Ruhrgebiet. Was wirklich hilft bei Frost und Schnee und welche Kommunen Streusalz sogar verbieten. Fragen und Antworten zur winterlichen Räum- und Streupflicht.

Es sind nicht viele Tage im Jahr, an denen es im Ruhrgebiet ordentlich schneit und gefriert, die Temperaturen unter null Grad Celsius sinken. Aber heute ist so ein Tag. Und dann hilft nichts, dann muss der Gehweg vor dem Haus geräumt und vielleicht auch gestreut werden. Doch besser nicht mit Streusalz. Was man wissen sollte als Hausbesitzer oder mit den „Winterpflichten“ betrauter Mieter.

Warum ist Streusalz schädlich?

1. Aus Umweltgründen: Streusalz versalzt die Böden. „Und wenn der Salzgehalt im Boden hoch ist, wachsen die Pflanzen schlechter“, erklärt Philip Heldt, Umweltexperte der Verbraucherzentrale NRW. An Hauptverkehrsstraßen, wo viel Salz gestreut werde, wo eine sogenannte „Salzflora“ entstehe, siedelten sich oft sogar echte „Nordsee-Pflanzen“ an. „Und die heimischen verkümmern dort.“ Vor allem Straßenbäume leiden, ihre Blätter sterben durch das aufgenommene Salz ab (Blattrandnekrosen). Auftausalze belasten darüber hinaus das Grundwasser und führen zu Korrosionsschäden an Brücken, Fahrbahnen und Kraftfahrzeugen.

2. Des Tierwohls wegen: Für Haustiere, insbesondere für Hunde, sei Streusalz „sehr unangenehm“, so Heldt. „Ein Hund, der öfter mal über Streusalz läuft, bekommt rissige Pfötchen. Und in den Wunden schmerzt das Salz dann umso mehr. Tieren tun sie mit Streusalz wirklich keinen Gefallen.“

WAS Streusalz-Lager
Die Streusalz-Lager sind gut gefüllt. Doch besser für Umwelt und Tiere wäre: Das Salz bliebe auch dort liegen. © regios24 | Lars Landmann

Ist Streusalz komplett verboten?

Es ist nicht generell verboten, so Heldt, die Entscheidung hänge von der einzelnen Kommune ab. In den meisten NRW-Städten gilt ein grundsätzliches Verbot – mit Ausnahmen. Die genauen Regelungen sind in entsprechenden Satzungen nachzulesen. Die Stadt Bochum etwa erlaubt eigentlich nur Sand, Lava oder Granulat als Streumittel. Letzteres wird an den Wertstoffhöfen auch kostenlos abgegeben (Schaufel und Eimer sind vom Bürger mitzubringen!), Ausnahmen vom grundsätzlichen Salz-Verbot sind aber etwa bei Eisregen möglich. Dortmund legt fest, dass Salz nur in dem Maße verwendet werden darf, „wie es zur Beseitigung von Verkehrsgefahren unbedingt erforderlich ist“ und die Stadt Essen betont, dass erst gestreut werden darf, nachdem geräumt worden sei, und das nicht mit Salz. Grundsätzlich. Es sei denn, gefährliche Treppen, steile Gefällstrecken oder außergewöhnliche Wetterverhältnisse erforderten es.

Drohen Bußgelder, wenn man Streusalz trotz Verbots verwendet?

Die Regelungen für Verstöße gegen die Streupflicht variieren ebenfalls. In Hamburg können angeblich bis zu 50.000 Euro Bußgeld fällig werden, Duisburg kassiert 500 Euro. Dass jemand „massiv bestraft“ worden sei, weil er seinen Gehweg „gesalzen“ habe, habe er noch nicht erlebt, erzählt Philip Heldt. „Aber wenn Sie fünfmal hintereinander erwischt werden, weil sie bei drei Grad plus schon mal vorsorglich und großzügig Streusalz verteilt haben, kann‘s durchaus passieren.“

Welche Alternativen zu Streusalz gibt es?

„Ordentliche Schuhe“, rät der Experte der Verbraucherzentrale, selbst leidenschaftlicher Wanderer, „Schuhe mit einem richtig guten Profil.“ Er kann nicht verstehen, dass Menschen im Winter Schuhe mit viel zu glatten Sohlen tragen, „gemacht, um im Sommer damit über Asphalt zu laufen“. Für ihn sei der richtige Schuh die beste Variante, denn „eine wirklich tolle Alternative zu Streusalz gibt es nicht“. Denjenigen, die frühmorgens raus müssen, empfiehlt er sogar, bei Glatteis Spikes unter die Schuhe zu schnallen.

WISSEN.VERSTEHEN.FÜHLEN. Drei Monate Nachhaltigkeit gelebt – Bilanz des Experiments in Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale NRW. Nachhaltigkeitsexperte Philip Heldt (42) besucht Familie Lombardi in Essen, Manu (35), Katharina (34), Ava (5), Mia (8) und Jona (7) ziehen ihr Fazit nach drei Monaten.
Foto: Fabian Strauch / FUNKE Foto Services GmbH

„Die beste Alternative zu Streusalz sind: Schuhe mit einem richtig guten Profil.“

Philip Heldt
Referent für Ressourcenschutz in der Gruppe Umwelt bei der Verbraucherzentrale NRW

Denjenigen, die streuen müssen, nennt Heldt als Alternative zum Streusalz „aufrauende Streumittel“ wie Splitt oder Granulat. Die kleinen Steinchen aus Lava oder ähnlichem Material schadeten der Umwelt nicht, allerdings seien manche so spitz, dass sie empfindliche Hundepfoten doch wieder verletzten könnten. Im Baumarkt seien sie mit dem Umweltschutzsymbol des Blauen Engels erhältlich. Preislich kommt die Alternative womöglich sogar günstiger: Aktuell ist eine Tonne Streusalz für 336 Euro zu haben, Lava-Streugut für 275. Auch Sand oder Sägemehl taugten (bedingt), um glatte Wege rauer zu machen. Von Asche hält Heldt nichts: „Die belastet den Boden auch und hat wenig aufrauende Wirkung.“

Sind alternative Streumittel genauso sicher wie Streusalz?

Splitt, so Heldt, sorge auch auf eisigen Oberflächen für ausreichend „Grip“. „Bei Eisregen ist es dann aber vorbei, doch das kommt im Ruhrgebiet ja auch höchstens ein-, zweimal im Jahr vor.“ Tatsächlich zeigt eine Auswertung von „kachelmannwetter“, dass es in den Januar-Monaten der Jahre 1981 bis 2010 etwa in Essen-Bredeney lediglich 12,8 wirkliche Eistage gegeben hat, also Tage, an denen auch die Höchsttemperatur nicht über null Grad stieg. Selbst am Kahlen Asten waren es nur 26,3.

Wem obliegt die Streupflicht?

Dem Hausbesitzer. Er kann die Aufgabe aber an seine Mieter übertragen, dann sind die zuständig. Im Übrigen bleibt der Hausbesitzer auch dann für die „Winterpflichten“ verantwortlich, wenn er selbst gerade im Urlaub oder krankheitsbedingt verhindert ist. Dann muss er einen Nachbarn um Hilfe bitten, oder einen Hauswart-Dienst beauftragen.

Wann genau und in welchem Ausmaß Gehwege geräumt werden müssen – ist erneut von Kommune zu Kommune unterschiedlich. Essen und Duisburg verlangen eine Schneise von mindestens 1,20 Meter (oder 80 Zentimetern, sollte in einer Fußgängerstraße gar kein Gehweg vorhanden sein). Bochum reicht eine Breite von einem Meter, Dortmund empfiehlt 1,50 Meter. Frisch gefallener Schnee, darin sind sich die meisten NRW-Städte einig, muss unverzüglich geräumt werden; der, der nach 20 Uhr fällt, darf werktags bis sieben Uhr liegen bleiben, sonntags ein, zwei Stündchen länger. Wichtig: Das aufgebrachte Streugut muss auch wieder entfernt werden, spätestens nach Ende der Frostperiode.

Wer haftet bei Unfällen?

Der Hausbesitzer. Weswegen die Verbraucherzentrale NRW dringend zu einer Haftpflichtversicherung rät. „Wenn bei Glatteis jemand auf Ihrem Gehweg stürzt und dabei eine Querschnittslähmung erleidet, dem sprechen die Gerichte schon mal eine Unfallrente von 1500 Euro monatlich zu. Das treibt Sie schnell in den Ruin.“