Essen. Im Ukraine-Krieg verbreiten sich Infektionen wie HIV. Warum das ein Problem in Deutschland werden könnte und wie die Uniklinik Essen hilft.

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Der Angriffskrieg auf die Ukraine trifft auch die Gesundheit der Bevölkerung hart: Menschen suchen dicht aneinandergedrängt Schutz, die Hygienestandards sind in zerstörten Städten prekär und eine gesunde Ernährung ist nur schwer möglich, wenn ein Krieg tobt. Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und HIV verbreiten sich dadurch. Doch diese Krankheiten würden im Kriegsgeschehen schnell untergehen, sagt Prof. Ulf Dittmer, Direktor der Virologie an der Uniklinik Essen. „Die Wunde sieht man, die Viren oder Bakterien nicht. Das kann tödlich enden.“

Daher sollen Infektionen in der Ukraine besser erkannt werden. Die Essener Institute für Virologie und Mikrobiologie unterstützen dazu die ukrainische Poltava State Medical University (PSMU) beim Aufbau einer Einrichtung, um Infektionskrankheiten zu erkennen und zu behandeln. Dazu werden ukrainische Ärztinnen und Ärzte sowie Labormitarbeitende in Workshops an der Essener Universitätsklinik geschult.

Infektionskrankheiten aus Ukraine-Krieg betreffen auch Deutschland

Auch in Deutschland können Infektionskranken, die im Ukraine-Krieg ausbrechen, zum Problem werden. Mehr als eine Million Geflüchtete sind inzwischen hierher gekommen. „Sie bringen Infektionen mit, die wir in diesem Ausmaß lange nicht gesehen haben“, so der Virologe. Auch sogenannte multiresistente Erreger, also Bakterien die gegen Antibiotika unempfindlich sind, treten vermehrt bei Kriegsverletzungen auf, ergänzt die Mikrobiologin Dr. Evelyn Heintschel von Heinegg. Daher sei es wichtig, Krankheiten und Resistenzen von Erregern bereits vor Ort erkennen und gezielt behandeln zu können.

Um das voranzubringen werden die ukrainischen Mediziner zurzeit für drei Wochen an der Essener Uniklinik geschult. „Wir trainieren die Kollegen an ausgewählten Geräten, die nach Poltava geliefert werden und einfach zu bedienen sind, damit sie dort schnell eingesetzt werden können“, erklärt Dittmer. Unter anderem lernen sie, Antikörper gegen Viren nachzuweisen und Bakterien sowie Antibiotikaresistenzen zu identifizieren. Darüber hinaus hat die Essener Uniklinik die Technik und die nötige Laborausstattung für die PSMU angeschafft.

Im Krieg gehen Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und HIV schnell unter, sagt Virologe Dr. Ulf Dittmer.
Im Krieg gehen Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und HIV schnell unter, sagt Virologe Dr. Ulf Dittmer. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Zusammenarbeit mit Essener Uniklinik ist große Hilfe

Die Zusammenarbeit mit der Essener Uniklinik sei für die ukrainische Universität eine einzigartige Möglichkeit, Ärzte und Studierende während des Krieges fortzubilden und die nötige Ausstattung zu bekommen, sagt Prof. Tetiana Koval, Leiterin des Lehrstuhls fürs Infektionskrankheiten an der Partneruniversität. „Durch den Krieg sind die Mittel für die Gesundheitsversorgung in der Ukraine begrenzt“, berichtet sie. Die Kooperation mit Essen sei daher eine große Hilfe für die Krankenhäuser und die Region.

Die Poltava-Region sei aktuell relativ sicher, so Koval. Die Stadt liege nicht im Kriegsgebiet. Daher könnten die medizinischen Einrichtungen der Universität weiterhin normal genutzt werden. Auch die Stromversorgung ist derzeit stabil. Herausfordernd sei jedoch die zunehmende Zahl an Patientinnen und Patienten. Verletzte Soldaten, die an der Front gekämpft haben und Geflüchtete würden nach Poltava gebracht, um dort medizinisch versorgt zu werden. Viele von ihnen hätten eine Infektionserkrankung wie Tuberkulose oder HIV.

Gemeinsame Forschungsprojekte in Planung

Obwohl das Projekt und die Schulungen gerade erst begonnen haben, gibt es bereits erste Erfolge. „Wir konnten schon viel dazu lernen, was die Patientenversorgung in der Ukraine verbessert“, sagt Koval. In ein paar Wochen wolle sich das Team der Essener Virologie und Mikrobiologie vor Ort einen Eindruck von der Lage verschaffen. Insgesamt läuft das Projekt für ein Jahr.

Poltava sei aber nur ein Standort von vielen in der Ukraine, der im Krieg medizinische Unterstützung braucht, so Projekt-Koordinatorin Ursula Schrammel. Ist die Zusammenarbeit erfolgreich, könnte sie zum Vorzeigeprojekt für andere Initiativen werden. In Zukunft wolle die Universitätsmedizin Essen an gemeinsamen Forschungsprojekten mit der Poltava State Medical University arbeiten, wie etwa zur Auswirkung von kriegsbedingten Stresssituationen auf Herpesinfektionen.

Das Projekt wird mit 914.000 Euro von der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GiZ) unterstützt. Es ist Teil des entwicklungspolitischen Sofortprogramms für die Ukraine des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).