Nürnberg. . Gibraltar hat 29 000 Einwohner und ein Nationalteam der Freizeitkicker. Die EM-Qualifikation beschert dem Land aber ein Spiel gegen die Deutschen. So trifft ein Team, das nicht einmal in der Fifa-Weltrangliste geführt wird, auf Stars wie Mario Götze, Toni Kroos oder Manuel Neuer.
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Torhüter Jordan Perez ist Feuerwehrmann, Mittelfeldmann Ryan Casciaro sorgt wie sein Bruder Lee normalerweise als Polizist für Recht und Ordnung. Am Freitag haben die Hobby-Fußballer aus Gibraltar aber allesamt Sonderurlaub, wenn es zum Treffen der größten Gegensätze im Weltfußball kommt. Die Mannschaft der britischen Kronkolonie, die erstmals an der Europameisterschafts-Qualifikation teilnimmt, bekommt es in Nürnberg mit Weltmeister Deutschland zu tun. Ein Team, das nicht einmal in der Fifa-Weltrangliste geführt wird, trifft auf Stars wie Mario Götze, Toni Kroos oder Manuel Neuer.
So könnte vielleicht sogar der höchste DFB-Sieg vom 1. Juli 1912 beim 16:0 gegen Russland wackeln. In den ersten drei EM-Qualifikationsspielen setzte es für die Mannschaft vom Affenfelsen am Südzipfel der iberischen Halbinsel drei Niederlagen bei 0:17 Toren. Trotzdem mag es Coach Allan Bula nicht, dass bei seiner Mannschaft von Fußball-Zwergen gesprochen wird. „Brasilien hat gegen Deutschland 1:7 verloren. Gehören sie auch zu den Kleinen?“, fragte der Coach, der nach der Gruppenauslosung Anfang des Jahres im Überschwang noch vom Einzug in die Playoffs geträumt hatte.
Gegen Malta holte Gibraltar in diesem Jahr den ersten Sieg der Verbandsgeschichte
Doch jeder Anfang ist schwer. Das weiß auch Dennis Beiso, der Vorstandschef der Gibraltar Football Association (GFA). „Als Andorra oder Liechtenstein neu aufgenommen wurden, haben sie 0:10 oder so verloren, aber mit Erfahrung und besserer Organisation können sie inzwischen gute Spiele abliefern. Diesen Weg wollen wir auch gehen“, sagt Beiso und fügt hinzu: „Welt- oder Europameister werden wir aber sicher nie.“ Acht Länderspiele hat Gibraltar seit der Aufnahme in die Uefa-Familie im Mai 2013 bestritten. Im ersten Länderspiel gab es gegen die Slowakei sogar ein 0:0. Ein Team, das zuletzt immerhin Europameister Spanien 2:1 besiegt hat. Historisch wurde es am 4. Juni dieses Jahres. Beim 1:0 gegen Malta sprang der bislang einzige Sieg der Verbandsgeschichte heraus. Den Siegtreffer erzielte Kyle Casciaro, der jüngste der drei Casciaro-Brüder, der im täglichen Leben bei einer Reederei beschäftigt ist.
Jeder, der Fußball spielen kann, ist herzlich willkommen. Schließlich verfügt das Land nur über 600 aktive Spieler, die sich in erster Linie auf die 22 Mannschaften der ersten und zweiten Liga verteilen. Meister ist Lincoln Red Imps FC, das sozusagen das Bayern München von Gibraltar ist. Seit zwölf Jahren hat der Klub ununterbrochen die Meisterschaft geholt, allein neun Nationalspieler spielen für das Team.
Weltverband verweigert Aufnahme
Fußballbegeistert sind sie in Gibraltar schon immer gewesen. Seit über 100 Jahren findet ein Ligabetrieb statt, und der Verband wurde 1895 noch fünf Jahre vor dem DFB gegründet. Seine Heimspiele muss das mit nur 29 000 Einwohnern kleinste Uefa-Mitglied aber im portugiesischen Exil in Faro austragen. Das heimische Victoria-Stadion an der Winston Churchill Avenue genügt mit seinen 5 000 Plätzen nicht einmal den niedrigsten Uefa-Standards.
Und Spiele im benachbarten Spanien sind nicht erlaubt. Die Iberer hegen selbst Ansprüche auf das Gebiet und hatten eine Uefa-Aufnahme zu verhindern versucht, lange mit Erfolg. Erst nach einer Empfehlung des Internationalen Sportgerichtshofes CAS wurde Gibraltar 54. Uefa-Mitglied. Der Weltverband weigert sich indes beharrlich, das Gebiet aufzunehmen. Der Verband will sein Recht vor dem CAS einklagen.
Bis die nächste Hürde geschafft ist, steht womöglich auch das neue Stadion. Neben dem Leuchtturm am Europapoint soll bis 2018 eine kleine Arena für 30 Millionen Euro gebaut werden. Dann könnten die Großen des Fußballs tatsächlich auch in Gibraltar Station machen.