auch so viel Geld aufbringen können.

Andere haben es da leichter, ganz nach oben zu kommen – zum Beispiel, wenn sie Mick Schumacher heißen.

Flörsch: Mick ist drei Jahre älter als ich – da ist es schon gerechtfertigt, dass er weiter ist als ich. Natürlich ist sein Name im Motorsport und bei Sponsoren sehr bekannt. Aber er ist auch Fluch und Segen zugleich: Der Druck ist bei ihm nur ein anderer.

War es für Sie eine schwere Entscheidung vom Formel-Sport in die DTM zu wechseln?

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Flörsch: Ich glaube, für einen Nachwuchsrennfahrer ist es immer das Beste, offen zu sein. Man hat natürlich immer den idealen Karriereplan: Formel 4, Formel 3, Formel 2, Formel 1. Aber gerade, wenn du es nicht aus eigener Tasche zahlen kannst und von Jahr zu Jahr schauen musst, was du mit deinem Budget erreichen kannst, musst du flexibel sein. Ich habe das Glück, dass ich Schaeffler als Partner gewonnen habe und dieser von Anfang an offen kommuniziert hat, dass das Budget nicht für ein Top-Formel-3-Team reicht. Da mir ein schwaches Team in der Serie sportlich gesehen nicht viel gebracht hätte, war es für mich eine riesige Chance, als sich die Option DTM auftat. Und es gab in der Vergangenheit genug Fahrer wie zum Beispiel Pascal Wehrlein, die es auch von der DTM in die Formel 1 geschafft haben. Der Red Bull Junior Pilot Alex Albon startet heuer ebenfalls in der DTM und möchte mit guten Leistungen den Sprung zurück in eines der RedBull F1 Teams schaffen.

Also bleibt es Ihr Ziel, die erste Frau in der Formel 1 zu werden?

Flörsch: Mein Fernziel, ja. Aber in den nächsten ein bis zwei Jahren will ich es zunächst schaffen, in der DTM so zu überzeugen, dass es für ein Siegerteam in der Formel 2 reicht.

Was macht die Formel 1 so reizvoll? Sie könnten doch auch einfach eine herausragende DTM-Fahrerin werden.

Flörsch: Es ist die Königsklasse, die größte Rennserie, dort wird der Weltmeister gekürt. Es ist wie Wimbledon im Tennis. Es gibt nichts Größeres, ich träume davon seitdem ich klein bin und ich werde das Ziel nicht aufgeben. Klar, hängt das nicht nur vom Talent ab. Es hängt vom Finanziellen ab. Es hat aber auch viel mit Glück zu tun und damit, die richtigen Leute zur richtigen Zeit zu kennen. Aber ich werde weiter dafür kämpfen.

Zunächst sind Sie nun DTM-Fahrerin – die erste seit 2012. Haben Sie weibliche Motorsport-Vorbilder?

Flörsch: In unserem Sport ist es extrem schwer, weibliche Vorbilder zu finden. Es gibt nur sehr wenige – und wenn dann in anderen Generationen. Wie zum Beispiel Ellen Lohr. Sie ist immerhin eine der erfolgreichsten Frauen im Motorsport und die einzige, die ein Rennen in der DTM gewonnen hat. Mit ihr bin ich oft im Austausch. Sie ist eine mega coole Frau und definitiv ein Vorbild für mich.

Was schätzen Sie an ihr?

Flörsch: Sie ist eine Frau, die sich immer durchgesetzt hat. Und dass, obwohl es vor 30 Jahren sicherlich nochmal viel schwieriger war als Frau in dieser Männerwelt. Sie ist bis heute im Motorsport unterwegs – und zeigt den Männern immer noch, wo es lang geht. (lacht) Ich hoffe einfach, dass ich auch irgendwann mal so bin und von allen respektiert werde.