Bochum. Im Zuge des bislang größten Manipulationsskandals im europäischen Fußball wird einem Medienbericht zufolge gegen drei Spieler des VfL Osnabrück ermittelt - darunter Thomas Cichon und Thomas Reichenberger. Zunächst hieß es, dass Haftbefehle erlassen worden seien.

Von Frühwarnsystemen war die Rede und davon, dass sich so etwas nie wiederholen dürfe. Alles werde besser werden, hieß es beim Deutschen Fußballbund und der UEFA nach dem Fall Robert Hoyzer. Nun steht fest: Es ist schlimmer geworden. Viel schlimmer.

Noch am Freitagmorgen hatte DFB-Mediendirektor Harald Stenger Entwarnung gegeben. „Die UEFA- und DFB-Frühwarnsysteme für die Überwachung des Wettmarktes haben keinerlei Erkenntnisse über Spielmanipulationen in Deutschland geliefert”, erklärte er auf Anfrage und schloss daraus, Spiele in Deutschland seien dieses mal wohl nicht betroffen. Irrtum.

"Vier Spiele der 2. Liga, drei Spiele der 3. Liga , 18 Partien der Regionalligen, fünf Spiele der Oberligen sowie zwei U19-Begegnungen", listete Bochums Polizeidirektor Friedhelm Althans auf und bestätigte in allen Fällen „Manipulationsverdacht”. Genau wie bei fast 170 weiteren Begegnungen aus Belgien, Kroatien, Slowenien, Ungarn, Bosnien-Herzegowina, der Türkei, der Schweiz und Österreich. Auch bei drei Champions-League- und zwölf Europa-League-Spiele sowie einem Qualifikationsspiel zur U21-EM soll es Absprachen gegeben haben.

Das sind Zahlen, die auch Peter Limacher, UEFA-Experte für Bekämpfung von Spielmanipulationen schocken. Sichtlich betroffen räumte er ein: "Ja, das ist der größte Wettskandal in der europäischen Fußballgeschichte."

Frühere Bundesliga-Profis verstrickt

In den offenbar sogar ehemalige Bundesligaprofis verstrickt sind: Einem Bericht von "Welt Online" zufolge wird den Spielern Thomas Reichenberger, Thomas Cichon und Marcel Schuon vorgeworfen, absichtlich schlecht gespielt zu haben.

Mindestens zwei der laut Staatsanwaltschaft Bochum vier verschobenen Zweitligaspiele, von denen die Staatsanwaltschaft Bochum berichtete, sollen die Osnabrücker bestritten und verloren haben. Betroffen sind demnach die beiden Auswärtsspiele beim FC Augsburg (0:3) am 17. April 2009 und beim 1. FC Nürnberg (0:2) am 13. Mai. Das führte im Juni zum Abstieg des VfL, dessen Manager Lothar Gans sagt: „Wenn das stimmt, sind wir natürlich alle erschüttert.“

Von den drei verdächtigen Fußballern spielt nur noch Reichenberger bei Osnabrück, Cichon ist inzwischen in Südafrika und Schuon in Sandhausen im Einsatz. VfL-Präsident Dirk Rasch äußerte sich nur knapp zu den angeblichen Spielmanipulationen von eigenen Spielern: „Wir waren sehr überrascht, als wir von den Mutmaßungen gelesen haben und werden uns nicht an Spekulationen beteiligen“, teilte er mit.

Telefonüberwachung lieferte Indizien

Aufgedeckt hat den Skandal kein Frühwarnsystem, aufgedeckt haben ihn Fahnder aus Bochum. Und das auch nur zufällig im Rahmen einer Telefonüberwachung in einem anderen Verfahren. Da haben die Abgehörten von verschobenen Spielen erzählt. Oder wie sie Trainer, Betreuer und Spieler schmierten und dann mit den richtigen Wetten im Internet das große Geld kassierten. 15 Verdächtige bundesweit wurden nach monatelangen Ermittlungen verhaftet, gegen 200 weitere wird ermittelt – Tendenz steigend.

Das ist aber auch schon so ziemlich alles, was die Bochumer Fahnder verraten. Namen von verdächtigen Vereinen? „Nennen wir nicht”, sagte Bernd Bienioßek, der an diesem Tag eher Schweiger als Sprecher der Staatsanwalt ist. Wie viel Geld nötig war, um einen Spieler zu kaufen? „Sagen wir nicht.” Gehören die Brüder S, die auch schon in den Fall Hoyzer verstrickt waren zu den Verhafteten? „Kein Kommentar.”

„Wir stehen erst ganz am Anfang”, bat Polizeidirektor Althans um Verständnis und sprach von „ermittlungstaktischen Gründen, aus denen man schweige.”

"Das wäre eine Katastrophe"

Dennoch kursieren die ersten Namen. Neben dem VfL Osnabrück der des SSV Ulm. Für eine 0:5-Klatsche in einem Freundschaftsspiel gegen den türkischen Erstligisten Fenerbahce Istanbul sollen Ulmer Spieler Geld bekommen haben. Stimmt es? „Kein Kommentar”, so der Staatsanwalt.

Auch UEFA-Mann Limacher wurde im Laufe des Nachmittages immer schweigsamer. „Die Frühwarnsysteme können nicht jede Form von Wettbetrug aufdecken“, sagte er noch. Schon weil sie die unteren Ligen gar nicht beobachten. Warum aber selbst die angeblichen Manipulationen in der Champions-League nicht aufgefallen sind, das kann der Experte auch nicht erklären.

So bleibt am Ende nur eine gute Nachricht. 50 Prozent der manipulierten Spiele sind am Ende doch nicht so ausgegangen wie vom Geldgeber gewünscht. Weil ein „gekaufter” Stürmer alleine nicht reichte. Oder sich ein Spieler nicht an die Anweisungen seines bestechlichen Trainers hielt. „Man kann”, sagt Polizeidirektor Althans, „eben nicht alles vorherbestimmen.”