Essen. Die Zahl der Autodiebstähle in NRW ist erneut deutlich gestiegen. Mit welchen neuen Tricks die Diebe arbeiten und wie man sich schützen kann.

Die böse Überraschung kann einen nach dem Einkaufen ereilen oder früh am Morgen vor dem Weg zur Arbeit. Plötzlich ist das Auto weg. Gestohlen. Spurlos. Denn Diebe von heute schlagen kaum noch Scheiben ein oder brechen Türen auf. Sie arbeiten mit High-Tech. Und das machen sie immer öfter.

Nach einer Auswertung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wurden allein in NRW im vergangenen Jahr 2915 kaskoversicherte Pkw gestohlen und damit rund zwölf Prozent mehr als im Vorjahr. Der wirtschaftliche Schaden stieg auf fast 58 Millionen Euro. Bundesweit haben Autodiebe 2023 insgesamt 14.585 kaskoversicherte Pkw gestohlen (+20 Prozent) und damit einen Schaden von mehr als 310 Millionen Euro verursacht.

NRW-Hochburgen beim Autodiebstahl sind Köln und Düsseldorf. In der Domstadt verschwanden 242 Autos. In Düsseldorf waren es zwar nur 167. Auf 10.000 kaskoversicherte Autos kamen in der Landeshauptstadt aber sieben Diebstähle. Landesweit waren es nur drei. Im Ruhrgebiet schlugen die Diebe letztes Jahr besonders oft in Dortmund zu. Dort wurden laut GDV 126 Autos gestohlen. Es folgen Essen (116) Duisburg (83) und Bochum (70).

SUVs der Oberklasse sind bei Dieben besonders beliebt

Bei den Kriminellen hoch im Kurs standen insbesondere Modelle von Toyota. Auf der Liste der zehn am häufigsten gestohlenen Modellreihen ist der japanische Hersteller mit fünf Modellen vertreten, gleich drei liegen an der Spitze: Ein Modell des Toyota Land Cruisers und Varianten des Lexus NX und Lexus UX. Auffallend oft sind in der Spitzengruppe auch andere SUVs der Oberklasse und der oberen Mittelklasse zu finden, darunter zwei Modelle von Range Rover und ein Jeep Grand Cherokee.

„Keyless Go“-System sind sehr bequem, bieten Dieben aber eine ganz neue Chance.
„Keyless Go“-System sind sehr bequem, bieten Dieben aber eine ganz neue Chance. © Ireen Wille | Ireen Wille

Eigentlich sind das Autos, die besonders gut gegen Diebstahl gesichert sein müssten. Aber laut einer Untersuchung des ADAC sind sie das in vielen Fällen leider nicht. Problem ist das in der Oberklasse weit verbreitete Keyless-Go-System. Was landläufig mit „Fahren ohne Schlüssel“ übersetzt wird, ist natürlich etwas komplizierter. Ein Keyless-Go-Autoschlüssel hat in der Regel keinen Bart mehr, sondern ist mit einem Chip ausgestattet, der – anders als der klassische Funkschlüssel – nicht nur auf Knopfdruck, sondern permanent sein eigenes, verschlüsseltes Funksignal sendet.

ADAC warnt: Viele Keyless Go-Systeme sind nicht sicher

Im Auto ist ein Empfänger eingebaut. Sobald das Signal stark genug ist, nimmt dieser Empfänger an, dass sich der Schlüssel in der Nähe befindet, der Wagen wird automatisch entriegelt. „Die meisten Autos mit Keyless-Komfort-Schließsystem sind deutlich leichter zu stehlen als Fahrzeuge mit normalem Funkschlüssel“, wird der ADAC nicht müde, zu warnen.

Wie die Diebe in der Vergangenheit gearbeitet haben, ist aus vielen Überwachungsvideos bekannt. Da sieht man überwiegend kapuzenbewehrte Männer um Häuser schleichen oder vor der Haustür stehen und mit speziellen Geräten hantieren. Dabei handelt es sich um Funkwellenverlängerer. Der sogenannte Key-Scanner (Schlüsselscanner) versucht durch die Hauswände hindurch das Dauersignal des Schlüssels zu empfangen, zu verstärken und an den Car-Scanner (Autoscanner) weiterzuleiten, der zuvor in unmittelbarer Nähe des Autos platziert worden ist.

Früher funktionierte das nur über ein paar Meter, mittlerweile ist auf einschlägigen Foren die Rede davon, dass die Signale über mehrere Hundert Meter gesendet werden können. „Das Gefährliche ist: Der Schlüssel muss nicht einmal mehr geklaut werden. Er kann auch ganz unscheinbar auf dem Schlüsselbrett liegen bleiben, und mein Auto ist trotzdem weg“, beschreibt ein Sprecher der Allianz-Versicherung die Arbeitserleichterung von Dieben und Diebinnen.

Einmal gestartet laufen moderne Autos bis ihnen das Benzin ausgeht.
Einmal gestartet laufen moderne Autos bis ihnen das Benzin ausgeht. © Getty Images/iStockphoto | Maria Argutinskaya

Ermittler raten deshalb zur Vorbeugung. „Den Funkschlüssel nicht in der Nähe der Haustür oder von Fenstern liegen lassen“, warnen Polizeisprecher aus dem Revier. Dort könne das Signal relativ einfach abgefangen werden. Im Internet und im Zubehörhandel gibt es zudem spezielle Aufbewahrungsboxen für den Schlüssel. Von der Schlüsselablage in Teedosen, Kühlschränken oder mit Alufolie umwickelte Schachteln wird dagegen abgeraten. Diese Orte seien oft nicht „funkdicht“. Das alles nutzt ohnehin nichts, wenn der Keyless-Go Schlüssel während eines Restaurantbesuches oder beim Einkaufen direkt aus der Hosentasche des Auto-Eigentümers ausgelesen wird.

Nur wenige Hersteller nutzen neue Technik

Besonders schlecht: Läuft der Motor einmal, bleibt er auch ohne Schlüssel so lange in Betrieb, wie Sprit im Tank ist. „Wenn Sie sehen, wie ein Auto mit laufendem Motor nachbetankt wird, benachrichtigen Sie ruhig die Polizei“, haben Polizeisprecher früher oft geraten. Manche Profi-Diebe haben mittlerweile aber aufgerüstet und können über die Schnittstelle des On-Board-Diagnosesystems innerhalb von Minuten einen neuen Schlüssel „anlernen“. Rohlinge und technische Gerätschaften dafür sind frei verkäuflich und für wenig Geld im Internet erhält.

Der ADAC fordert die Autohersteller deshalb schon seit Jahren auf, ihre Fahrzeuge besser gegen Diebstahl zu sichern. Technisch ist das offenbar kein Problem mehr. Am besten, haben die Techniker des Clubs festgestellt, geht das, wenn in die Schlüssel Computer-Chips mit Ultra Wide Band Technik (UWB) eingebaut sind, wie es etwa bei einigen Jaguar und Land Rover-Modellen der Fall ist. Sie messen die Zeit, die das Signal vom Original-Schlüssel zum Auto benötigt. Bei kurzer Dauer entriegelt sich das Auto. Vergeht zu viel Zeit, bleibt das Fahrzeug verschlossen.

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