Bochum. Im größten Wettskandal der europäischen Fußballgeschichte will der deutsche Fußballbund mit aller Härte gegen involvierte Sportler vorgehen. Das kündigte DFB-Präsident Theo Zwanziger an. Neben mehreren Spielern steht auch ein Schiedsrichter unter Verdacht, geschmiert worden zu sein.
In den größten Wettskandal der europäischen Fußballgeschichte ist möglicherweise erneut ein deutscher Schiedsrichter verwickelt. Dies berichtet das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Der Referee soll bei einem Spiel der Regionalliga Süd im Mai Schmiergeld von den mutmaßlichen Wettbetrügern kassiert haben. Außerdem soll laut Spiegel der ehemalige Bundesligist und jetzige Süd-Regionalligist SSV Ulm stärker als bislang bekannt in den Wettskandal verstrickt sein. So sollen vier Regionalligaspiele des SSV aus der Endphase der vergangenen Saison unter Manipulationsverdacht stehen.
Spieler und Schiedsrichter unter Verdacht
Deutschland steht seit Freitag im Zentrum des größten Wettskandals in der Geschichte des europäischen Fußballs. Die Bestechungsaffäre weitet sich bereits einen Tag nach den brisanten Veröffentlichungen der Staatsanwaltschaft Bochum immer mehr aus. Nachdem am Freitag in Medienberichten ein aktueller und zwei ehemalige Spieler des Drittligisten VfL Osnabrück in Verbindung mit dem Betrugsskandal gebracht worden waren, soll laut Spiegel online knapp fünf Jahre nach dem Fall Robert Hoyzer wieder ein Unparteiischer des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in die Manipulationen verwickelt sein. Der Name des unter Tatverdacht stehenden Schiedsrichters ist aber noch nicht bekannt.
Auch der DFB hat offenbar noch keine Informationen erhalten, um wen es sich handelt. "Die Informationen zu dem Schiedsrichter kann ich nicht bewerten. Aber sollte sich das als wahr herausstellen, dann haben die Leute bei uns nichts mehr zu suchen. Wir werden sie dann auch bestrafen. Jeder, der an den Manipulationen beteiligt ist, ist einer zu viel. Da Schiedsrichter zur Objektivität verpflichtet sind, wäre eine Beteiligung besonders verwerflich", sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger am Samstag auf dem Deutschen Turntag in Koblenz.
Wegen der laufenden Ermittlungen hat die Bochumer Staatsanwaltschaft bislang keine Namen von beteiligten Spielern oder Schiedsrichtern bekannt gegeben. Bislang stehen alleine im Jahr 2009 in Deutschland 32 Spiele von der 2. Bundesliga abwärts unter Manipulationsverdacht. Nach Angaben der leitenden Staatsanwaltschaft Bochum ist das aber erst die "Spitze des Eisbergs".
Überführte Sportler sollen vors Sportgericht
"Sobald wir Beweise haben, wird das DFB-Sportgericht schon vor den rechtmäßigen Urteilen Maßnahmen treffen", kündigte Zwanziger ein rigores Vorgehen gegen die Sportbetrüger an: "Der Fußball ist keine heile Welt. Wir haben es mit Kriminellen zu tun, die gibt es überall, nicht nur im Sport. Das ist auch kein Kavaliersdelikt. Das ist Schmarotzertum an der Gesellschaft."
Europaweit stehen in insgesamt neun Ländern 200 Spiele unter Manipulationsverdacht. In Deutschland sind in den vergangenen beiden Tagen der SSV Ulm und der VfL Osnabrück in die Schlagzeilen geraten. Groß ist die Aufregung in Osnabrück. Die beiden Auswärtsspiele der Niedersachsen beim FC Augsburg (0:3) am 17. April 2009 und beim 1. FC Nürnberg (0:2) am 13. Mai sollen manipuliert worden sein. "Ich betone: Wenn da etwas dran ist, dann bezieht sich das alles auf die letzte Saison und die Mannschaft der Vorsaison! Eines kann ich sagen: Wenn tatsächlich Spiele zu unseren Ungunsten manipuliert worden sind, werden wir mit allen rechtlichen Mitteln gegen die Verursacher vorgehen", sagte VfL-Präsident Dirk Rasch.
Osnabrück half Spieler mit Wettschulden
Rasch bestätigte allerdings auch, dass der niedersächsische Traditionsklub in der letzten Saison einem Spieler geholfen hat, der Wettschulden hatte. 'Das stimmt', sagte Rasch im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Dieser Spieler stand unter enormen Druck und hat sich uns im März mit seiner Spielsucht geöffnet. Sein Signal war 'Helft mir!´, und wir haben geholfen."
Zwanziger rief am Samstag die Europäische Union (EU) zur Hilfe. "Bestimmte Sportwetten sind gefährlich für den Fußball. Sie werden im Internet über Asien und den Balkan platziert, wo es keine klaren Auflagen gibt. Die Gefahr für den Fußball wird dann besonders groß, wenn Spitzenwettbewerbe wie die Champions League oder die Europa League betroffen sind. Das macht die Faszination des Fußballs kaputt. Da brauchen wir Hilfe von der EU", sagte Zwanziger. Zumindest sind in Deutschland bislang keine Spiele der 1. Bundesliga betroffen.
In sechs europäischen Ländern wurde offenbar auch im Oberhaus manipuliert. Zudem sollen zwölf Partien der Europa League sowie drei Champions-League-Spiele verschoben worden sein. 15 Menschen wurden bislang in Deutschland festgenommen, zwei in der Schweiz. Mehr als zehn Millionen Euro erschwindelten die Gauner mit abgesprochenen Wetten. Im Zentrum des Skandals steht wie schon im Fall Hoyzer das Cafe King in Berlin. Hoyzer-Drahtzieher Ante S. gehört nach Spiegel-Angaben wie fünf weitere Hauptbeschuldigte zur 'Führungsebene' der Wett-Mafia.
Transparency fordert "null Tolleranz"
Der Generaldirektor Michael Vesper vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) kritisierte die Täter mit aller Schärfe und forderte ein hartes Vorgehen. "Es ist gut, dass diese Machenschaften verfolgt und aufgedeckt werden. Korruption ist ein Krebsleiden der Gesellschaft, dass auch vor dem Sport nicht Halt macht. Es ist gut, dass der Staat dagegen vorgeht." Vesper verlangte scharfe Sanktionen. "Die Täter müssen mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden."
Auch die Vorsitzende der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International Deutschland, Sylvia Schenk, mahnte eine «Null-Toleranz-Haltung» angemahnt. Korruption gelte immer noch als Kavaliersdelikt, sagte Schenk im Deutschlandradio Kultur.
Nicht nur Kriminelle missbrauchten den Sport, sagte die Korruptionsbekämpferin und fügte hinzu: «Wenn so viele Spiele manipuliert wurden, haben sehr viele aus dem Sport mitgemacht. Das heißt: Man muss sich auch über die Moral und das Unrechtsbewusstsein bei Spielern, Schiedsrichtern und Funktionären unterhalten.» (sid/ap)