Köln. Der THW Kiel startet ins Final Four der Handball-Champions-League. Jicha gewann den Titel schon als Spieler. Gelingt es auch als Trainer?
Der Mann mit dem mächtigen rechten Wurfarm hielt die mächtige Trophäe 2012 selbst noch in den Händen, er liebkoste sie, er reckte sie jubelnd Richtung Hallendach. 2012 hatten die Handballer des THW Kiel zuletzt die Champions League gewonnen. Filip Jicha war ein Leistungsträger jenes Teams, das sich erneut als beste Vereinsmannschaft von Europa feiern konnte.
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In diesen Zeiten war Jicha einer der besten Rückraumspieler des noch jungen Jahrtausends, 2010 wurde er zum Welthandballer gewählt. Inzwischen ist der 2,01-Meter-Mann 38 Jahre alt, seit eineinhalb Jahren ist er der Trainer des THW Kiel. Ab diesem Montag bietet sich ihm die Chance, noch ein letztes Mal die wuchtige Trophäe beim Finalturnier der Champions League in die Höhe zu recken, bevor die außergewöhnliche Wurfarm-Nachbildung aus Stahl und Bronze im Sommer durch einen neuen Pokal ersetzt wird.
Kiel gegen Veszprem, Barcelona gegen Paris
Moment einmal! Der THW Kiel steht im Finalturnier in Köln, obwohl er in der aktuellen Tabelle nach eher durchwachsenen Europa-Auftritten nur Rang fünf belegt? Richtig, denn in den Halbfinals stehen heute die Gruppenersten und –zweiten der vergangenen Champions-League-Saison, die im März nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie abgebrochen wurde. Das Finalturnier wird nun nachgeholt.
An diesem Montag treffen in den Halbfinals der FC Barcelona und Paris St. Germain (18 Uhr) sowie der THW Kiel und der ungarische Serienmeister KC Veszprem (20.30 Uhr/alle Eurosport) aufeinander. Das Finale steigt am Dienstag (20.30 Uhr). „Wir sind bereit“, sagt Filip Jicha.
Sieg im Topspiel gegen die Rhein-Neckar Löwen
Grund des Selbstvertrauens ist der jüngste Sieg im Bundesliga-Topspiel gegen die Rhein-Neckar Löwen, dieses deutliche 32:23 am Tag vor Heiligabend. Es war ein Ausrufezeichen. Mit dem THW Kiel ist zu rechnen, obwohl der deutsche Rekordmeister zuvor einen Dezember zum Vergessen erlebt hatte.
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Zehn Tage befand sich das Team wegen drei Corona-Fällen in Quarantäne, heute werden Magnus Landin, Pavel Horak und Domagoj Duvnjak fehlen, die alle noch unter den Folgen der Virusinfektion leiden. Dafür stimmt die Motivation. „Wir sind extrem heiß. Seit dem Training am ersten Weihnachtstag gilt der Fokus nur der Champions League", sagt Kiels Kreisläufer Patrick Wiencek.
Und da ist noch Sander Sagosen (25), der Bundesliga-Topstar aus Norwegen. „Mein Traum ist es, mit Kiel diesen Titel zu holen. Ich glaube, dass wir dort etwas Großes schaffen können.“
Ausnahmehandballer Jicha heuerte bei Gislason an
Filip Jicha hört Aussagen wie diese gerne. Der tschechische Ausnahmehandballer hat seit seinem Karriereende im Sommer 2017 darauf hingearbeitet, auch als Trainer weiter erfolgreich zu sein. Er besuchte Trainingseinheiten in der weltbesten Basketball-Liga NBA bei den Washington Wizards und heuerte 2018 schließlich als Co-Trainer unter Kiels lebender Legende Alfred Gislason an.
Schon damals war klar, dass er seinen Ex-Trainer im Folgejahr beerben würden – in Jichas Premierenjahr wurde Kiel Meister. „Kiel ist für mich zu einer zweiten Heimat geworden. Ich bin tief verbunden mit dem THW, hatte hier die schönsten Jahre in meiner Karriere, habe meine Gesundheit für den Verein geopfert. Ich lebe für den Handball, deshalb ist Kiel genau die richtige Stadt für mich“ hatte Jicha einmal im Gespräch mit dieser Redaktion erzählt.
Jicha sicherte Kiel 2014 die Meisterschaft
Er kehrte zurück an einen Ort, an dem er nahezu vergöttert wurde. Als Spieler hatte Filip Jicha im THW-Trikot jahrelang physische Grenzen scheinbar mühelos überwunden, im spannenden Bundesliga-Finale 2014 hatte er eine Sprunggelenksverletzung ignoriert und Kiel so die Meisterschaft gesichert.
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Jicha spielte stets ohne Rücksicht auf die Gesundheit, wichtig war am Ende nur der Erfolg. Auf dem Spielfeld kann er den nun nicht mehr selbst erzwingen. Dafür muss er an diesem Montag und am Dienstag im möglichen Finale andere anleiten: die neue Generation mit den mächtigen Wurfarmen.