Essen. Handy am Ohr? Nicht angeschnallt? Zu wenig Abstand? Neue Superblitzer können das alles erkennen. Werden sie auch in NRW eingesetzt?
Große Aufregung in Frankreich: Neue High-Tech-Blitzer sollen dort Gurtmuffel ebenso überführen wie Drängler und Fahrer mit dem Handy am Ohr. Wie funktioniert das System und ist es auch in Deutschland erlaubt?
Was genau können die sogenannten Superblitzer?
Viel mehr, als nur die Geschwindigkeit zu messen. Ob ein Handy am Ohr klebt, kein Gurt angelegt wurde oder zu wenig Abstand zum Vordermann vorhanden ist – den High-Tech-Überwachern entgeht nichts.
Wie arbeiten die Geräte?
Die neuen „Super-Radare“ arbeiten mit einer sogenannten „Monocam“. Diese Kamera nimmt –meist von einer Brücke aus - kontinuierlich Bilder des überwachten Straßenabschnitts auf. Eine künstliche Intelligenz analysiert diese Aufnahmen im Bruchteil von Sekunden. Stellt sie zum Beispiel fest, dass der Fahrer etwas in der Hand hält, was ein Handy sein könnte, speichert sie die Aufnahme und schickt sie zur Kontrolle an einen Beamten weiter. Schließlich besteht ja auch die Möglichkeit, dass die Person hinter dem Steuer nur ein Butterbrot in der Hand hat. Stellt der Beamte fest, dass tatsächlich eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, leitet er den Vorgang an die zuständige Bußgeldstelle weiter.
Wird so ein System bereits eingesetzt?
Ja. In den Niederlanden werden damit schon seit über zwei Jahren Autofahrer überführt, die unterwegs mit Smartphone oder Tablett hantieren. Nach einjähriger Testphase auf der A28 Utrecht – Amersfoort ist das System laut ADAC im Februar 2022 regulär in Betrieb gegangen. Nach Polizeiangaben ist in den Niederlanden jeder dritte Unfall auf die Nutzung eines Smartphones am Steuer zurückzuführen. In Frankreich ist die Situation offenbar ähnlich. Deshalb hat die Regierung jetzt bekannt gegeben, dass sie die Zahl der fest installierten Radarfallen dort zeitnah auf 4160 erhöhen und mehrere Hunderte dieser Blitzer mit der neuen Technik versehen will.
Gibt es Pläne auch in Deutschland?
Als erstes und bisher einziges Bundesland hat Rheinland-Pfalz 2022 den Einsatz von Monocams getestet. Das Pilotprojekt fand in Mainz und Trier statt. Nach Angaben des zuständigen Polizeiinspekteurs konnten dabei insgesamt 1300 Autofahrer mit technischen Geräten in der Hand erfasst werden. Noch 2024 will die Regierung in dem Bundesland ein Gesetz auf den Weg bringen, in dem der Einsatz der „Superblitzer“ geregelt ist. In anderen Bundesländern ist das System offiziell bisher noch kein Thema.
Ist das System in Deutschland überhaupt erlaubt?
Im Rahmen des Pilotprojekts wehrten sich einige der ertappten Fahrer gegen den Bußgeldbescheid, legten Einspruch ein und zogen vor Gericht. Das Amtsgericht Trier bestätigte in drei Fällen die Bußgeldbescheide und damit auch die Bußgelder, stellte gleichzeitig aber fest, dass es für den Monocam-Blitzer noch keine ausreichende Gesetzesgrundlage gibt: Trotz fehlender Rechtsgrundlage erklärte das Amtsgericht die Bilder für verwertbar, weil das Interesse der Allgemeinheit an der Verkehrssicherheit und der Verfolgung von Verstößen größer sei als das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des geblitzten Fahrers. Ob diese Einschätzung Bestand haben wird, ist unklar.
Wo liegt das rechtliche Problem?
„Jede Messung mit Datenerfassung kann gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen oder auch gegen allgemeine Persönlichkeitsrechte“, erklärt der Gelsenkirchener Verkehrsrechtsanwalt Arndt Kempgens. Deshalb habe das Bundesverfassungsgericht 2009 zum Beispiel die ständig laufende Geschwindigkeits-Videoüberwachung mit Gesichtserkennung von Brücken aus gestoppt. Das Gericht hatte gerügt, dass eine solche Überwachung nur bei einer anlassbezogenen Messung erlaubt sei. Das bedeute, dass bereits ein Anfangsverdacht vorliegen müsse, bevor das Gesicht des Fahrers gefilmt oder fotografiert werden dürfe. „Knackpunkt ist also die Frage der Vorauswahl. Wenn der ,Superblitzer‘ technisch in der Lage ist, eine Vorprüfung ohne Persönlichkeitsrechtsverletzung durchzuführen, könnte das auch in Deutschland zulässig sein“, glaubt Kempgens. „Allerdings nur, wenn die Fehlerquote solcher Systeme tatsächlich gering ist.“
Kann ein kurzes Telefonat tatsächlich so gefährlich sein?
„Ja“, sagen Experten. Genau wie „herumfummeln“ am Navi oder Radio. Wer bei Tempo 50 nur fünf Sekunden lang auf sein Handy schaut, ist fast 70 Meter weit im Blindflug unterwegs. Teuer kann es übrigens auch werden. Wer erwischt wird, bekommt ein Bußgeld von 100 Euro und einen Punkt in Flensburg. Bei Gefährdung oder Unfallverursachung, steigt das Bußgeld auf 150 bzw. 200 Euro an.