Essen. Der Essener Christopher Hallmann hat Arthur Abele zum Europameister gemacht. Nun blickt der Zehnkampf-Bundestrainer nach Doha.

Als Arthur Abele im Berliner Olympiastadion zum finalen 1500-Meter-Lauf schreitet, steigt auf der Haupttribüne die Vorfreude. Trainer Christopher Hallmann hält es nicht mehr auf den Sitzen. Er weiß: Wenn sein Athlet nicht strauchelt, landet er den großen Coup. Zehnkampf-Gold bei der Europameisterschaft.

Der Startschuss fällt. Abele kann sich das Rennen einteilen, sein Vorsprung ist enorm. Als der Zehnkämpfer die Ziellinie überquert, liegen sich seine Begleiter in den Armen.

„Das war ein unbeschreibliches Gefühl“, sagt Hallmann über diesen Moment im August 2018. Das EM-Gold in Berlin erlebte der 35-Jährige als Abeles Heimtrainer. Damals zeichnete sich bereits ab, dass Hallmann noch einen neuen Posten bekommen wird. Zehnkampf-Bundestrainer Rainer Pottel stand vor dem Ruhestand. Hallmann galt als legitimer Nachfolger des Berliners.

Ziele sind WM und Olympia

Seit dem 1. April ist es nun offiziell: Hallmann bereitet Deutschlands beste Zehnkämpfer als Bundestrainer auf die nächsten Großereignisse vor. Auf die Weltmeisterschaft in Doha im Herbst 2019. Und auf die Olympischen Spiele 2020 in Tokio.

Der Ausgangspunkt für Hallmanns Karriere liegt indes mitten im Ruhrgebiet – in seiner Geburtsstadt Essen. Die Mutter einer Schulkameradin begeisterte ihn für die Leichtathletik. Hallmann meldete sich bei Grün-Weiß Schönebeck an. Der Schüler flitzte über die Tartanbahn, sprang in die Sandgrube und warf den Diskus aus dem Ring.

Pures Glück: Trainer Christopher Hallmann (l.) mit Europameister Arthur Abele.
Pures Glück: Trainer Christopher Hallmann (l.) mit Europameister Arthur Abele. © Hallmann

Weil Hallmann viele Disziplinen beherrschte, setzte er auf die Zusammenarbeit mit einem Mehrkampf-Trainer. In Heiner Preute vom TV Gladbeck fand er den passenden Mann. „Das war eine super Förderung für mich“, sagt der Essener.

Hallmann erlitt immer wieder Rückschläge

Hallmann wurde Meister in der B-Jugend, doch dann setzte ihn eine Bandscheiben-Operation außer Gefecht. „Das Verletzungspech hat mich in meiner Karriere leider begleitet“, erzählt Hallmann. Eine hartnäckige Oberschenkelverletzung, eine Schambeinentzündung – immer wieder erlitt er Rückschläge, die ihm eine internationale Karriere verbauten.

Bei Deutschen Meisterschaften zeigte Hallmann dafür seine Klasse. 2004 stellte er in Vaterstetten seine persönliche Bestleistung auf. 8045 Punkte bedeuteten den Titel. Und 2010 wurde Hallmann, der inzwischen in Hamburg lebte, noch mal Deutscher Meister in der Halle. „Das war der richtige Moment, um meine Karriere zu beenden“, sagt er heute.

Der Sportstudent war damals schon längst im Trainergeschäft. Er betreute aber keine Leichtathleten, sondern Hockeyspieler. „Ich bin im Kraftraum mit jemanden ins Gespräch gekommen, der auf der Suche nach einem Athletiktrainer war“, sagt Hallmann. Also machte er die Spieler vom Club an der Alster fit. Mit Erfolg: Die Hamburger holten einen Deutschen Meistertitel.

Hallmanns Qualitäten sprachen sich herum. Er übernahm auch das Athletiktraining der deutschen Hockey-Frauen vor den Olympischen Spielen in London 2012. Zwar landete das Team nur auf Platz sieben, trotzdem bezeichnet Hallmann heute alles als „sehr gute Erfahrung“.

Rico Freimuth hört nicht nur beim Speerwurf auf den Bundestrainer.
Rico Freimuth hört nicht nur beim Speerwurf auf den Bundestrainer. © Reuters

Auf dem Hamburger Weihnachtsmarkt nahm seine Karriere Ende 2012 eine neue Wendung. Hallmann aß gerade eine Bratwurst, als sein Handy klingelte. Er nahm ab und erhielt im Gespräch das Angebot, Stützpunkttrainer für die Zehnkämpfer in Ulm zu werden. „Ich habe mir die Eckdaten auf einer Serviette notieren müssen“, erzählt Hallmann und lacht.

Er nahm das Angebot an und zog nach Ulm. Dort lebt er heute noch, arbeitet mit einer Gruppe um Arthur Abele und Mathias Brugger, der ebenfalls an der EM in Berlin teilnahm. Hallmanns Aufgabe besteht darin, die Athleten so zu fördern, dass diese ihre Bestleistungen steigern. Er analysiert Sprünge, Würfe und Sprints am Bildschirm, tauscht sich dafür auch mit anderen Trainern wie dem früheren Weltklasse-Speerwerfer Boris Obergföll aus. Hallmann erarbeitet Vorbereitungspläne, organisiert Trainingslager und führt Einzelgespräche mit seinen Zehnkämpfern. „Es geht dabei nicht nur darum, was wir beispielsweise im Weitsprung verbessern können, sondern auch um die Entwicklung der Persönlichkeiten“, betont er.

Verbindung ins Ruhrgebiet

Wenn Hallmann im Training etwas nicht passt, kann er seine Herkunft übrigens nicht verleugnen. „Ich rege mich auf, wie sich einer aus dem Pott nun mal aufregt“, erzählt der Bundestrainer. Wenn es die Zeit zulässt, fährt Hallmann auch mal auf ein „Datt und Watt“ ins Ruhrgebiet. „Da sind viele Freunde und Verwandte noch zuhause“, sagt der Essener. „Außerdem leben meine beiden Patenkinder dort. Die möchte ich natürlich auch häufig sehen.“

Am 2. und 3. Oktober werden sich die Kleinen ihren Patenonkel vermutlich im Fernsehen ansehen können. Dann steht in Doha der Zehnkampf auf dem Programm. Bei den Königen der Athleten gibt es viele Deutsche mit Medaillenchancen. Arthur Abele gehört wieder dazu. Mit Rico Freimuth – WM-Zweiter 2017 – ist ebenso zu rechnen wie mit Kai Kazmirek, der vor zwei Jahren Bronze holte.

Ob dieses Trio überhaupt nach Doha fliegt, steht aber noch nicht fest. Die drei Topplatzierten der nationalen Bestenliste sind dabei. Auch jüngere Athleten wie Manuel Eitel, Tim Nowak oder der EM-Vierte Niklas Kaul.

Olympische Spiele im Blick

Diese Namen dürfen sich die Leichtathletik-Fans für die Zukunft merken. Es sind Sportler, die bei den Olympischen Spielen in Tokio oder vier Jahre später in Paris begeistern können. Mit ihnen und anderen verfolgt Hallmann ein ambitioniertes Ziel. Nachdem er jüngst vom Deutschen Leichtathletik-Verband zum Trainer des Jahres gekürt worden war, sagte er einen bemerkenswerten Satz: „Der deutsche Zehnkampf soll wie eine Welle die internationale Konkurrenz platt machen und überrollen.“