Oberhausen. In NRW sind viele Städte durch Altschulden belastet. Der Kämmerer von Oberhausen erklärt, für welche Projekte deshalb das Geld fehlt.
- Die Stadt Oberhausen hat knapp zwei Milliarden Euro Schulden.
- Schulden und steigende Zinsen schränken Investitionen der Stadt Oberhausen ein.
- Kämmerer Apostolos Tsalastras spricht von einem „Teufelskreis“.
Seit Jahrzehnten fiebern hochverschuldete Städte wie zum Beispiel Oberhausen auf eine Altschuldenlösung hin, die sie von enormen Kassenkrediten und Zinsen erlöst. Unsere Redaktion hat mit zwei Kämmerern aus dem Ruhrgebiet gesprochen. Sie zeigen konkret auf, was den Bürgerinnen und Bürgern in ihrer Stadt entgeht, weil die Schuldlast es nicht zulässt. Hier berichtet der Kämmerer von Oberhausen, Apostolos Tsalastras (SPD), offen über notwendige und wünschenswerte Veränderungen, für die schlichtweg das Geld fehlt.
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Wie stark ist die Stadt Oberhausen derzeit verschuldet?
Wir haben 1,54 Milliarden Euro Liquiditätskredite und noch Investitionskredite um die 440 Millionen. Wir sind jetzt bei fast 2 Milliarden Gesamtverschuldung. Für das Jahr 2024 rechnen wir mit einer Zinsbelastung von über 40 Millionen. Das ist schon eine ziemlich große Summe.
Im letzten Jahr hatten wir noch eine geringere Belastung von 22 Millionen. Warum? Nicht weil wir uns mehr verschuldet haben, sondern weil die Zinsen gestiegen sind. Und in den Folgejahren machen wir Anstiege auch in 10-Millionen-Sprüngen, bis wir im Jahr 2028 bei circa 60 Millionen Euro sind. Wenn alles so weitergeht, dann erwürgen uns die Zinsen im Prinzip, deswegen ist die Altschuldenlösung so wichtig.
Welche Projekte können Sie wegen der Altschulden nicht umsetzen?
Es gibt keine Projektliste auf Halde, wo wir sagen: Sollten wir Geld haben, dann könnten wir das alles machen. Aber es gibt natürlich Notwendigkeiten, die sich gerade nicht umsetzen lassen. Wenn, dann kürzen wir ganze Großumsätze. Ein Beispiel: Im Straßenbau werden nicht drei Straßen gestrichen, sondern der Bereich, der dafür zuständig ist, bekommt weniger Mittel. Sie entscheiden dann, welche Projekte sie umsetzen wollen. Das ist das Dilemma von Kommunen: Da wird schon bei der Haushaltsaufstellung darauf geachtet, dass das Ganze halbwegs im Lot bleibt.
Gibt es dennoch konkrete Vorhaben, die Sie ohne die Zinsbelastung gerne angehen würden?
Wir haben dringenden Sanierungsbedarf im Theater. Das versuchen wir sukzessive zu lösen, machen aber immer nur das Wichtigste. Eigentlich müssten wir einen hohen zweistelligen Millionenbetrag investieren, um die Erfordernisse umzusetzen. Wie viel genau, kommt immer darauf an, was wir machen: Wenn ich nur das nehme, damit das Theater nicht zumacht, dann brauch ich 10 Millionen.
Wenn ich aber hingehe und sage, man könnte die ganzen notwendigen Sanierungsarbeiten von Wasser, Heizen, Strom, elementare Dinge bis hin zur Herstellung der Barrierefreiheit, Eingangsbereiche neugestalten und das ganze mal so gestalten, dass die Arbeitsplätze für die Mitarbeiter im Theater vernünftig sind. Wenn wir das alles machen würden, dann wäre wir schnell bei 40 Millionen Euro.
Was bleibt derzeit noch auf der Strecke?
Es gibt sowohl eine Sporthalle in Alstaden als auch eine in Osterfeld, die gemacht werden müssten. Auch gibt es Pläne, wie das aussehen soll. Aber wir kriegen aktuell keine Fördermittel bewilligt. Wenn es diese Mittel nicht gibt, dann packen wir es nicht an. Das ist auch eine Folge der Altschulden, weil wir uns nicht weiter verschulden können und wollen. Die Hallen sind zwar nicht baureif, Sport macht in so einer Halle trotzdem nicht wirklich Spaß. Wir würden auch gerne unser Museum erweitern. Die Notwendigkeit ist da, aber es ist eine klassisch freiwillige Aufgabe. Ein Neubau würde ungefähr 20 Millionen Euro kosten.
Ausnahmen gibt es dort, wo es unbedingt sein muss. Zum Beispiel bei den Schulen: Wir müssen dringend welche bauen und erweitern, weil wir sonst die Schülerinnen und Schüler nicht vernünftig beschulen können. Wir verschulden uns da neu, weil wir es anders nicht finanzieren können. Die Folge ist zwar eine höhere Verschuldung, aber ich kann die Schüler ja nicht auf dem Hof oder im Park unterrichten. Das ist natürlich ein Teufelskreis: Wenn wir ständig neue Schulden machen müssen, müssen wir immer noch mehr Zinsen zahlen.
Wie wirken sich die Altschulden auf das Personal der Stadt Oberhausen aus?
Wir sparen beispielsweise beim Theater im Rahmen der Haushaltssicherung 600.000 Euro. Dieser Betrag entspricht ungefähr acht bis zehn Stellen. Das macht sich bei 120 Leuten im Theater bemerkbar, da sitzt keiner rum, der nichts zu tun hat. Das heißt: Wenn ich Personal abbaue, dann führt es zu einer geringeren Leistungsfähigkeit. Das gleiche gilt für die Stadtverwaltung. Wenn sie einen Antrag stellen auf Einbürgerung und das dauert sehr lange, dann liegt das daran, dass viele Stellen nicht besetzt sind. Egal was wir tun, entweder werden Projekte nicht umgesetzt oder das Dienstleistungsangebot reduziert, es gibt längere Wartezeiten oder die Steuern steigen. Am Ende geht es immer zulasten der Bürgerinnen und Bürger.
Wie sollen ihrer Meinung nach Bund und Land mit der Altschuldenfrage umgehen?
Eigentlich stellen wir uns das so vor, dass Bund und Land die Liquiditätskredite am besten vollständig oder zu einem großen Teil übernehmen. Nicht, um uns einen Gefallen zu tun, sondern um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Landesteilen herzustellen. Das bekommen sie als Kommune gar nicht allein aufgefangen, das dauert Generationen. Auch Beispiele für den Strukturwandel aus den USA oder Nordengland zeigen: man kann so einen Strukturwandel nicht aus eigener Kraft schaffen, dort sind die Kommunen noch viel ärmer dran. Wenn es gut läuft, haben wir vielleicht jährlich zehn bis 20 Millionen Euro Plus im Haushalt. Bei 1,6 Milliarden Euro Schulden dauert die Entschuldung Jahrhunderte.
Hoffen Sie noch auf eine Altschuldenlösung?
Ich habe den Glauben an den gesunden Menschenverstand nicht verloren. Am Ende des Weges ist es für alle Beteiligten viel teurer, ganze Regionen mit der großen Verschuldung im Stich zu lassen. Die schleichenden Entwicklungen des Strukturwandels, Verlust von Arbeitsplätzen und Industriestruktur, erzeugen keinen ausreichenden Druck auf Bund und Land, um gegenzusteuern. Das geht unter und es entsteht ein schleichender Prozess, der nun schon Jahrzehnte andauert und dringend gelöst werden muss.