Duisburg. Mohamedou Ould Salahi wurde in Guantánamo 14 Jahre gequält. Seit 2016 ist er frei – und will nun nach Deutschland zurück. Aber es gibt Bedenken.

Er will zurück nach Deutschland. So schnell es geht. Sein erster Antrag, die unbefristete Einreisesperre zu beenden, landete am 4. August 2020 auf einem Schreibtisch in der Duisburger Ausländerbehörde. Ausgang: offen. Mohamedou Ould Salahi ist gewiss einer der bekanntesten Männer, die in amerikanischer Gefangenschaft in Guantànamo Bay auf Kuba saßen, 14 lange Jahre ohne Anklage, so lange, bis auch der letzte Aufseher ihn für unschuldig hielt. 2016 deportierten ihn die Amerikaner in sein westafrikanisches Heimatland Mauretanien.

Ein von der US-Armee herausgegebenes Foto zeigt in orangefarbene Overalls gekleidete Häftlinge, die im Camp X-Ray auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba auf dem Boden knien.
Ein von der US-Armee herausgegebenes Foto zeigt in orangefarbene Overalls gekleidete Häftlinge, die im Camp X-Ray auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba auf dem Boden knien. © dpa | SHANE T. MCCOY

In der Zelle schrieb Ould Salahi mit „Das Guantànamo-Tagebuch“ einen internationalen Bestseller über das Foltergefängnis, Hollywood hat gerade einen Film über sein Schicksal gedreht. Jodie Foster spielt darin seine Anwältin, bei der Berlinale im März ist die deutsche Premiere geplant. Die wird der 50-Jährige nicht erleben, seine Frau vielleicht, eine amerikanische Menschenrechtsanwältin, die er während der Haft kennengelernt hatte. Sie lebt mit einem gemeinsamen Kind in Berlin und wartet auf ihn.

Er schloss sich islamistischen Kämpfern an

Warum also Duisburg? Duisburg war sein deutscher Aufenthaltsort, fast 13 Jahre hat Ould Salahi dort gelebt, dort muss er den Antrag stellen. 1988 kommt er als 18-Jähriger mit einem Stipendium von monatlich 900 Mark an die Duisburger Uni. Er studiert Maschinenbau und Elektrotechnik, lernt sehr schnell fließend Deutsch, fühlt sich wohl im Ruhrgebiet, von dem er vorher nur die populären Fußballklubs kannte.

Mohamedou Ould Salahi hofft darauf, dass er nach Deutschland darf.
Mohamedou Ould Salahi hofft darauf, dass er nach Deutschland darf. © picture alliance / TT NEWS AGENCY | John Palm/TT

Als Mudschaheddin-Gruppen Ende der 80er auch in Moscheen in Deutschland Freiwillige für den Kampf gegen das afghanische Regime von Mohammad Nadschibullah und die sowjetischen Besatzer rekrutieren, schließt er sich islamistischen Kämpfern am Hindukusch an. Ja, er habe „die Welt zum Positiven verändern“ wollen, erzählt er einer „Zeit“-Reporterin, die ihn unlängst in Mauretaniens Hauptstadt Nouakchott besucht hat.

Im Dschihadistencamp von Al Kaida

Als er 1991 schließlich nach Afghanistan reist, sind die Sowjets bereits abgezogen. Er lernt das Kämpfen in einem Dschihadisten-Camp, das von einer damals noch jungen, relativ unbekannten Gruppe geführt wird: Al Kaida. Ould Salahi hat immer wieder beteuert, dass er bald alle Verbindungen abgebrochen habe, das Verhalten der Islamisten habe ihn angewidert. Doch mit den Verbindungen gerät er immer wieder ins Visier des US-Geheimdienstes, auch als er längst wieder daheim in Duisburg ist, sein Studium beendet, in Essen als Elektromechaniker Geld verdient.

Das Interesse der Amerikaner leucht ein: Sein Cousin arbeitet als Berater für Al-Kaida-Chef Osama bin Laden und ruft Ould Salahi von dessen Satellitentelefon an. Ein anderes Mal beherbergt Ould Salahi – angeblich auf Bitten eines Freundes – drei Studenten für eine Nacht, die Jahre später zum Terrorkommando des 11. September 2001 gehören sollen. Ermittlern gilt er eine Weile als Chef-Rekrutierer für die Terror-Organisation.

Gefangene auf Guantànamo warten oft jahrelang vergeblich auf eine Anklage.
Gefangene auf Guantànamo warten oft jahrelang vergeblich auf eine Anklage. © Unbekannt | Getty Images

Als er auf Geheiß der Amerikaner 2001 in Mauretanien festgenommen wird, weil sie ihn mit seinen Kontakten für eine große Nummer halten, ist nicht nur sein Visum in Deutschland abgelaufen – das Land hat ihn auch ausgewiesen. „Die Ausweisungsverfügung erfolgte aufgrund eines rechtskräftigen Betrugsdeliktes“, schreibt die Stadt Duisburg auf Nachfrage, dem Vernehmen nach ging es um Sozialbetrug. Details verrät die Behörde nicht, zu sechs Monaten auf Bewährung hatte das Gericht ihn damals verurteilt. Es führte dazu, dass die Behörden eine unbefristete Einreisesperre gegen ihn verhängten – gegen die er nun vorgeht.

In Guantànamo, wo man nie Beweise dafür vorlegte, dass Mohamedou Ould Salahi Terroranschläge gegen die USA geplant oder unterstützt hatte, gilt er laut einer Lager-Statistik, über die die Süddeutsche Zeitung berichtete, als meistgefolterter Mann. Selbst seine Ankläger hielten ihn am Ende für unschuldig, heißt es. Laut „SZ“ hat auch das Bundeskriminalamt keine Hinweise gefunden, dass er Terrortaten vorbereitet oder gar ausgeführt hat.

„The Mauritanian“ – Filmszene mit Jodie Foster
„The Mauritanian“ – Filmszene mit Jodie Foster © TOBIS Film GmbH & Co. KG | TOBIS Film GmbH & Co. KG

Ob er nun nach Deutschland kommen darf, ist trotzdem offen. Laut Recherchenetzwerk von SZ, WDR und NDR soll das Bundesinnenministerium interveniert haben, nachdem das Auswärtige Amt einem Visumsantrag zugestimmt habe. Offenbar sind den Behörden unter anderem seine Alias-Namen verdächtig, wann er mit wem Kontakt hatte, scheint zudem nicht restlos geklärt. Auch die amerikanischen Behörden sollen den Deutschen demnach abgeraten haben.

Ende Januar hat die Duisburger Ausländerbehörde nach mehrteiligem Schriftwechsel Ould Salahis Bevollmächtigtem das formelle Anhörungsverfahren für den „Antrag auf eine Entfristung“ der Einreisesperre zugesandt. Am 17. Februar traf eine Stellungnahme in englischer Sprache ein. Die, teilte die Stadt diese Woche mit, müsse übersetzt werden. Dann werde man den Antrag prüfen. Mohamedou Ould Salahi ist gespannt auf die Antwort. Und vermutlich nicht nur er.