Dortmund. Gegen Mainz spielt der BVB erst groß auf, verliert dann den Faden und gewinnt mit Glück 2:1. Die Spieler scheinen dem Druck nicht gewachsen.

Am Sonntag hatten die Spieler von Borussia Dortmund frei, die meisten aber beschäftigten sich doch mit Fußball: Sie sahen sich am Fernseher den locker-leichten 4:1-Sieg des FC Bayern München bei Fortuna Düsseldorf an und wussten damit immerhin, was ihr 2:1 (2:0)-Sieg gegen Mainz 05 vom Vortag wert war: nicht ausreichend, um wieder die Tabellenführung zu übernehmen, aber doch genug, um mit einem Punkt Rückstand auf Schlagdistanz zu bleiben.

Alarmstufe Rot im BVB-Strafraum

Tabellarisch war also Klarheit hergestellt, ansonsten aber herrschte weiter großes Rätselraten: Wie hatte es sein können, dass der BVB die Mainzer in der ersten Halbzeit komplett beherrschte, durch einen Doppelpack von Jadon Sancho (17./24.) vollkommen verdient 2:0 führte – und dass es dann nach einer Stunde so schien, als habe jemand einen Stecker gezogen? Gegen Ende spielten nur noch die Gäste, die Dortmunder konnten sich überhaupt nicht mehr befreien. Flanke um Flanke flog in den BVB-Strafraum, wo bei jedem hohen Ball Alarmstufe Rot herrschte. 15:3 Torschüsse lautete die Bilanz der zweiten Halbzeit aus Mainzer Sicht.

Bürki rettete den BVB

„Ich bin erleichtert, als der Schiedsrichter abgepfiffen hat“, meinte Torhüter Roman Bürki. „Ich weiß nicht, ob es noch lange gut gegangen wäre.“ Es wäre auch nicht gut gegangen, hätte der Schweizer nicht seine Mannschaft immer wieder mit starken Paraden vor dem Ausgleich bewahrt – insbesondere in Minute 87, als es Anthony Ujah gleich dreimal aus kürzester Distanz versuchen durfte, Bürki aber nicht überwinden konnte. So blieb es beim Anschlusstreffer durch Robin Quaison (84.). „Es hat sich angefühlt, als hätte Mainz zwei Mann mehr auf dem Platz, weil sie immer wieder an den Ball gekommen sind“, schimpfte der Torhüter.

Zorc überprüft die Laufleistungen der Mannschaft

So eklatant geriet der Einbruch, dass Sportdirektor Michael Zorc sich später die Laufleistungen genauer ansah, um zu überprüfen, ob seinen Spielern die Kräfte ausgegangen war – was er einen Tag später im Gespräch mit dieser Zeitung ausschloss: „Die Werte beider Mannschaften sind mehr oder weniger identisch, was Laufstrecke und Intensitäten angeht“, sagte er. „Wir haben in der ersten Halbzeit etwas mehr gemacht, die in der zweiten, aber nicht in einer besonders starken Ausprägung.“ Damit war auch die originelle Begründung von Mittelfeldspieler Axel Witsel entkräftet, wegen der harten Trainingseinheiten unter der Woche seien die Beine schwer geworden – was im Trainerstab für Verwunderung sorgte. „Es ist schwer zu ergründen, warum wir nach 60 Minuten so die Kontrolle verloren haben“, meinte Zorc.

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Eine Erklärung auf fachlicher Ebene: Mainz stellte von einer Fünferkette auf ein 4-4-2 mit Mittelfeldraute um. „Sie hatten dann Überzahl im Mittelfeld“, erklärte Kapitän Marco Reus. „Sie konnten sich in der Mitte durchspielen und dann über Flanken zu gefährlichen Situationen kommen.“

Warum der BVB darauf aber nicht adäquat reagierte, konnte niemand erklären. Trainer Lucien Favre gelang es nicht, das wackelige Gebilde zu stabilisieren – obwohl er entsprechende Maßnahmen anordnete: „Wir waren auf die Umstellung eigentlich vorbereitet“, so Reus.

Reus: „Natürlich spielt der Kopf eine Rolle“

Warum aber war davon nichts zu sehen? Warum wirkten die Dortmunder immer ängstlicher? Spukte das 0:5 beim FC Bayern München vor Wochenfrist noch in den Köpfen herum? „Nein!“, widersprach Reus. „Mit letzter Woche hat das gar nichts zu tun, das Spiel haben wir abgehakt. Sonst hätten wir in der ersten Halbzeit nicht so gespielt.“ Aber auch der 29-Jährige vermutete die Ursachen für den drastischen Leistungsabfall in der Psyche: „Natürlich spielt der Kopf auch eine Rolle, je mehr die Saison dem Ende entgegen geht“, sagte er. Als Mainz den Druck erhöhte, war förmlich zu spüren, wie in bei den Dortmundern das Bewusstsein wuchs, dass man nun etwas zu verlieren hatte – nämlich drei Punkte und eine gute Ausgangslage im Titelrennen.

„Es kam einfach keine Reaktion, wir haben das über uns ergehen lassen und gehofft, dass es schon irgendwie gut geht“, haderte Bürki. Es ging gut – künftig sollte man sich darauf aber nicht verlassen: „Wenn wir Ostersonntag nach Freiburg reisen, müssen wir noch eine Schippe drauflegen“, forderte Zorc.

Sonst droht beim BVB der Kopf zum entscheidenden Nachteil im Titelkampf zu werden.