An Rhein und Ruhr. Nahverkehr in der Krise: Jeder sechste Firmenticket-Nutzer hat gekündigt, weil Mitarbeiter seltener mit Bahn und Bus pendeln. Was der VRR plant.
Mit einem neuen Ticketangebot will der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) auf die einbrechende Nachfrage im Nahverkehr reagieren. Das neue Flexticket erlaubt für einen monatlichen Basispreis von 20 Euro an bis zu zwölf Tagen pro Monat die Buchung eines stark ermäßigten Tagestickets. Schönheitsfehler: Das innovative Ticket startet zunächst als Pilotversuch mit der Düsseldorfer Rheinbahn – und nur mit den dortigen Firmenkunden.
Wer wegen Corona die meiste Zeit im Homeoffice sitzt, braucht kein Monatsticket für Bahn und Bus, um damit günstig ins Büro zu kommen. Viele Besitzer der VRR-Monatstickets fangen spätestens jetzt an zu rechnen: Wie oft arbeite ich mittlerweile zuhause? Ist vielleicht, zumindest bei gutem Wetter, das Fahrrad eine gute Alternative? Nutze ich in der Freizeit das Ticket überhaupt noch? Lohnen sich dafür die monatlichen Kosten noch?
Dem VRR droht eine Kündigungswelle: Fast jeder fünfte, der eine Wochen- oder Monatskarte hat, nutzte Bus und Bahn zwischen Dezember und Februar gar nicht mehr. Ein weiteres Viertel gab in einer vom VRR beauftragten Untersuchung an, seltener als einmal pro Woche zu fahren. Nur noch 29 Prozent der Kunden gaben an, an mindestens vier Tagen in der Woche mit Bus und Bahn unterwegs zu sein. „Dadurch könnten Vielfahrer-Abonnements kundenseitig als nicht länger zeitgemäß und finanziell lohnend empfunden werden“, fürchtet man beim VRR.
Acht Prozent minus bei Stammkunden - 30 Prozent beim Sozialticket
Zwar halten die meisten Abo-Kunden dem VRR noch die Treue, das aber wird sich zunehmend ändern – je knapper das Geld wird und je mehr Homeoffice es gibt. Im Jahr 2020 sank die Zahl der Abonnenten um gut acht Prozent. Noch stärker ist der Rückgang bei jenen, die ein Firmenticket nutzen: Hier stieg bereits fast jeder sechste Nutzer aus. Wegen der Rabattstafflung führt das schnell dazu, dass in einzelnen Unternehmen das Firmenticket für die verbleibenden Nutzer unter den MItarbeitern teuerer wird. Noch genauer schauen Sozialticketkunden aufs Geld: Dort sank der Absatz um 30 Prozent.
„Insgesamt zeigt sich eine sehr angespannte Situation, die jedoch von unseren Abonnent/innen noch deutlich abgefedert wird“, heißt es beim VRR. Man weiß dort aber auch: „Eine Entspannung ist somit kurzfristig nicht zu erwarten.“ Das Flexticket, das jetzt den Gremien des Verkehrsverbundes vorgelegt wird, könnte helfen, die Abonnenten zumindest bei der Stange zu halten – auch, wenn die deutlich geringen Kosten zu weiteren Einnahmeverlusten führen werden.
Für 20 Euro pro Monat gibt es zwölf stark vergünstigte Tagestickets
Zur einer neuen „Sortimentspolitik“ also könnte das nun den Gremien vorgelegte Flexticket einen wichtigen Beitrag leisten. So soll es aussehen: Für monatlich 20 Euro kann der Nutzer in einem Monat auf zwölf 24-Stunden-Tickets zugreifen, die bis zu 70 Prozent reduziert sind. Die Tickets kann der Kunde spontan elektronisch buchen.
- Rechenbeispiel: Jemand, der dreimal in der Woche in die Firma in die Nachbarstadt fährt (Preisstufe B), zahlt zu den 20 Euro Grundgebühr für zwölf 24-Stunden-Tickets je 4,40 Euro, insgesamt also 72,80 Euro.
- Braucht er das Ticket nur sechs Mal im Monat, zahlt er 46,40 Euro. Derzeit kostet ein Firmenticket in dieser Kategorie zwischen 90 und gut 95 Euro.
Ein „normaler“ Abonnent zahlt für ein Monatsticket der Preisstufe B rund 100 Euro. Indes: Für ihn wird es das neue Flexticket (noch) nicht geben. Zunächst peilt der Verkehrsverbund einen Pilotversuch ab etwa April an. Kooperationspartner ist dabei die Düsseldorfer Rheinbahn, die ihren Firmenticket-Kunden dieses Angebot machen wird – vermutlich ab Mai 2021 – und zunächst beschränkt auf zwei Jahre und auch nicht für neue Firmenkunden. Ein halbes Jahr nach dem Start will der VRR eine erste Bilanz vorlegen.