Krefeld. Morgens nicht zu wissen, wo man abends schlafen wird, ist für Stefan Walter traumhaft. Der Lehrer hat ein Buch über seine Abenteuer geschrieben.

Einmal nach Australien! Stefan Walter (39) machte den Traum nach dem Zivildienst wahr, reiste und arbeitete, etwa auf einer Avocado- oder einer Rinderfarm. Es war das erste von vielen Abenteuern auf der ganzen Welt, von denen der Krefelder in seinem Buch „Freiheit leben“ erzählt. Redakteurin Maren Schürmann sprach mit dem Lehrer für Englisch und Sport an einem Gymnasium in Kamp-Lintfort über das Glück des Reisens – und was man dabei fürs Leben lernt.

Herr Walter, was treibt Sie an?

Stefan Walter: Ich bin unfassbar neugierig. Und ich möchte eine andere Lebensart leben als zu Hause. Wenn man arbeitet, hat man eine gewisse Routine, man weiß, wie sein Tag ablaufen wird. Ich finde es unheimlich aufregend, nicht zu wissen, wo ich gleich hinfahren werde, wen ich treffen werde, wo ich heute Abend einschlafen werde.

Sie schreiben auch über Ihre Reise-Erkenntnisse. Welche ist Ihre größte?

Stefan Walter tauchte 2008 in Panama nach Seesternen.
Stefan Walter tauchte 2008 in Panama nach Seesternen. © Handout | Privat

Dass man den Mut haben muss, den ersten Schritt zu machen. Australien war ja meine erste große Reise, ich wollte es immer machen, und dann muss man den Flug buchen und denkt: Mache ich das jetzt wirklich? Traue ich mich das? Diesen ersten Schritt zu machen, das ist das Allerwichtigste, danach kann man über alle Dinge nachdenken, die vielleicht problematisch sein können, aber nie ein Problem werden. Man muss nur den Schritt machen, den Flug buchen – oder was auch immer der erste Schritt ist.

Es schlummert bestimmt in vielen Menschen der Wunsch nach Abenteuer. Aber die Bedenken sind dann doch zu groß. Was raten Sie?

Man sollte auf sein Bauchgefühl hören. Ich bin noch nie in einer wirklich gefährlichen Situation gewesen auf meinen Reisen. Wenn ich einen Menschen kennengelernt habe, habe ich immer überlegt, ob ich ihm trauen kann. Das Bauchgefühl hat mich nie getäuscht.

Und dann hängt doch eine handtellergroße Spinne überm Bett und man weiß nicht, ob sie giftig ist, und man quält sich mit einer Amöbenruhr…

Das würde ich nicht als brenzlige Reise ansehen. Ein Raubüberfall ja, aber die Spinne hat nicht vor, einen Menschen umzubringen. Tiere, die wir als gefährlich aus Dokumentationen kennen, haben gar kein Interesse daran, Menschen zu töten. Mit wenigen Ausnahmen. Krokodile in Australien, die haben Hunger auf Menschen. Aber Schlangen, Spinnen oder Haie? Die hauen ab. Und Amöbenruhr kann man mit Antibiotika behandeln.

Die einen malen sich eine Reise pechschwarz aus, die anderen rosarot. Wie realistisch sind Erwartungen?

Erwartungen sind schlimm. Wenn man hohe Erwartungen hat, können die nur enttäuscht werden. Dann bucht man am besten eine geführte Rundreise, wo man um 13 Uhr zum Wasserfall gebracht wird, um 15 Uhr zum Hotel, um 17 Uhr zum Tempel, wo man Fotos macht und weiter. Wenn man stattdessen mit einer großen Neugier rausgeht, dann treffe ich an dem Tempel vielleicht einen Mönch, der mir ganz viel erklärt. So bekomme ich neue Einsichten. Das ist viel wertvoller als erfüllte Erwartungen.

Manche Reisende möchten sich verwöhnen lassen. Sie haben die erste Zeit oft im Auto geschlafen...

Das mache ich immer noch. Auto und Zelt. Auch bei unserer nächsten Tour in Kanada. Ich zitiere den Gründer des Reiseführers Lonely Planet: „Mit je weniger Geld du reist, desto mehr wirst du erleben.“ Geschichten erlebt man nicht, wenn man im Drei-Sterne-Hotel im klimatisierten Frühstückssaal sitzt, sondern indem man rausgeht und guckt, was passiert.

Sie fliegen mit der Familie?

Wir fliegen nach Kanada im Sommer. Meine Frau, meine drei Kinder und ich – wir werden vier Monate bleiben. Wir haben es geschafft, unsere Tochter von der Schule zu beurlauben. Erst werden wir reisen, dann wird meine Frau arbeiten, ich bin dann zu Hause bei den Kindern.

Werden Sie kritisch beäugt, wenn Sie mit Ihren kleinen Kindern so lange und weit reisen?

Mit Frau und Kindern fährt Stefan Walter heute in den Urlaub.
Mit Frau und Kindern fährt Stefan Walter heute in den Urlaub. © Handout | Ho

Total! Ich glaube, dass es in Deutschland ein großes Sicherheitsbedürfnis gibt, gerade wenn man kleine Kinder hat. Man muss natürlich gucken, wo man hinfährt. Aber wir waren mit den Kindern schon in Florida, in Malaysia. In Deutschland können Kinder auch krank werden, es kann heiß sein, Kinder können auch schreien, weil sie nicht mehr im Auto sitzen wollen. Das sind keine anderen Probleme, nur weil man im Ausland ist.

Fürchten Sie den Stillstand?

Es gibt auch immer wieder Phasen, wo es einfach schön ist, auf der heimischen Terrasse zu sitzen und zu genießen, dass man Freunde hat. Jede Reisebekanntschaft ist interessant, aber es ist einfach keine tiefe Freundschaft. Man kann nicht ständig reisen, das geht nicht.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Sie da leben möchten, wo sich die Gespräche um den Sonnenuntergang drehen – ist das in Krefeld der Fall?

(lacht) Hier redet jeder nur über den Sonnenuntergang! Nein. Dieser Satz steht für etwas: Was mich in Deutschland sehr nervt, ist diese Fixierung auf das Negative. Ich gucke daher keine Fernseh-Nachrichten, was nicht heißt, dass ich nicht politisch informiert wäre, weil man ja alles nachlesen kann. Wir haben jetzt ein reales Problem vor der Haustür, aber vor dem Krieg in der Ukraine haben wir uns oft Sorgen gemacht über Probleme, die meines Erachtens keine Probleme sind. Da werden Dinge in die Medien gezerrt, die uns Angst machen, anstatt über den Sonnenuntergang zu reden.

Der Umweltschaden durch das Reisen ist real – haben Sie da heute eher ein schlechtes Gewissen als früher?

Unvergesslich: Begegnung mit Waranen auf Komodo.
Unvergesslich: Begegnung mit Waranen auf Komodo. © Handout | Ho

Total! Als ich nach Australien aufgebrochen bin, gab es das Wort CO2 nicht. Ich versuche heute, meine Flüge über Atmosfair auszugleichen. Ich finde es in Ordnung, für eine Reise zu fliegen, wenn man länger da bleibt. Hinter einer Reise steckt ja viel: Man bringt Geld in ein Land, das vom Tourismus lebt. Außerdem bildet das Reisen. Die rechtsextremen Strömungen treten vor allem dort auf, wo Leute nie aus ihrem Dorf kommen. Es ist wichtig, in anderen Ländern mit Menschen zu sprechen. Dann stellt man fest, dass alle auf diesem Planeten irgendwie gleich sind: Alle wollen ein gutes Leben haben. Wenn man das begreift, dann fällt einem es schwer, andere Leute auszugrenzen.

Stefan Walter: Freiheit leben – Was ich von der Welt gelernt habe. Naturzeit Verlag, 283 S., 16 €