Essen. Wer im Pflegeheim lebt, zahlt einen Eigenanteil. In NRW sind die Heimkosten besonders hoch. Das zeigen neue Zahlen des Vdek.
Gelder aus der Pflegeversicherung decken nur einen Teil der tatsächlichen Pflegekosten ab. Das erleben Menschen, die in einem Pflegeheim leben, mit jeder neuen Rechnung. Sie zahlen immer höhere Eigenanteile für Unterkunft und Pflege. Insbesondere in NRW sind die Heimkosten hoch und sie sind 2025 trotz Kostenbremsen erneut massiv gestiegen.
Das zeigt ein neuer Report des Verbands der Ersatzkassen (Vdek), der am Donnerstagmorgen (6. Februar) veröffentlicht wird und vorab dieser Redaktion vorlag. Demnach zahlen Heimbewohnerinnen und Heimbewohner in NRW zum Stichtag 1. Januar 2025 im ersten Heimjahr durchschnittlich jeden Monat 3312 Euro für Pflege und Unterkunft aus ihrem eigenen Portemonnaie dazu. Das sind rund 270 Euro mehr als vor einem Jahr und sogar 772 Euro mehr als 2022. Das ist ein neuer Negativrekord für NRW, wo die Eigenanteile in den Heimen seit Jahren die höchsten im Bundesgebiet sind.
Vdek fordert: Eigenanteile fürs Leben im Pflegeheim begrenzen
Dirk Ruiss, Leiter der Vdek-Landesvertretung NRW, fordert die Politik auf, Pflege bezahlbar zu gestalten. „Die nächste Regierung ist in der Pflicht, die soziale Pflegeversicherung nachhaltig zu finanzieren und die Eigenbeteiligung der Pflegebedürftigen zu begrenzen“, sagt Ruiss. Zum Verband der Ersatzkassen gehören auch die großen Kassen Techniker und Barmer.
Die hohen Eigenanteile sind seit Jahren ein Politikum, weil sie immer mehr Pflegebedürftige in die Sozialhilfe treiben und damit auch die städtischen Haushalte immer stärker belasten. Der Bund bezuschusst die Pflegekosten zwar seit 2022. Wer lange im Heim lebt, bekommt bis zu 75 Prozent der Pflegekosten vom Staat erstattet. Außerdem sind die Leistungen aus der Pflegeversicherung 2025 gestiegen.
Beides verhindert aber nicht, dass die monatlichen Eigenanteile 2025 erneut für alle Heimbewohnenden deutlich gestiegen sind. Im zweiten Heimjahr zahlen Pflegebedürftige in NRW zum Stichtag 1. Januar 2025 im Schnitt 3058 Euro, 238 Euro mehr als vor einem Jahr. Im dritten Jahr sind es 2719 Euro (plus 196) und im vierten immer noch 2295 Euro (plus 143).
„Die nächste Regierung ist in der Pflicht, die soziale Pflegeversicherung nachhaltig zu finanzieren und die Eigenbeteiligung der Pflegebedürftigen zu begrenzen.“
Pflege, Unterkunft und Investitionskosten: So setzt sich der Eigenanteil zusammen
Die Heimkosten setzen sich aus drei Teilen zusammen: Im sogenannten „einrichtungseinheitlichen Eigenanteil“ (EEE) finden sich alle Pflegekosten, die nicht mehr von der Pflegeversicherung gedeckt sind. Dieser Eigenanteil ist für alle Bewohner gleich, egal wie schwer ihre Pflegebedürftigkeit ist, er unterscheidet sich aber von Heim zu Heim.
Dieser Kostenblock ist in NRW traditionell groß, weil in ihm die Personalkosten stecken. NRW hat überdurchschnittlich viele gemeinnützige Betreiber von Pflegeheimen wie die Caritas oder AWO, deren Tariflöhne in Anlehnung an den öffentlichen Dienst auch 2024 erheblich gestiegen sind. Höhere Pflege-Löhne sind politisch gewollt: Wegen gesetzlicher Änderungen haben auch private Träger ihre Gehälter angehoben.
Wer im Pflegeheim lebt, wird an den Kosten für die Pflegeausbildung beteiligt
In keinem Bundesland werden Pflegekräfte derzeit so gut bezahlt wie in NRW, das gilt insbesondere für Hilfs- und Assistenzkräfte. Doch die anderen Länder ziehen überraschend stark nach: In NRW liegt der Eigenanteil im Schnitt bei 1695 Euro, im Bund laut Vdek bei 1760 Euro. Zu den Personalkosten gehört auch die sogenannte Ausbildungsumlage: Pflegeheimbewohner müssen sich an den Kosten für die Ausbildung von Pflegekräften per Bundesgesetz beteiligen – ein Umstand, den es in keinem anderen Berufszweig gibt und der immer wieder für Kritik sorgt.
Überdurchschnittlich hoch sind die monatlichen Kosten für Unterkunft und Verpflegung in NRW. Sie liegen aktuell im Schnitt bei 1250 Euro im Monat und damit 260 Euro über dem Bundesniveau. Hier werden Zimmermiete, hohe Energiepreise und Lebensmittelkosten eingerechnet, aber auch die steigenden Ausgaben für Dienstleister wie Wäscherei und Reinigung, die bei den Betreibern der Pflegeheime auflaufen.
Heimbewohner werden zudem an Kosten für Modernisierungen, Instandhaltung und Anschaffungen beteiligt. In NRW schlägt das mit 621 Euro zu Buche – 123 Euro mehr als im Bundesschnitt. Modernisierungen müssen in NRW schneller abgeschrieben werden, auch höhere Grundstückspreise spielen laut Fachleuten eine Rolle.
Heimbetreiber legen ihre Eigenanteile nicht willkürlich fest. Sie verhandeln mit den Pflegekassen und den Sozialämtern, müssen Investitionskosten zudem den Landschaftsverbänden vorlegen. Die wirtschaftliche Lage vieler Heime ist angespannt, auch weil sich Verhandlungen mit den Kassen oft hinziehen, sie auf Gelder der Sozialämter warten und die zum Teil massiv gestiegenen Kosten für Dienstleistungen oder Personal den Druck erhöhen.
Bei der Verbraucherzentrale NRW melden immer mehr Familien Beratungsbedarf an. Es gebe eine Überforderung aufgrund der vielen Erhöhungsschreiben, so Pflegerechts-Referentin Verena Querling. „Außerdem werden auch immer häufiger Entgelterhöhungen für zurückliegende Zeiträume geltend gemacht.“ Sie rät, jedes Erhöhungsschreiben genau darauf zu prüfen, ob geltende Regeln eingehalten werden. So müsse es vier Wochen vor der geplanten Erhöhung schriftlich zugehen.
Wer die hohen Pflegekosten nicht stemmen kann, bekommt Hilfe vom Staat
Wer die hohen Eigenanteile nicht mehr als eigener Kraft zahlen kann, kann auf staatliche Hilfe zurückgreifen. Betroffene müssen dann aber ihre Finanzen offenlegen, auch Kinder können unter Umständen zu Zahlungen herangezogen werden.
Eine Reform der Pflege gilt als eine der größten Aufgaben, die die nächste Bundesregierung bewältigen muss. Vdek-Landeschef Ruiss fordert Sofortmaßnahmen, um Heimbewohnerinnen und Heimbewohner schnell zu entlasten. Dazu gehöre, dass der Staat die Ausbildungskosten in der Pflege tragen müsse und nicht die Menschen, die gepflegt werden.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.