Essen. . “Nicht mehr sexy genug“ nannte BVB-Geschäftsführer Watzke den Amateurfußball. Zuschauerschwund ist Fakt, aber daran ist die Liga nicht unschuldig.
Ascheplatz, kleine Stadien, Holzbänke für die Spieler – wenn die Bundesliga für den Fußballkommerz steht, dann steht der Amateurfußball wohl für die Fußballromantik. Romantisch vielleicht, aber ist er auch sexy? Das zweifelte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in einem Interview mit dem Kicker kürzlich an. Auch der Event-Charakter fehle, meinte der 56-Jährige. Dabei macht die große Bundesliga es den Fußballverbänden mit konkurrierenden Spielen am Sonntag, der traditionell Spieltag der Amateure ist, auch nicht einfach, Zuschauer anzulocken.
Ausgangspunkt für Watzkes Aussagen war die Diskussion um eine weitere Anstoßzeit (13.30 Uhr) in der ersten Fußball-Bundesliga am Sonntag, die für die Saison 2017/2018 geplant ist. Watzke sieht in den sonntäglichen Bundesligaspielen allerdings nur einen geringfügigen Grund für schwindende Zuschauerzahlen im Amateurbereich.
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Gerade das beschäftigte den Fußballverband Niederrhein (FVN) allerdings schon seit einiger Zeit. „Die Bundesliga soll nicht so tun, als würde uns diese Spielplanung nicht beeinflussen“, meint Wolfgang Jades, Vorsitzender des FVN-Fußballausschusses. "Man sollte Herrn Watzke mal die Frage stellen, wann der Amateurfußball dann spielen sollte." Dass es in der Vergangenheit Zuschauerschwund gab, sei keine Frage, „aber sicher haben gewisse Zuschauer auch den Weg ins Stadion gesucht“, befindet Jades weiter.
Kreis Mönchengladbach als Vorreiter
Ins Stadion oder vor den Fernseher. Carsten Jaksch-Nink vom Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen (FLVW) stimmt Watzke zu, dass der Zuschauerschwund schon früher eingesetzt habe und auch mit gesellschaftlichen Veränderungen zu tun hat, merkt aber auch an, „dass die TV-Angebote von attraktiven Bundesliga-Spielen – vor allem mit Beteiligung der Zuschauermagneten Schalke 04 oder Borussia Dortmund – sehr wohl dazu beitragen können, dass der Fußballfan lieber zuhause vor dem Fernseher bleibt, anstelle seinen Heimatverein in der Amateurspielklasse zu unterstützen.“
Das war zumindest auch im Kreis Mönchengladbach am Niederrhein ein Problem, der hier als erstes reagierte. Seitdem es Sky-Übertragungen sonntags gibt und Bundesligist Borussia Mönchengladbach an diesem Tag häufiger im Einsatz ist, gibt es für die Vereine des Fußballkreises die Möglichkeit, Spiele auf den Freitag oder Samstag zu verlegen. Voraussetzung: Beide Vereine sind einverstanden und vier Wochen vor Spieltag wird der Antrag gestellt. „Das Modell läuft da hervorragend“, berichtet Jades und deswegen wird es ab der kommenden Saison auch auf andere Kreise und Ligen ausgeweitet.
Weg von der Sonntags-Tradition im Amateurfußball?
Bewegt sich der Trend im Amateurbereich damit fort vom traditionellen Sonntag als Spieltag? Im Fußballverband Niederrhein scheint das zumindest der Fall zu sein. Stand jetzt beteiligen sich an dieser Regelung ab der kommenden Saison insgesamt drei Kreise (Moers, Mönchengladbach und Krefeld), zwei Bezirksligen und eine Landesliga. Im westfälischen Verband ist eine Verlegung zwar grundsätzlich möglich, wird aber eher selten praktiziert. Hier muss 14 Tage vor Spieltag ein Antrag beim Staffelleiter vorliegen, der dann entscheidet. In den Durchführungsbestimmungen sind Spiele der 1. und 2. Bundesliga in räumlicher Nähe zur Partie des Amateurvereins als mögliche Gründe dafür genannt.
Der Sonntag und die Anstoßzeit sind natürlich nicht die einzigen Gründe dafür, dass Zuschauer dem Amateurfußball fernbleiben: „Da gebe ich Herrn Watzke Recht, dass sich das Freizeitverhalten völlig verändert hat“, bestätigt Wolfgang Jades. Veränderte Arbeitszeiten, die Gelegenheit mit der Familie etwas zu unternehmen oder auch verstärkte Konkurrenzangebote, nennen die Verantwortlichen der Verbände als Beispiele.
Für Wolfgang Jades ist ein fehlender Event-Charakter aber kein Thema und er weist auf ein ganz anderes Problem hin: „Die heutigen Amateurvereine sind froh, wenn sie den Spielbetrieb aufrechterhalten können.“ Denn, da sind sich die Verantwortlichen einig: Der Amateurbereich sei eine wichtige Basis für den gesamten Fußball. Daher kämen die Profispieler, die heute Weltmeister sind, gibt Jades zu bedenken. Womit man wieder bei der Fußballromantik wäre. Und Jaksch-Nink erinnert an große Menschenmassen bei Aufstiegsrelegationsspielen und stellt fest: „Der Amateurfußball lebt – und er kann sehr wohl sexy sein.“