Essen. Franz Beckenbauer hat sich nie verstellt. Aber kaum einer schaute genau hin. Seine Bloßstellung ist gleichzeitig die seiner Anhänger. Ein Kommentar.

Der Schwadroneur, auch als Kaiser und Lichtgestalt bekannt, bleibt diesmal stumm. Dabei hätte er doch so viel zu sagen. Zum Beispiel, dass er die Welt nicht mehr versteht. Was unsereiner wiederum sehr gut versteht. Das Sommermärchen nach Deutschland geholt und plötzlich als Märchenerzähler denunziert? Ja mei, ist das vielleicht gerecht?

Auch interessant

Schließlich: Was hat er denn aus seiner Sicht gemacht, der Franz, was er nicht all die Jahre getan hat, ohne dass sich je einer daran gestoßen hat? Er hat sich – wie gewohnt – keinen Mächtigen zum Feind gemacht. Er hat sich bis zuletzt genau überlegt, mit wem er sich anlegt, besser: nicht anlegt. Ja, er hat auch in unverbrüchlicher Treue zu Blatter gestanden. Aber war denn der Sepp nicht auch immer nett zu ihm gewesen? Und erst der Emir! Wie hätte er dem „guten Freund von uns“ dessen Wunsch nach einer WM in der Wüste denn abschlagen können? Wo doch der „uns“ seinerzeit auch geholfen hatte. Und, nicht zu vergessen, der Scheich beschäftigt in Katar gar keine Sklaven, wie böse Zungen behaupten.

Beckenbauer war offenes Buch

Sage niemand, Franz Beckenbauer hätte sich in all den Jahren – etwa einem Wolf im Schafspelz gleich – verstellt. Nein, er hat uns stets sein wahres Gesicht gezeigt. Der Mann war wie ein offenes Buch. Nur wollten die meisten darin lediglich das lesen, was sie lesen wollten – um der schönen Heldensaga willen.

Egal, was die WM-Affäre noch alles ans Licht bringen wird, eins hat sie bereits gezeigt: Bei seinem Kampf um Wählerstimmen ist der Fußball-Kaiser nicht halb so naiv gewesen wie seine ihm ergebenen Anhänger, die sich von seinem medialen Hofstaat vorgaukeln ließen, hier könne jemand übers Wasser gehen, bloß weil er einmal an der ZDF-Torwand den Ball von einem Weißbierglas aus eingelocht hatte.

Die jüngsten Enthüllungen stellen jedenfalls nicht nur einen sich gerade im freien Fall befindlichen Nationalhelden bloß. Sondern auch und gerade jene, die ihn auf ein Podest gehoben haben, auf das Franz Beckenbauer – bei aller Anerkennung seiner grandiosen Fußballer-Karriere – nie hingehört hat.