Dortmund. Damit die Impfzentren bald einsatzbereit sind, wählen Dortmund und Co. nun die Standorte aus. Eine Herausforderung sind auch die mobilen Teams.

Wie soll man ein Impfzentrum einrichten, wenn noch nicht einmal klar ist, ob der Impfstoff ein- oder zweimal gegeben werden muss. Man müsste ja im zweiten Fall für die doppelte Anzahl Impfungen planen. Aber mit solchen Fragen schlagen sich derzeit die Verantwortlichen in jeder Großstadt, in jedem Kreis herum.

Und wann sollen die Impfzentren stehen? Bis zum Mittwoch gingen alle Städte davon aus, dass es spätestens Weihnachten losgeht. Am Donnerstag sorgt eine „Skizze zur Impforganisation in Nordrhein-Westfalen“ aus dem Gesundheitsministerium für Unsicherheit, in der es heißt, dass Massenimpfungen erst ab Mitte 2021 zu erwarten seien. Zuvor, ab Mitte Dezember, könnten zunächst vulnerable Personengruppen und medizinisches Personal in Krankenhäusern sowie Pflegekräfte in Heimen geimpft werden. Ab März kämen Beschäftigte der kritischen Infrastruktur hinzu, sowie ambulantes medizinisches Personal und ambulante Pflegekräfte.


Das spricht nicht gegen die sofortige Einrichtung von Impfzentren, aber sie werden nicht vor dem Frühjahr ausgelastet sein. „Die vulnerablen Personen sind zum großen Teil nicht in der Lage, ein Testzentrum aufzusuchen“, sagte Dortmunds Krisenstabschef Matthias Gahlen schon, bevor die „Bild“-Zeitung am Donnerstag über das Ministeriumspapier berichtete. Es war den Städten durchaus klar, dass man sie daheim und im Heim wird impfen müssen.
Die Hausarztverbände sind hier eingebunden
, doch keine Stadt wird um mobile Impfteams herumkommen.

Wie einen Paketdienst aufzubauen



„Das ist mit besonderen Problemen verbunden“, erklärt der Krisenstabs- und Feuerwehrchef. „Die Menschen müssen ihr Einverständnis erklären.“ Dann die Dokumentation, einige werden neue Impfbücher benötigen, werden Fragen haben. „Und allein die Fahrtzeiten.“ Essen zum Beispiel will mehr als ein Dutzend Busse einsetzen, deren Fahrtstrecken möglichst effizient geplant werden müssen. Jede Kommune muss in kürzester Zeit eine Logistik aufziehen, die ähnlich komplex ist wie ein Paketdienst.

Immerhin will das Land ein städteübergreifendes Terminmanagement aufbauen, so dass Dortmunder oder Essener beispielsweise nach Bochum oder Mülheim ausweichen können, um Wartezeiten zu optimieren. Klar scheint auch, in Dortmund zumindest, dass das medizinische Krankenhauspersonal am Arbeitsplatz geimpft werden soll. Aber gilt das dann auch für stationäre Patienten? Eine weitere offene Frage.

Das NRW-Gesundheitsministerium geht jedenfalls davon aus, dass alleine in der ersten Welle rund 900.000 Menschen geimpft würden, darunter rund 150.000 Mitarbeiter in Krankenhäusern. Vulnerable Gruppen sollen vor allem vor Ort in den Heimen oder ihren Wohnungen geimpft werden. Erst ab März, wenn weitere Berufsgruppen aus dem Gesundheitssektor dazukommen, wird in den Impfzentren, die gerade geplant werden, ein größerer Ansturm erwartet.

Die Westfalenhallen erfüllen die Kriterien



Die Städte mieten dennoch schon in diesen Tagen Immobilien an. Voraussichtlich in der kommenden Woche will Dortmund den Standort festlegen. Natürlich sind die Westfalenhallen im Gespräch, aber Gahlen kann derzeit nur von Kriterien sprechen: „Es müssen größere Hallen sein, sie müssen eine gute Verkehrsanbindung und Parkplätze haben.“
Essen hat sich schon für die Messe entschieden
, in
Bochum ist der Ruhrcongress
der vielversprechendste Kandidat.

Wer sich fragt, warum das nicht längst passiert ist: Die Kriterien wandeln sich durchaus noch. Eine zentrale Frage dabei lautet: Welcher Impfstoff steht zuerst zur Verfügung? Bislang ging der Krisenstab davon aus, erläutert dessen Leiter Matthias Gahlen, „dass der erste Impfstoff ein komplizierter sein wird“: zu transportieren bei minus siebzig Grad oder kälter, aufzubereiten in Reinräumen von Apotheken – „und dann hat man nur eine Stunde, ihn zu spritzen“, sonst verdirbt er. Nur scheint diese Info vom Montag am Dienstag schon wieder überholt. Nun heiße es, dass das Mittel „nach der Aufarbeitung sechs Stunden lang verimpft werden kann“.

Für die „Impfrastruktur“ sind die Städte und Kreise zuständig



Das aber hat Auswirkungen auf die Standortsuche. Ein Reinraum in unmittelbarer Nachbarschaft ist nicht mehr zwingend – in jedem Fall fragt das NRW-Gesundheitsministerium die entsprechenden Kapazitäten der Apotheken und Krankenhäuser derzeit ab. Und auch soviel scheint klar: Der Bund kauft, die Länder verteilen, die Städte und Kreise sorgen für die „Impfrastruktur“ und die kassenärztlichen Vereinigungen übernehmen den medizinischen Teil.

„Wie viele Menschen wollen wir maximal pro Tag impfen können?“ Das ist die zweite zentrale Frage. „In der Startphase – mit nur einem Impfstoff (Biontech) und einer höheren Anzahl der aufsuchenden Impfungen – müssen etwa 10 000 Impfungen/Monat/100 000 Einwohner in der Impfstelle ermöglicht werden“, heißt es in der Skizze. Der Stadt Dortmund seien etwa zwei- bis dreitausend Dosen pro Tag avisiert worden für den Anfang, erklärte Krisenstabschef Gahlen auf einer Pressekonferenz am Dienstag. Diese Menge will man auch verarbeiten können. Daraus folgt, wie viel Fläche und Infrastruktur benötigt wird, wie viele „Impfstraßen“ es geben soll, also parallel arbeitende Teams; man kennt es schon von den Testzentren.



Wir haben den Impfstoff, das Problem ist gelöst? Dieser Botschaft aus der Politik „muss ich widersprechen“, sagt Frank Renken, der Leiter des Dortmunder Gesundheitsamtes. Wann die Menschen immunisiert sein werden und wie alte Menschen auf den Impfstoff reagieren, sei ungeklärt, wie so viele weitere Fragen. „Ich sehe da noch eine ganz lange Zeit vor uns.“ Die Nachverfolgung, die ja parallel zum Aufbau der Impf-Infrastruktur weiterläuft, klappe nun wieder. Doch Dortmund sucht und schult weiter Personal, „das dann in der Lage ist, mit sehr hohen Inzidenzen zurechtzukommen.“ Denn mit wieder steigenden Zahlen rechnet Renken: „Der Winter liegt noch vor uns.“ (mit dpa)


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