Düsseldorf. Düsseldorf erlässt einen Verhaltenskodex für Feiernde. Warum die besser keine Fotos machen. Und welche Witze sie erzählen dürfen.

Keine Gewalt ist klar, kein Glas auch und nicht zu viel Alkohol. Aber bitte auch keine schlechten Witze, und am besten keine Fotos! Regeln haben sich und den Fans alle EM-Standorte in NRW gegeben, Düsseldorf aber nimmt es besonders genau: Die Stadt hat zur Europameisterschaft einen Verhaltenskodex aufgelegt, englisch „Code of Conduct“. Es geht darin nicht nur um das Befolgen von Gesetzen, Erlässen und Anordnungen, sondern um gutes Benehmen – jedenfalls wie Düsseldorf es versteht.

Sich selbst versteht die Landeshauptstadt, so steht es im allerersten Satz von drei Seiten, als „weltoffene und diverse Stadt“. Vielfalt und gemeinsame Verantwortung seien wichtige Werte, die auch auf Fußball-Veranstaltungen gälten. Unter dem stadteigenen Motto „Everbody‘s Heimspiel“ (Jedermanns Heimspiel) sollten alle Fans das Turnier genießen können, unabhängig von „Aussehen, Geschlecht, Religion, Sexueller Identität, Weltanschauung“, um nur einige zu nennen.

Düsseldorf ist bereit: Für die Fanzones, hier auf dem Burgplatz, gibt es einen eigenen Verhaltenskodex.
Düsseldorf ist bereit: Für die Fanzones, hier auf dem Burgplatz, gibt es einen eigenen Verhaltenskodex. © IMAGO/Nico Herbertz | IMAGO/Herbertz / Nico Herbertz

Afroperücken und „kultureller Schmuck“ bleiben besser zu Hause

Daraus ergeben sich zehn Benimmregeln für Fans, Verzicht auf Gewalt und Alkohol sind nur zwei davon. Nummer 2: „Bitte bedenke, dass auch Sprüche, Witze oder Lieder über Personengruppen diskriminierend und damit verletzend für manche Menschen sein können. Bitte verzichte auf solche Aussagen. Es gibt großartige Sprüche, Witze und Lieder, über die alle gemeinsam lachen können.“

Um Diskriminierung und Diversität geht es auch in diesen Punkten: „Es gibt Menschen, denen du ihr Geschlecht nicht ansiehst. Wenn eine Person ein für dich unerwartetes Geschlecht angibt, verwende bitte dieses Geschlecht (sie/er/they etc.) oder ihren Namen, wenn du mit ihr oder über sie sprichst.“ Oder: „Sei sensibel bezüglich kultureller Aneignung, wenn du Elemente einer anderen Kultur übernimmst, die in Deutschland Vorurteilen und Diskriminierung ausgesetzt ist (z.B. traditionelle Kleidung, Afroperücken, kultureller Schmuck und Symbole etc.).“

Noch stärker als „Nein heißt Nein“: „Nur Ja heißt Ja!“

Die nicht nur im Karneval erprobte Ansage „Nein heißt Nein“ bezüglich sexueller Belästigung hat Düsseldorf in seinem „Code of Conduct“ noch verschärft: „Nur Ja heißt Ja!“ Der Fan möge sich bitte versichern, „dass die Person, mit der du sprichst, an der du Interesse hast oder mit der du in irgendeiner Weise in Kontakt treten möchtest, auch Lust darauf hat“. Tipp aus der Landeshauptstadt: Das gehe am besten, indem man die Person fragt. Die könne übrigens auch mit Körpersprache Nein sagen.

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Oder sich an das „Awareness“-Team wenden. Die „Kümmerer“ sollen Betroffene „bei Vorfällen“ unterstützen, in den Fan-Bereichen sind sie an ihren weißen Westen zu erkennen. Das Code-Wort für unauffällige Hilferufe ist in Düsseldorf „Luisa ist hier“. Für Menschen, die einen Rückzugsort brauchen, ist ein sogenannter „Safer Space“ eingerichtet: Die Pförtnerloge des Rathauses, auf einer Karte gekennzeichnet mit einem Herzchen, ist an allen Spieltagen bis Mitternacht, an dreien noch eine Stunde länger geöffnet.

Ist das schon kulturelle Aneignung? Deutschland-Fans mit schwarz-rot-goldenen Perücken im Afro-Stil.
Ist das schon kulturelle Aneignung? Deutschland-Fans mit schwarz-rot-goldenen Perücken im Afro-Stil. © picture alliance / Pressebildagentur ULMER | Michael Kienzler

Als „weltfremd“ empfindet nicht nur die vor Ort erscheinende „Rheinische Post“ eine Fotoregel des Verhaltenskodex‘. Demnach sollte niemand Fotos machen von Menschen, die ihre Erlaubnis dazu nicht gegeben kann. Das ginge bei Großveranstaltungen sogar über das gesetzlich festgelegte „Recht am eigenen Bild“ hinaus. Besonders beim Hochladen von Bildern ins Internet, mahnt Düsseldorf, müsse man vorsichtig sein. „Achte dann darauf, andere Personen unkenntlich zu machen.“ Die RP stellt sich das für die Altstadt, wo es am Burgplatz ein Public Viewing gibt, einmal vor: „Legt man den Umgang mit Junggesellenabschieden und rheinischer Distanzlosigkeit als Maßstab an, wirkt der Verhaltenskodex wie aus einer anderen Welt.“

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Es gibt ihn in dieser Form tatsächlich nur in Düsseldorf. Die schriftliche Version soll während des Turniers in der UEFA-App, via Social Media und über die Leinwände in den drei Fan-Zonen verbreitet werden. Die Stadt selbst sagt auf Anfrage, ein solcher Kodex sei „bei Großveranstaltungen dieser Art inzwischen üblich“. Köln oder Gelsenkirchen allerdings verzichten auf Benimmregeln via Bildschirm. Dortmund hat zwar seit Jahren ein „Awareness-Konzept“ und während der EM einen sicheren Rückzugsort („Safer Room“), gibt den Fans aber ebenfalls keine Verhaltensregeln schriftlich.

Hilferuf für Fans in Dortmund und Gelsenkirchen: „Wo ist Panama?“

Wobei es auch in Westfalen in der Not persönliche Ansprechpartner gibt. Die „Dortmund-Guides“ verstehen auch einen verklausulierten Hilferuf, den auch in Gelsenkirchen Sanitäter, Reinigungskräfte, Mitarbeiterinnen der Fanzonen kennen. Allerdings heißt er hier anders und hat mit Europa rein gar nichts zu tun: „Wo ist Panama?“

Public Viewing zur WM: So feierten die Fans am Düsseldorfer Rheinufer bei früheren Turnieren.
Public Viewing zur WM: So feierten die Fans am Düsseldorfer Rheinufer bei früheren Turnieren. © Uwe Schaffmeister | Uwe Schaffmeister / WAZ Fotopool