Krefeld. Ein Vater erzählt: Stefan Walter reist mit der Familie um die Welt. Was er unternimmt, wenn Kinder keinen Schritt mehr laufen möchten.

Mit einem Baby in New York, mit drei kleinen Kindern Campen bei den Bären in Kanada – oder Klettern in der Mayastadt in Guatemala. Für viele Eltern unvorstellbar. Nicht für Stefan Walter. Der 42-Jährige ist schon in seiner Jugend um die Welt gereist, später mit seiner Frau und nun als Familie mit drei Kindern. Über diese besonderen Reisen hat der Sport- und Englisch-Lehrer, der in Krefeld lebt und in Kamp-Lintfort arbeitet, jetzt ein Buch geschrieben: „Wahnsinnig! Glücklich!“ Es ist ein Mutmacher für alle Eltern, die mit ihrer Familie ebenfalls Abenteuer erleben möchten – ohne zu verzweifeln.

Herr Walter, was antworten Sie auf die Frage Ihrer Kinder: „Wann sind wir endlich da?“

(Lacht) Sie spielen darauf an, wie wir mit langen Transfers umgehen?

Ja, genau.

Wir hatten ja in Kanada ein eigenes Auto. Und die beste Strategie bei langen Autofahrten sind Hörspiele und Podcasts. Sobald die Kinder unbeschäftigt auf der Rückbank sitzen, wird es anstrengend. Die andere Möglichkeit ist, wirklich früh morgens loszufahren, sodass sie die ersten Stunden wegdämmern. Und in Mittelamerika war es so, dass wir lange Strecken oft im Nachtbus verbracht haben.

Reisen mit Kindern
Vier Monate in Kanada. Familie Walter erfüllt sich einen Traum – und das mit einem schulpflichtigen Kind! © Stefan Walter | Stefan Walter

Reiselustig waren Sie ja schon immer. Aber mit der Verantwortung für Kinder stürzt sich selbst ein Freigeist nicht mehr kopflos ins Abenteuer, oder? 

Da guckt man schon: Sind das sichere Länder? Kann man einfach ein Auto kaufen? Wir haben eine viermonatige Elternzeitreise gemacht. Kanada war zu dem Zeitpunkt ein relativ teures Reiseland. Es blieb uns nur die Möglichkeit zu campen. Aber wie ist das mit Bären? Obwohl noch nie jemand von unseren Familien in Kanada war, waren sich alle sicher, dass wir von Bären gefressen werden. Diese Fragen haben uns vor der Reise sehr lange beschäftigt. Doch in dem Moment, als wir im Flugzeug saßen, waren diese ganzen Sorgen weg. Weil man dann in dieser Phase ist, in der man handeln kann. Und natürlich kann man ein Auto in Kanada kaufen. Und natürlich wird man nicht von Bären gefressen, wenn man sich an sinnvolle Regeln hält.

Reisen mit Kindern
Tiere beobachten, nicht im Zoo, sondern in ihrem Lebensraum: Das mag Hanna besonders gern. Etwa Haie und Rochen in Belize. © Stefan Walter | Stefan Walter

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Einen Strand finden Kinder ja immer toll. Aber Sie sind auch mit den Kindern nicht vor der Wildnis oder vor Städtetouren zurückgeschreckt. Wie geht das? 

Also Städtetouren gehen vor allem dann ganz wunderbar, wenn die Kinder noch wirklich klein sind. In New York haben wir Hanna in der Trage mitgenommen. Sie hat dann die Zeit verschlafen oder war glücklich, dass sie eng an uns gekuschelt war. Heute ist Städtetrip schwierig, unsere Kinder sind jetzt neun, sieben und fünf. Wir machen das nicht länger als einen Tag. Unsere Kinder sind am glücklichsten, wenn sie draußen in der Natur sind. Wir versuchen immer, einen Ort zu finden, wo sie schwimmen können. Also einen Strand, einen See, einen Fluss, einen Wasserfall. Da brauchen die Kinder überhaupt kein Spielzeug.

Reisen mit Kindern
Mitten in der Natur fühlt sich die Familie Walter am wohlsten. „Da brauchen die Kinder überhaupt kein Spielzeug“, sagt Vater Stefan Walter. © Stefan Walter | Stefan Walter

Sie schreiben, dass Hanna ein genügsames Reisebaby war. Bei einem Kind mit einem anderen Temperament hätte die Reise anders ausgehen können?

Es gibt Kinder, mit denen ist es vielleicht schwieriger. Doch unser zweites Kind, die Eva, hat viel geschrien. Trotzdem hat es gepasst. Ein Vorteil ist, dass unsere Kinder als Gruppe reisen, sie haben ihre Spielpartner immer dabei. Und sie sind wahrscheinlich auch deshalb so reisetauglich, weil sie von klein auf daran gewöhnt sind.

Und dann stehen Sie mitten in der Natur und Eva schreit, weil sie keinen Schritt mehr laufen möchte.

Das war in Mexiko. Da haben wir eine Nachtwanderung gemacht. Es hatte vorher viel geregnet, überall standen Pfützen auf den unbefestigten Straßen. Es war dunkel, es waren keine Häuser da. Wir wollten an diesen einsamen Strand zum Meeresleuchten und Eva hat geschrien und wollte nicht mehr. Ich habe sie dann auf den Schultern getragen. Bei einer Fünfjährigen ist das grenzwertig. Ich hatte dann noch zwei Tage Hexenschuss und Rückenschmerzen. Das war der Preis für diese abenteuerliche Wanderung. Aber wir sind im Dunkeln schwimmen gewesen, wo diese Mikroorganismen sind. Das Meer hat gefunkelt, geleuchtet. Wir hatten den Abend unseres Lebens.

Reisen mit Kindern
Mit den Kindern in der Mayastadt in Guatemala. © Stefan Walter | Stefan Walter

Familien, die nach Holland fahren, wissen nicht, wie sie das ganze Gepäck verstauen sollen. Wie haben Sie das Problem gelöst?

Das ist das Erste, worauf mich Eltern ansprechen: das Gepäck. Noch vor dem Punkt „Sicherheit und Gesundheit“. Wir hatten schon viel Gepäck, weil wir Campen waren: Schlafsäcke, Isomatten, Zelte. Aber sonst haben wir wenig mitgenommen. Man muss ja alles auch tragen. Und man braucht nicht viel, T-Shirt, Hose, Badehose, Unterwäsche. Und was für einen unverzichtbar ist. Für meine Frau war das ein riesiger Medikamentenbeutel.

Reisen mit Kindern
Wohin mit dem ganzen Gepäck? Stefan Walter versucht, so wenig wie möglich mitzunehmen. Der große Medikamentenbeutel ist für seine Frau trotzdem unverzichtbar. © Stefan Walter | Stefan Walter

Ja, was machen Sie denn, wenn die Kleinen auf Reisen krank werden?

In den vier Monaten hatten wir nur einen einzigen Krankheitstag. Jonas hatte Fieber. Wir waren auf einem Campingplatz, da hat er sich den Nachmittag und die Nacht an Mama gekuschelt, und am nächsten Tag war alles wieder okay. Wenn ich mir überlege, vor welchen Krankheiten nach den Sommerferien in der Kita gewarnt wird. . . Wir hatten tatsächlich weniger Krankheiten auf Reisen, als wir es zu Hause gehabt hätten. Und wenn man nicht gerade in den Sudan fliegt, bekommt man auch immer medizinischen Rat.

Eltern werden das lesen und sagen: Herr Walter kann gut reden, ich habe ein schulpflichtiges Kind, ich kann nicht vier Monate verreisen.

Unsere älteste Tochter Hanna ging da auch schon zur Grundschule. Wir sind Anfang der Sommerferien los und sind Ende der Herbstferien wiedergekommen. Es ging also um zehn Wochen Schule. Wir haben mit der Lehrerin gesprochen und sie überzeugt, sodass wir eine Schulbefreiung bekommen haben. Die Schulbücher haben wir mitgenommen. Hanna hat jeden Tag gerechnet, jeden Tag geschrieben und gelesen.

Reisen mit Kindern
Eine Schulbefreiung zu bekommen, war nicht einfach. Aber Stefan Walter hat es geschafft. Und das schulpflichtige Kind Hanna hat beim Campen jeden Tag gelernt. © Stefan Walter | Stefan Walter

Was haben Ihre Kinder denn auf den Reisen gelernt, was sie zu Hause nicht erfahren hätten?

Ich glaube: Offenheit und Kontaktfreudigkeit. Man muss sich schon überwinden, mit Kindern, die eine andere Sprache sprechen, in Kontakt zu treten. In Guatemala waren sie auch für eine kurze Zeit in einer Dorfschule. Da haben sie mitbekommen, dass man morgens als Erstes die Hühner füttert und dann die Eier sucht. Das ist ein völlig anderes Leben. Das finde ich schon wichtig, dass sie das mitgenommen haben.

Um Ihre Reisen zu realisieren, haben Sie mehr als zwei Monate Elternzeit genommen. Das ist ja bei Vätern nach wie vor nicht üblich. Wie denken Sie darüber?

Das ist ein Grund, warum ich dieses Buch geschrieben habe. Ich bekomme von Vätern in sehr, sehr vielen Fällen immer die gleiche Antwort: Das geht nicht. Mein Chef will das nicht. Dann ist meine Karriere vorbei. Finanziell geht das nicht – das kann ich natürlich verstehen. Aber wenn ich die Elternzeit unbedingt will, dann würde ich es doch wenigstens versuchen. Ich habe dadurch viel mehr Zeit mit meiner Familie verbracht.

Tipps für einen Familienausflug in NRW:

Was ist Ihr nächstes Reiseziel?

Wir werden im Januar nach Südostasien aufbrechen. Wir werden über den Oman auf die Philippinen fliegen. Rückreisetickets haben wir noch nicht. Wir wollen wieder Freiwilligenarbeit machen, wahrscheinlich bei einer Tierschutzorganisation. Wir möchten sehr viel in der Natur sein, sehr viele einheimische Menschen kennenlernen, mit ihnen leben und einfach Erfahrungen machen.

Nach jedem Reisekapitel in Ihrem Buch ziehen Sie ein Fazit, was sie wahnsinnig gemacht hat, und was glücklich. Wie lautet denn Ihr Gesamtfazit?

Wenn man möchte, dass sein Leben eine Achterbahn wird, dann sollte man mit seinen Kindern reisen. Denn das Leben wird viel, viel intensiver. Die Dinge, die einen glücklich machen, die bringen einen auf Reisen zum Ausflippen, dass man am Strand tanzt. Auf der anderen Seite bringen all die Dinge, die Probleme machen, einen auch dazu, tiefer abzustürzen. Man hat ja keine Routinen auf Reisen. Aber dann schafft man Dinge, die schwierig waren, und das bringt die Freude zum Explodieren. Das Leben, das wir zu Hause führen, ist auch sehr schön. Aber diese Emotionsspitzen, die hat man nicht so stark. Es ist echt genial, dass man als Familie diese Erfahrungen gemeinsam macht, von denen man noch ewig erzählen wird. 

Das neue Buch von Stefan Walter: „Wahnsinnig! Glücklich! – Reisen mit Kindern. Ein Vater erzählt“, 360° Medien, 192 S., 16,95 €.

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Dieser Artikel wurde das erste Mal am 15. Dezember 2024 veröffentlicht.