Essen. Mit dem EM-Auftakt wirft die ARD einen humorigen Blick aufs Turnier. Ein schwieriges Terrain, weiß auch Esther Sedlaczek bei ihrem Debüt.

Was das öffentlich-rechtliche Fernsehen betrifft, sind die Themen Fußball und Humor bislang in den seltensten Fällen emulgiert. Ob auf ein paar Weizen bei Waldis WM-Club oder Beckmanns Sportschule – diese Formate trieben dem Zuschauer in der Vergangenheit selten vor Lachen die Tränen in die Augen. Mit dem Sportschau-Club, anlässlich der EM 2021 erstmals von Esther Sedlaczek und Micky Beisenherz moderiert, bleibt sich die ARD gewissermaßen treu.

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Der Ball rollt endlich bei dieser paneuropäischen EM – an keinem der elf Spielorte ist das Corona-Virus verschwunden, und doch trug der magische 3:0-Auftritt der Italiener im Eröffnungsspiel gegen die Türkei den Fans im Olympiastadion zu Rom sowie den Zuschauern vor den Bildschirmen ein zartes Gefühl von Normalität heran. Auch wenn hierzulande verständlicherweise andere Sorgen die Vorfreude auf ein Fußball-Turnier überlagern und es sowieso viel Wichtigeres als 90 Minuten Elf gegen Elf gibt: Wir alle haben Nachholbedarf, mal wieder ein wenig unbeschwerte Freude zu empfinden.

Mit dem Sportschau-Club will die ARD ihre Fußball-Rundumversorgung abrunden

An einem Abend, an dem das 3:0 der Squadra Azzurra einer Opernaufführung gleichkam mit jedem Spielernamen als wohlklingender Arie, wollte die ARD das EM-Auftaktprogramm mit dem Sportschau-Club abrunden. Die Tore waren oft genug wiederholt, die Spielzüge ausreichend taktisch analysiert worden; ein etwas anderer Blick aufs Turnier, gar nicht mal immer aus der sportlichen Brille, ist da ein guter Einsatz. Allein, es blieb bei dem Vorhaben.

Für Esther Sedlaczek war es der erste Einsatz für ihren neuen Arbeitgeber. Die 35-Jährige, die sich in den vielen Jahren als Moderatorin und Field-Reporterin für den Privatsender Sky einen guten Namen gemacht und sich als fußballkompetent erwiesen hat, moderiert demnächst als erst dritte Frau nach Monica Lierhaus und Jessica Wellmer die Sportschau an Bundesliga-Samstagen. Im loftartigen Studio mit cognacfarbener Ledercouch und fancy Sesseln wirkte die Berlinerin, gekleidet in einer zum durch und durch grünen Hosenanzug geschneiderten Lage Rollrasen, etwas unsicher. Das sei ihr nachgesehen, etwas Nervosität verleiht Menschlichkeit.

Schiedsrichter Aytekin behält auch im ARD-Sportschau-Club die Nerven

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Der Experte für Humor in dieser Sendung war Micky Beisenherz, ein Fußball-Enthusiast, der sich an anderen Stellen schon häufig mit seiner Schlagfertigkeit und spitzen Zunge als genau der richtige Mann für solche Spezialaufgaben ohne das rollende Leder gezeigt hat. Im Zusammenhang mit Fußball geht beim Gesamtkonzept des EM-Sportschau-Clubs aber der Schuss nach hinten los. Ein paar Bemerkungen verleiteten zum Schmunzeln, das man hinter den Masken der Zuschauer im Studio zumindest erahnen konnte.

Der Kopf aber fiel bei romantisch veranlagten Fans tief nach vorne, das Kinn klatschte auf die Brust, als Gast Ina Müller – ja, die aus der Kneipenshow mit dem Shanty-Chor – erzählte, warum sie nicht mehr Anhängerin des Hamburger SV, sondern der TSG Hoffenheim sei. Weil sie deren damaligen Trainer Ralf Rangnick mal in einem Hotel getroffen und der ihr freundlicherweise den Koffer vors Zimmer getragen habe. Und als Beisenherz – mit braungebrannten Oberarmmuskeln aus dem Frotteeshirt herauslugend und urlaubsmäßig mit Espadrilles an den Füßen – den zweiten Gast, Schiedsrichter Deniz Aytekin, fragte, wessen Bundesligaspielers Beine ihm denn gefielen, zuckte es im Finger, schnellstmöglich irgendeinen Knopf auf der Fernbedienung zu drücken. Immerhin: Der Unparteiische blieb so besonnen und entspannt wie in den Spielen, in denen die Profis ihn auf den Zaun bringen wollen. Man wollte ihm jedoch zurufen: Aytekin, tausch mal deine Rolle und zieh du die Notbremse.

Comedy-Elemente beim ARD-Sportschau-Club dürfen auch Joshua Kimmich nicht gefallen haben

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Der bitterste Moment der 45 Minuten aber waren die Comedy-Einspieler: eine Therapiestunde für die Teilnehmer der deutschen EM-Todesgruppe; ein Beitrag über den singenden Onkel von Joshua Kimmich, für den sich der Nationalspieler am Samstagmorgen vermutlich nicht aus dem Bungalow im DFB-Quartier Herzogenaurach getraut haben dürfte; ein musikalisches Quiz, aus dem hervorging, dass BVB-Star Mats Hummels zu Falcos „Junge Römer“ und Toni Kroos zu „Abenteuerland“ von Pur steil gehen; und ein Interview mit dem Social-Media-Experten T. Witter. Hihihi. Es wird Zuschauer gegeben haben, die sich auch dadurch gut unterhalten gefühlt haben. Trotzdem drängt sich die Frage auf: Auf welches Zielpublikum hat es die ARD mit diesem EM-Sportschau-Club abgesehen?

Wenn die EM vorbei ist, wird Alexander Bommes wieder den Sportschau-Club moderieren, so wie er es seit 2013 und mit den wunderbaren Einlagen von Arnd Zeigler macht. Esther Sedlaczek wird sich bei den Bundesliga-Sportschauen wesentlich wohler fühlen und auf diesem Terrain einen guten Job machen. Mit dem Fußball und dem Humor bleibt das aber so eine Sache. Wie sagte Schiedsrichter Deniz Aytekin doch auf die Frage nach einem für ihn perfekten Spiel? „Ich weiß gar nicht, ob es sowas gibt.“ Das mag auch für heitere Herangehensweisen an den Fußball gelten.