Dortmund. . Thomas Tuchel hat in Sachen Personal bisher keine Forderungen gestellt. Klare Ziele hat er dennoch: „Wir wollen die ersten Vier attackieren“.

Es ist die Art von Thomas Tuchel, die Dinge bis ins letzte Detail zu durchdenken. Gern auch immer wieder. Nur für den Fall, dass sich auf dem Weg zu einer Entscheidung ein Fehler eingeschlichen haben sollte. Und doch scheint er in dem Augenblick überrascht zu sein, als er den großen Raum in der vierten Etage des Dortmunder Stadions betritt, wo fast eine Hundertschaft an Journalisten wartet, wo 21 Kameras seine Bewegungen verfolgen, wo sich die Fotografen um die besten Plätze balgen als gelte es, die ersten Bilder eines Königskindes zu machen.

Eine Blitzlicht-Salve geht nieder. Die aufzuckende Helligkeit blendet Tuchel. „Ich bin überglücklich“, sagt er als allererstes.

BVB-Boss Watzke wurde schon 2009 auf Tuchel aufmerksam

Das ist er, der neue Trainer von Borussia Dortmund. Es ist eine neue Welt, in die der 41-Jährige eintaucht, eine große, gelbe Welt für einen, der fünf Jahre lang den selbst ernannten Karnevalsverein Mainz 05 trainierte und davor Jugendtrainer im selben Verein war. 2009 gewann er mit der A-Jugend die deutsche Meisterschaft. Überraschend, weil der Gegner der klare Favorit mit den besseren Spielern war. Der hieß Borussia Dortmund und hatte die Saison lang alles in Grund und Boden gespielt. Mit Mario Götze, dem heutigen Weltmeister-Torschützen von Bayern München, mit Daniel Ginczek, der den VfB Stuttgart jüngst zum Klassenerhalt schoss, mit Tolgay Arslan, heute in Diensten von Besiktas Istanbul.

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Die BVB-Macher Hans-Joachim Watzke (Geschäftsführer) und Michael Zorc (Sportdirektor) waren damals im Stadion in Mainz. „Wir hatten keine Chance“, sagt Zorc über die Niederlage. „Nach dem Spiel haben wir als erstes Erkundigungen über den Mainzer Trainer eingeholt“, erinnert sich Watzke. Er ist heute noch beeindruckt, wie souverän Tuchel damals über die höhere Qualität des Gegners triumphierte. Das sagt er ihm beim ersten Treffen zu Verhandlungen. Selbst die Aufstellung der Mainzer hat der BVB-Boss noch zu großen Teilen im Kopf. Damit war das Eis gebrochen – und Tuchel wusste, dass es in Dortmund um Fußball gehen würde.

Nichts könnte ihn mehr reizen.

Tuchel will mit dem BVB Herausforderer werden

Nun sitzt Tuchel zwischen Watzke und Zorc in seinem neuen Stadion. Unter seinem dunkelblauen Pullover trägt er ein blassweißes Hemd. Sein Körper sieht aus wie der eines Asketen, die Finger sind lang und feingliedrig wie die eines Pianisten.

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Eigentlich soll an diesem Tag nicht über die Ziele der neuen Saison in der Fußball-Bundesliga gesprochen werden. Watzke verbittet sich in seinem eröffnenden Statement Fragen zu diesem Thema. Der neue Mann aber hat Ziele – und sie sprudeln aus ihm heraus. Ungefragt. „Wir sind ein großer Herausforderer in allen Wettbewerben, in denen wir starten“, sagt Tuchel. „Wir wollen in der Bundesliga die ersten Vier der Tabelle attackieren.“ Bayern München, der VfL Wolfsburg, Borussia Mönchengladbach und Bayer Leverkusen, das habe die vergangenen Saison gezeigt, hätten „gelernt, in Serie zu siegen, aber ich möchte, dass sie uns immer spüren, auch wenn wir einen Rückstand aufzuholen haben“, sagt Tuchel und hofft, dass seine Mannschaft in der neuen Saison eine Haltung annimmt, die geprägt ist von „Fleiß, Bescheidenheit, Mut und Beharrlichkeit.“

Die personellen Planungen beim BVB lässt Tuchel offen

Das ist mutig. Und bescheiden kann Tuchel, der beim Hamburger SV schon fast zugesagt zu haben schien, ehe er doch noch dem Ruf aus Dortmund folgte, auch. „Es gibt keinen Forderungskatalog von mir“, sagt Tuchel über personelle Planungen, die „vom Schreibtisch oder vom Videorekorder“ nicht seriös voranzutreiben seien. „Ich freue mich auf das große, große Talent der Spieler“, sagt er.

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Tuchel ist gut vorbereitet an diesem Tag. „Ich bin ein sehr emotionaler Typ. Deshalb freue ich mich darauf, zu erleben, wie diese Energie in der Stadt und in diesem Stadion entsteht. Ich kenne das nicht und lasse mich darauf ein“, sagt er, als die Bilder vom Thronerben längst verbreitet sind. Sieben Jahre lang wurde Jürgen Klopp in Dortmund hofiert und gefeiert. Es ist ein schweres, großes Erbe. Tuchel weiß das, er hat es oft genug durchdacht.