Essen/München. Noch fehlt eine offizielle Bestätigung des FC Bayern München. Aber der Rückzug des Bayern-Präsidenten käme nicht überraschend. Eine Analyse.
Punkt 22 Uhr jagte Bild eine Nachricht ins Internet, von der man ohne Übertreibung sagen kann: Das ist eine Zäsur im deutschen Fußball. Uli Hoeneß, seit 40 Jahren der mächtigste Mann beim FC Bayern und damit im Profifußball, kandidiert im November nicht mehr für das Präsidentenamt. Vom Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden tritt Hoeneß gleichzeitig zurück. Sein Aus beim FC Bayern: Über die Gründe kann man zur Stunde nur spekulieren.
Die Autorenschaft der Bild-Story lässt vermuten, dass die Lancierung von langer Hand geplant ist. Für den Wahrheitsgehalt zeichnen der Sportchef Matthias Brügelmann und der Chefkolumnist Alfred Draxler persönlich verantwortlich. Eine offizielle Bestätigung des Klubs lag zunächst nicht vor. Die Nachricht erreichte die Öffentlichkeit, während Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge mit der Bayern-Mannschaft, aber ohne Hoeneß in den USA weilte.
Hainer genießt hohes Vertrauen
Als Hoeneß-Nachfolger gehandelt: Herbert Hainer. Der frühere Adidas-Chef hat als Mitglied des Aufsichtsrats nicht nur eine tiefe Kenntnis über das Innenleben des FC Bayern. In der Fußballwelt genießt er so hohes Vertrauen, dass Hainer sogar als neuer DFB-Präsident gehandelt wurde. Entsprechende Anfragen wiegelte er höflich wie bestimmt ab: Kein Interesse. Seine Freundschaft zu Hoeneß wiegt schwerer.
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Plötzlich ergibt sich der Sinn, dass Uli Hoeneß und Herbert Hainer im September wie aus dem Nichts ein gemeinsames langes Interview in der FAZ am Sonntag gegeben haben und sich ihrer gegenseitigen Treue versicherten. Die Überschrift lautete: “Ein Freund, mit dem du weinen kannst, ist ein Geschenk.” Das klang ganz nach Beckenbauer: Gute Freunde kann niemand trennen. Freunde hatte Uli Hoeneß beim FC Bayern zuletzt immer weniger.
Mit Rummenigge uneins über Kovac
Mit Rummenigge lag er monatelang in der Trainerfrage über Kreuz, ob man an Niko Kovac festhalten sollte. Zuletzt musste Hoeneß sich die nicht versteckte Belehrung anhören, dass er nicht öffentlich - wie bei der Doppelpass-Sendung Ende Februar - über mögliche Zugänge schwadronieren sollte. Nicht einmal der Anhang, der ihn nach der Gefängnisstrafe zurück ins Amt hob, stand noch vorbehaltlos hinter ihrem Präsidenten.
Da war vor Weihnachten nicht nur die Schelte des couragierten Vereinsmitglieds Johannes Bachmayr, der auf der Jahresversammlung Kritik am Umgang mit Paul Breitner übte, an Personalentscheidungen und an Trainingslagern in Katar, und dafür massiv Applaus erntete. Der Widerstand setzt sich bei den Bayern-Amateuren fort: Dass die Dauerkartenbesitzer keinen freien Eintritt mehr in der 3. Liga genießen, lasten sie auf Plakaten Uli Hoeneß an.
Kahn sollte auf Rummenigge folgen - und Hoeneß bleiben
Trotzdem war man seit dem angekündigten Vorstandswechsel von Rummenigge zu Oliver Kahn immer davon ausgegangen, dass Hoeneß seine Wiederwahl anstrebt und die Übergangszeit bis 2022 moderiert. Sowohl der Kovac-Verbleib wie auch das Kahn-Intro galten als Signale, dass er den Kraftvergleich mit Rummenigge für sich entschieden hatte. Da konnte er den Abschied seines Lieblingsspielers Franck Ribéry verschmerzen.
Einfluss dürfte nicht schwinden
Nun also das Aus. Niemand muss deshalb meinen, dass sein Einfluss schwindet. Erstens rückt sein Vertrauter Herbert Hainer nach. Zweitens wird ihn die Mitgliederversammlung aller Voraussicht nach zum Ehrenpräsidenten wählen, was eine Präsenz in richtungsweisenden Sitzungen erlaubt. Drittens wird sein Abgang so viele Emotionen freisetzen, dass über seine Fehler so hinweggesehen wird wie über den scheidenden Vorstandsvorsitzenden.