Bochum. Sie sind die unsichtbaren Stars unterm Sternenhimmel: Die Starlight-Band agiert abseits des Rampenlichts. Wir haben sie bei einer Show begleitet.

„Sorry, echt warm heute.“ Matthew „Matt“ Ramplin entschuldigt sich für seine Shorts, die er am Dirigentenpult trägt. Nicht schlimm. Merkt ja keiner. Die fünf Monitore oben im Saal zeigen den musikalischen Leiter nur hüftaufwärts – stets im schmucken schwarzen Hemd. Auch der Rest der Band bleibt für die 1600 Besucher unsichtbar. Dabei sind es die Musiker des Starlight Express, die einen entscheidenden Beitrag leisten, dass der Sternenhimmel über Bochum seit 35 Jahren strahlt.

Auch interessant

Sonntag, 13 Uhr. Eine Stunde vor Showbeginn nimmt Matt Ramplin zum WAZ-Gespräch in T-Shirt und kurzen Hosen Platz. Der Londoner ist seit 2016 Chef der Starlight-Band. Die hieß früher Orchester. Doch 2018 wurde die dreiköpfige Bläsersektion durch ein zusätzliches Keyboard ersetzt, um den Starlight-Sound zeitgemäßer, elektronisch variabler zu machen. Seither sind es sieben Instrumentalisten, die das Erfolgsmusical achtmal wöchentlich musikalisch aufs Gleis setzen: allesamt Männer, drei am Keyboard, zwei an der Gitarre, einer am Bass, einer am Schlagzeug.

Auf einem großen Bildschirm vor seinem Dirigentenpult kann Matt Ramplin (hier vor der Show noch im T-Shirt) das Geschehen auf der Bühne verfolgen.
Auf einem großen Bildschirm vor seinem Dirigentenpult kann Matt Ramplin (hier vor der Show noch im T-Shirt) das Geschehen auf der Bühne verfolgen. © FUNKE Foto Services | Sebastian Sternemann

Starlight-Band: Bei aller Routine – der Job ist nicht eintönig

Mr. Ramplin, wie ist es, 500 Mal im Jahr das exakt Gleiche zu spielen? Der 35-Jährige schmunzelt. Man könne ihn und seine „Jungs“ nachts aus dem Schlaf holen. Jeder wäre in der Lage, sofort einzusteigen.

Der Job sei aber keinesfalls nur Routine, erst recht nicht eintönig. Gerade wenn – wie derzeit – der jährliche Darsteller-Wechsel ansteht, gelte es, sich bei den Songs auf jeden neuen Sänger, jede neue Sängerin einzustellen. „Da geht es um Nuancen“, sagt Matt Ramplin, der zugleich als Gesangscoach fungiert – mit „Vocal-Warm-Up“ 90 Minuten vor jeder Vorstellung. Musiklehrer an der Folkwangschule ist der smarte Brite obendrein. Auch die meisten Bandmitglieder haben eine weitere Beschäftigung. Sie spielen nebenbei in anderen Gruppen. Pop, Rock, Jazz, das ganze Programm.

Auch interessant

Ralf Neuhaus sitzt seit 33 Jahren hinterm Schlagzeug der Starlight-Band. Damit ist der Langendreerer der dienstälteste Musiker am Stadionring.
Ralf Neuhaus sitzt seit 33 Jahren hinterm Schlagzeug der Starlight-Band. Damit ist der Langendreerer der dienstälteste Musiker am Stadionring. © FUNKE Foto Services | Sebastian Sternemann

Schlagzeuger aus Langendreer ist seit 33 Jahren Teil der Starlight-Familie

13.30 Uhr. Der knapp 200 Quadratmeter kleine Orchesterraum voll mit Instrumenten, Technik und Zubehör füllt sich. Die Band trudelt in legeren Freizeitklamotten ein. Ralf Neuhaus nimmt seinen Motorradhelm ab und am Schlagzeug Platz. Das tut er seit 33 Jahren. Damit ist er der dienstälteste Starlight-Musiker. Langweilig werde es nie, beteuert der 59-Jährige. „Ich könnte in einer Gala-Kapelle jeden Abend ,Love is in the air’ spielen. Das wäre ähnlich. Ich müsste nur länger fahren“, grinst der Langendreerer, der eine geradezu stoische Ruhe ausstrahlt.

Auch interessant

13.45 Uhr. Die Band spielt sich warm. Probe kann man das kaum nennen. Man(n) klimpert vor sich hin. Michael Weiß, langjähriger „Keyboarder I“, stimmt ein Stück aus „Dirty Dancing“ an. Ralf Neuhaus trommelt versonnen. Noch fix einen Kaffee. Es wird ruhig. Lampenfieber? Ach was! „Das ist nur, weil die Presse da ist“, meint Matt Ramplin. Sonst gehe das in der Herrenrunde „etwas anders ab“.

Dirigent schlüpft erst kurz vor Showbeginn ins schwarze Oberhemd

14 Uhr. „Lasst das Rennen beginnen!“, tönt die Jungenstimme aus dem Lautsprecher. Die Band legt los. Jetzt wirklich konzentriert. Fokussiert. Routiniert. Matt Ramplin, inzwischen im schwarzen Oberhemd, verfolgt das Geschehen auf der Bühne über Kopfhörer und einen Bildschirm direkt vor seinem Pult. Die sieben Musiker spielen quasi blind. Auf die reichlich abgerockten Notenblätter schaut kaum jemand. Die „Jungs“ und Lokomotiven nehmen an Fahrt auf: von den ersten Klassikern „Rolling Stock“ und „Crazy“ bis zur Starlight-Sequenz, dem Lieblingstitel nicht nur von Matt Ramplin. Allen Zweiflern sei versichert: Es ist alles live! Aus der Konserve kommt nur die Stimme des jungen „Control“-Eisenbahnfans.

Zwei Kameras filmen den Dirigenten während der Show unten im Orchesterraum. Das Live-Bild wird im Theatersaal auf fünf Monitoren gezeigt.
Zwei Kameras filmen den Dirigenten während der Show unten im Orchesterraum. Das Live-Bild wird im Theatersaal auf fünf Monitoren gezeigt. © FUNKE Foto Services | Sebastian Sternemann

Weg zur Bühne wäre beim Finale zu lang

Nach zweieinhalb Stunden erklingt die letzte Zugabe. Das Prozedere ist immer gleich: Matt Ramplin verbeugt sich vor den beiden Kameras vis-a-vis des Dirigentenpultes. Den brausenden Applaus oben heimsen die Darsteller ein. Bei anderen Musicals kommt das Orchester auf die Bühne und lässt sich feiern. Hier wäre der Weg zu weit, heißt es. Zwei, drei Minuten ohne Musik, und das in einem Musical: Das will doch keiner.

Auch interessant

Matt Ramplin zumindest an diesem schwülwarmen Sonntag wohl auch nicht. In seiner kurzen Hose bleibt er heute gern der Monitor-Mann ohne Unterleib.