Ruhrgebiet. Der Titel „Ausgezeichnete Lehrkraft“ geht in diesem Jahr drei Mal nach NRW. Hier erzählt einer der Geehrten, was einen guten Lehrer ausmacht.
Lehrer Töns kommt grad aus der sechsten Stunde und der achten Klasse. Käthe-Kollwitz-Gymnasium Dortmund, Französische Revolution für 14-Jährige. Ganz, ganz alter Kram. Aber Benedikt Töns hat den Kindern auch von Olympe de Gouges erzählt, einer damaligen und damit extrem frühen Frauenrechtlerin („Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen, also muss sie auch das Recht haben, die Rednertribüne zu besteigen“). Das Zitat ist zu schön, das musste einfach mal wieder aufgeschrieben werden.
Frauenrechte jedenfalls: Und schon landet eine Revolution von 1789 im Jahr 2022, in der greifbaren Nähe der Schüler und Schülerinnen. „Jeder Stoff muss Bezug zur Gegenwart und zur Zukunft haben, damit er für die Schüler interessant ist“, sagt Töns. Der 37-Jährige unterrichtet am Käthe-Kollwitz-Gymnasium in der Dortmunder Innenstadt und darf sich von heute an „Ausgezeichnete Lehrkraft“ nennen: eine von nur zehn in Deutschland in diesem Jahr, von dreien in NRW. Dortmund, Essen, Solingen. Beste Lehrer. Eins plus.
„Das muss mein Ex-Geschichte-Leistungskurs gewesen sein“
Töns hat nicht geahnt, dass er vorgeschlagen würde. Die Ehrung kam unscheinbarst, mit einer weitergeleiteter Mail; am heutigen Vormittag wird sie in einem Video-Akt verliehen. Inzwischen weiß er: "Das muss mein Ex-Geschichte-Leistungskurs gewesen sein." Nur mit dem war er auf einem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs - und hatte einen Ex-Bundeswehroffizier als Führer hinzuorganisiert, wie die Jugendlichen loben.
Auch ein anderes Zitat aus der Laudatio passt: „Er hat seinen Erziehungsurlaub für sein erstes Kind für uns verschoben, damit er uns durch das aufgrund von Corona immer weiter nach hinten verschobene Abitur bis zum Abschluss begleiten konnte.“ Dem kleinen Henry Töns (2) hat es nicht erkennbar geschadet, und auch aus anderen Gründen war der Schritt richtig: „Ich hätte ja dann die Elternzeit im Lockdown verbracht.“
„Der Unterricht war wie in einem Lunapark - es wurde nie langweilig“
Zur „Ausgezeichneten Lehrkraft“ wird man von Schülern und Schülerinnen vorgeschlagen, aus naheliegenden Gründen nach ihrer Schulzeit. Den Titel verleihen der „Deutsche Philologenverband“ und die „Heraeus-Bildungsstiftung“ (Motto: „Persönlichkeit macht Schule“) jährlich nach einer offenbar total unauffälligen Überprüfung. Die Auszeichnung soll „positive Leistungen von Lehrkräften würdigen und in den Vordergrund der öffentlichen Wahrnehmung rücken“. Hat geklappt, wie man sieht.
Ausgezeichnet ist nun auch Tobias Kammer von der Unesco-Schule in Essen. „Er hat seine Berufung im Lehrerberuf gefunden“, sagen seine Ehemaligen, oder: „Für ihn sind seine Schüler nicht nur eine Liste von Noten, sie sind einzigartige Menschen.“ Und ebenso Betty Schmidt, die an der Friedrich-Albert-Lange-Schule in Solingen Deutsch und Biologie unterrichtet. „Für viele war Deutsch nicht mehr das Angstfach,“ schreiben sie. Oder: „Der Unterricht bei ihr war wie in einem Lunapark - es wurde nie langweilig.“
Ein Klassenraum mit Lese-Ecke und einem Sofa
Erstes Gebot für Lehrer übrigens: Du sollst nicht langweilen. Benedikt Töns in Dortmund sieht das genauso. „Ein guter Lehrer muss Begeisterung für sein Fach mitbringen, das ist fast das Wichtigste.“ Neben Geschichte unterrichtet er noch katholische Religion und Deutsch - und hat eine Lese-Ecke mit Sofa und eigenen Büchern in seinem Klassenraum, nicht für Pflichtlektüre, sondern bei Lust auf Lesen.
Wichtig ist dem gebürtigen Münsteraner auch noch dies: die Kunst der Demokratie. Seine Schüler und Schülerinnen müssen sich in der Klasse Debatten stellen („Jeder muss 24 Minuten in einer Debatte bestehen, das ist viel“). Er macht Schüler zu Medienscouts, die anderen Schüler erklären, was Fake News sind oder was man vielleicht besser nicht ins Netz stellt.
An der Schule entstehen gerade Klassenräte und Stufenräte
Und er ist an dem Projekt beteiligt, Klassenräte und Stufenräte einzuführen: „Institutionalisierte Teilnahme statt nur anlassbezogener.“ Das Preisgeld, 500 Euro, soll in diese Demokratie-Erziehung am Käthe-Kollwitz-Gymnasium fließen: „Der Preis steht für das ganze Kollegium. Es ist Teamwork, ohne Schüler und Eltern und Kollegen funktioniert gar nichts.“ Er selbst sei nun „unglaublich motiviert, meine Arbeit weiter zu verbessern“.
Und um das abzuschließen: Olympe de Gouges hatte diese Chance dann nicht. Sie endete im Terrorjahr 1793 nicht ganz unerwartet auf dem Schafott. Dass sie sich als Frau in die Politik eingemischt hatte, galt damals als Untat. Ganz alter Kram.