Mietvertrag verlängert, Besucherrekord und einen Weltrekord verbessert. Was den Starlight Express seit 36 Jahren so erfolgreich macht

Keine Verspätungen, keine Zugausfälle. Muss man sich da noch wundern, dass die Passagierzahlen im Starlight Express steigen? 440.000 Menschen haben die Show im vergangenen Jahr in Bochum gesehen. „Besucherrekord“, sagt Sprecherin Manuela Wolf. Und am Sonntag gab es schon wieder etwas zu feiern. Da konnte Starlight-Geschäftsführer Jürgen Marx den 19-millionsten Gast in der Show begrüßen. Was den seit 2010 gehaltenen Weltrekord für das besucherstärkste Musical, das an einem Ort gespielt wird, noch einmal in die Höhe schraubt.

Kurz nach 19 Uhr am Sonntagabend ist es so weit. Kevin Köhler, der einst selbst den Rusty gespielt hat, betritt die Bühne, im Starlight-Theater - an seiner Seite den aktuellen Rusty und seine Partnerin Pearl. Noch einmal zählt er die vielen Rekorde des Musicals auf, um dann den 19-millionsten Gast bekannt zu geben. Claudia Schulte-Milli aus dem Saarland hat die Jubiläumsbuchung vor einigen Wochen gemacht und wird nun von ihrem Platz auf die Bühne gebeten.

„Geht‘s dir gut?“, fragt Köhler. „Jetzt nicht mehr“, sagt sie völlig überrascht, fängt sich aber schnell wieder und kann sich über ihren Preis freuen. „Crazy – ich konnte es kaum glauben.“ Knapp vier Stunden und 400 Kilometer ist sie angereist und das nicht zum ersten Mal. „Das ist mein vierter Besuch. Aber es ist der, der sich am meisten gelohnt hat. Zusammen mit einer Begleitperson kann sie nun in diesem Jahr nicht nur das Harry Potter-Theaterstück in Hamburg, sondern auch das Musical „Moulin Rouge“ in Köln besuchen - Hotels inklusive. Und auch zum Starlight-Express ist sie ein weiteres Mal eingeladen.

„Weitere Generationen mit auf die Reise nehmen“

Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch blickt denn auch optimistisch in die Zukunft: „Ich bin sicher, die 20 Millionen-Marke wird auch noch geknackt“, erklärt er. Die Voraussetzungen dafür sind jedenfalls geschaffen. Am Wochenende wurde bekannt, dass Stadt und Musicalbetreiber den Mietvertrag für die Halle noch einmal verlängert haben. Um mindestens zehn weitere Jahre. „Wir freuen uns darauf, noch viele weitere Generationen auf diese einzigartige Reise mitzunehmen“, sagt Marx.

Claudia Schulte-Milli, der 19-millionste Gast bei Starlight Express in Bochum, zusammen mit Kevin Köhler, Rusty und Pearl.
Claudia Schulte-Milli, der 19-millionste Gast bei Starlight Express in Bochum, zusammen mit Kevin Köhler, Rusty und Pearl. © Joshua A. Hoffmann | Joshua A. Hoffmann

Begonnen hat sie am 12. Juni 1988. Da feiert das Stück des britischen Komponisten Andrew Lloyd Webber über eine „Weltmeisterschaft der Züge“ seine Premiere in Bochum. Anfangs sind allerdings viele in Bochum und Umgebung der festen Überzeugung, dass es nur eine kurze Reise werden wird. Bei nicht wenigen Bochumern sorgt vor allem das für 25,5 Millionen Mark erbaute Theater für Unmut. Speziell auf Show zugeschnitten ist es mit Bahnen, die mitten durch oder ganz nah heran ans Publikum führen und die die Darsteller mit bis zu 60 km/h entlangrasen. „Millionengrab“, nennen es die Demonstranten, die am Premierentag Schilder in die Höhe halten.

Zu Beginn herrschte Skepsis: „Schrott auf Rädern“

Auch das Feuilleton ist entsetzt. „Zu seicht“, spotten deutsche Kulturkritiker und bezeichnen die Show als „kommerzielle Verblödungsmaschine“ oder „Schrott auf Rädern“. Menschen, die singend und aufwendig kostümiert kostümiert auf Rollschuhen laufen, um Züge darzustellen, die ein Wettrennen machen. Also bitte. „Wer will denn so etwas sehen?“

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Viele wollen das sehen. An acht Vorstellungen in der Woche spielt die Besetzung vor vollem Haus, sind auf Wochen im Voraus ausverkauft. So ähnlich geht das die nächsten fast 36 Jahre weiter. Nur einmal in dieser Zeit fährt der Sternenlicht-Express knapp am Abstellgleis vorbei. Als 2002 der damalige Betreiber Stella, damals einer der ganz Großen im Musical-Geschäft, in die Pleite rutscht, droht auch das Aus für Lokomotive Rusty und die anderen. 14 Tage schweben Cast und Belegschaft zwischen Hoffen und Bangen, dann findet sich in letzter Minute ein Investor. Heute gehört das Musical zu ATG-Entertainment, einem der führenden Unternehmen der Theaterbranche, das in Deutschland, England und den USA über 60 Spielstätten betreibt.

Gewohntes Bild: Noch immer drängen sich vor dem Bochumer Starlight Theater die Besucher
Gewohntes Bild: Noch immer drängen sich vor dem Bochumer Starlight Theater die Besucher © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Aber Starlight füllt nicht nur das Theater, sondern auch Hotels, Kneipen, Restaurants und Geschäfte in und um Bochum. Schon 2018 wird der Umsatz, den die Show abseits der Bühne generiert, auf 60 Millionen im Jahr geschätzt. Aus dem befürchteten Millionengrab ist eine zuverlässige Rendite auf Rollschuhen geworden.

Starlight Express: Musical mit riesiger Fanggemeinde

Und zwar eine mit einer Fangemeinde, die in der Musicalszene ihresgleichen sucht. Man muss nur einmal auf die Außenwände des Theaters schauen und findet tausende Lieberklärungen – vor allem an die wechselnden Darsteller des Rusty. Es gibt einen offiziellen Fanclub, Tage der offenen Tür mit Blick hinter die Kulissen und Kostümwettbewerbe. Es gibt Menschen, die die Show im Laufe der Jahre mehrere hundert Male gesehen haben – und das sind mittlerweile nicht wenige.

Warum die Show so erfolgreich ist, kann niemand so genau sagen. Von der „Einzigartigkeit der Bühnenkonstruktion“ schwärmen die Macher, von der Rasanz der Rennen der Lokomotiven. Deshalb erreiche man auch alle Generationen und hole selbst die ansonsten oft wenig an Musicals interessierten Männer ins Theater.

Starlight Express
Rusty alias Max Luca Maus kommt aus Dortmund, Pearl-Darstellerin Sophie-Rose Middleton aus England. © Starlight Express / Joshua A. Hoffmann | Joshua A. Hoffmann

„Wir brechen mit allen Theaterkonventionen“, hat es Burkhard Koch, ehemaliger Geschäftsführer der Starlight-Express GmbH, zu erklären versucht. Keine Bühne im klassischen Sinn, dafür das Publikum so nah an der Show wie sonst nirgendwo, und der Star ist das Ensemble, nicht ein einzelner Künstler. Noch wichtiger aber: „Das Musical passt ins Ruhrgebiet. Nicht immer auf Hochglanz poliert, sich selbst aber immer treu geblieben. So etwas mögen die Menschen hier.“ Und woanders offenbar auch. Jeder zweite Besucher kommt nämlich nicht aus der Region, ja nicht mal aus NRW. Aus ganz Deutschland und den Nachbarländern reisen sie an und viele kommen im Laufe ihres Lebens wieder. Mit Kindern oder den Enkeln.

Show verändert sich ständig

Die Macher selbst ruhen sich unterdessen nie auf ihren Lorbeeren aus. Immer wieder werden Stück, Theatertechnik, Kostüme und Choreografie modernisiert und leicht verändert. Komponist Lloyd Webber höchstpersönlich macht etwa 2018 aus der Figur „Papa“, die eine alte Dampflok darstellte, eine „Mama“. Das erklärt vielleicht auch ein wenig, warum manche Menschen immer wieder in den Starlight-Express einsteigen. „Die Show“, sagen die meisten von ihnen, „ist jedes Mal ein bisschen anders.“ Und für die Jubilarin sogar noch mehr. Für mich ist ein Starlight-Express-Besuch immer wie ein kleiner Urlaub. Auch beim vierten Mal ist die Show für mich immer noch ein aufregendes Abenteuer.“

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