Essen. Der FC Bayern und Barcelona spielen um das Halbfinale der Champions League. Was verbindet, was unterscheidet die Ausnahmeklubs des Weltfußballs?

Lionel Messi natürlich. Und Robert Lewandowski. Wer die Frage stellt, was den FC Barcelona und den FC Bayern München vom Rest der Fußballwelt unterscheidet, wird schnell die beiden Superstars genannt bekommen, die am Freitag ab 21 Uhr (Sky) im Viertelfinale der Champions League in Lissabon aufeinandertreffen. Danach werden Enthusiasten Listen herunterrattern, die in jedem Fall auch die Namen der beiden derzeit wohl weltbesten Torhüter, die beiden Deutschen Manuel Neuer und Marc-Andre ter Stegen, umfassen.

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Streng genommen sind Kader, sind aktuelle Marktwerte von knapp einer Milliarde Euro (FC Barcelona) und satt mehr als 900 Millionen Euro (FC Bayern München) nur Momentaufnahmen, das Ergebnis nicht die Ursache der Sonderstellung beider Klubs im Weltfußball. Oder? Eine Spurensuche.

Zwischen Sport und Politik

Beide Klubs haben besonders tiefe Wurzeln ins Erdreich der Geschichte gegraben. Beim FC Barcelona wird seit 1899 Fußball gespielt, in München seit 1900. Sowohl Barcelona als auch München profitieren von einer besonders starken regionalen Verankerung. Das Mia san mia des FC Bayern speist sich zum Großteil aus einer geistigen Distanz des Freistaats Bayern zur ungeliebten Zentralregierung in Berlin (oder zwischendurch im ebenfalls preußischen Bonn). Was in der Bundesrepublik nur einen zarten, frotzelnd-folkloristischen Anstrich hat, erhält in Barcelona eine düster-politische Färbung.

Die Hauptstadt der Katalanen und ihr Fußballklub befanden sich über weite Teile des vergangenen Jahrhunderts – und befinden sich aktuell wieder – in ernsten Zwist mit der Zentrale in Madrid. Der Clásico, das ewige Duell mit Real Madrid, war vor diesem Hintergrund nie nur das Spiel zweier Spitzenklubs. Das heitere bayrische Mia san mia spiegelt sich dementsprechend in einem kämpferischen „Més que un Club“ – mehr als ein Klub.

Cruyffs und Hoeneß’ Werk

Katalanen und Bayern eint, dass sie in etwa der gleichen Phase des europäischen Fußballs zum Sprint an die Weltspitze ansetzten. In Barcelona lässt sich das mit dem Umbau des Klubs durch Vereinspräsidenten Josep Lluis Nunez zum Wirtschaftsunternehmen ab 1978, vor allem aber an der Rückkehr des Ex-Stars Johan Cruyff zum Klub als Trainer 1988 festmachen. Der Holländer formte einen Spielstil, der bis heute Bestand hat. In München ist die Sache noch einfacher. Der Aufschwung zum Klub mit Weltgeltung begann mit der Rückkehr von Uli Hoeneß als Manager ab 1979.

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Ein Baske, ein Niederländer und ein Bayer verschafften ihren Klubs im Rennen um die Spitzenplätze den nötigen Vorsprung, um in diesem Jahrtausend bestehen zu können. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Aufkommen der russischen Oligarchen wurde es en vogue, sich Fußballklubs zu kaufen, so dass vor allem in England neue international fähige Konkurrenz aus siechender Tradition erwuchs. Roman Abramowitsch war mit Chelsea 2003 der erste, mittlerweile befinden sich 14 der 20 Premier-League-Klubs in Investorenhand.

Die Möglichkeit, am Rennen um Spitzenpositionen teilzunehmen, hatten auch andere. München und Barcelona setzten mehr als andere auf Kontinuität. Klubpräsident Nunez, oft umstritten, war 22 Jahre im Amt, Bayern-Boss Hoeneß wechselte im November nach 30 Jahren in verantwortlicher Position in den Ruhestand – der in seinem Fall aber eher ein Unruhestand ist, da er sich weiter fröhlich einmischt.

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Beide Klubs haben ihre Basis in reichen Regionen, was es leichter machte, Sponsoren zu finden. Selbst wer den Satz, dass Geld keine Tore schießt, im Kopf behält, wird daneben Raum für den Gedanken lassen müssen, dass ein gutes Finanzpolster hilft, Tor-Durststrecken unbeschadet zu überstehen.

Gänsehaut in den Stadien

Dass beiden Klubs das Wirtschaften leichter fiel als anderen, hing auch mit ihren jeweiligen Stadien zusammen. Der FC Barcelona nannte ab 1957 das gänsehauttaugliche Camp Nou sein Eigen. Es war einst das größte Stadion Europas, in das heute noch rund 96.000 Zuschauer dürften. Der FC Bayern profitierte großzügig vom übrig geblieben Stadion der Olympischen Spiele 1972 in München. Ohne Aufwand hatte der Klub jedenfalls Zugriff auf die seinerzeit modernste Spielstätte Deutschlands, in die auch mehr als 70.000 Menschen passten. Die perfekte Startrampe jedenfalls, auch wenn 2005 der Umzug in die Allianz-Arena unumgänglich war.

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Es gibt auch Unterschiede, die erklären helfen, weshalb im Deloitte Money Ranking der FC Barcelona auf Platz eins und der FC Bayern je nach Sichtweise nur oder immerhin auf Platz vier steht. So können die Spanier seit Jahren die TV-Rechte an ihren Spielen selber vermarkten. Das bringt viel Geld, weil sie nicht mit den Grauen Mäusen der Liga teilen müssen. Das internationale Zugpferd FC Bayern finanziert immer auch Bremen, Freiburg oder Paderborn mit. Immerhin führt der FC Bayern das Duell der Weltklubs bei einer ganz traditionellen Zahl: Die Münchener haben derzeit etwa 293.000 Mitglieder, der FC Barcelona nur 173.000.

Wer vom immer noch dominanten TV-Geld in die Zukunft schaut, kann sehen, dass der FC Barcelona auf anderen Gebieten den Bayern enteilt ist. In den Sozialen Medien führen die Katalanen deutlich. Die Bayern haben auf ihrem deutschsprachigen Twitterkanal 4,6 Millionen Follower, der FC Barcelona auf dem spanisch-sprachigen Pendant 15 Millionen. Das bildet die Quote von 102 Millionen Menschen, deren Muttersprache Deutsch ist, zu den 525 spanischen Muttersprachlern gut ab. Dass der FC Barcelona die Bayern auch bei den englisch-sprachigen Twitter-Zahlen mit 33,1 zu 1,2 Millionen Followern abgehängt hat, ist beeindruckend.

Messi macht den Unterschied

Bei den neuen Kommunikationswegen schließt sich der Kreis. Zwar kann in der ruhmreichen Geschichte des FC Barcelona Lionel Messi nur ein Kapitel füllen, aber was für eins. Der 33 Jahre alte Argentinier hat die Weltbühne des Fußballs betreten und mit seinem Spiel beherrscht, als Social Media sich anschickte, den Zuschauerraum exponentiell zu vergrößern. Messi war so etwas wie der erste Fußball-Popstar. Das würdigt auch Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge, der ganz traditionell dessen Spiel anspricht, aber die Wirkung wohl mitdenkt: „Ich habe Riesenrespekt vor diesem Spieler. Er hat etwas, was möglicherweise kein Zweiter auf diesem Planeten hat.“ Nicht nur, aber auch deshalb ist der Klub dem Rest der Fußballwelt, sogar dem FC Bayern, so weit enteilt.