Mainz. Auf dem Rheinteressanweg in Mainz gibt es weder Burgen noch von Touristen überlaufenden Gassen. Die rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt bietet dagegen Wanderwege mit Weinreben soweit das Auge reicht. Tiefer einsteigen in die Weine Rheinhessens können Wanderer auf dem Weinerlebnispfad.

Im Schatten des Mainzer Doms brodelt das Leben. Hinter dem romanischen Sandsteinkoloss erstreckt sich die Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen, die kuriose Namen wie Leichhofstraße, Heiliggrabgasse oder Nasengässchen tragen. In urigen Weinstuben rund um die Augustiner-Fußgängerzone lassen die „Määnzer“ den Feierabend ausklingen mit „Weck, Worscht un Woi“, „Spundekäs“ oder „Handkäs mit Musik“.

„Ohne diese „Dreifaltigkeit“ kann kein Ur-Mainzer überleben“, grinst Gästeführerin Claudia Strehl und erklärt für alle Nichteinheimischen, dass es sich bei ersterem um Brötchen (Weck), warme Fleischwurst und Wein handelt. Ein Spundekäs ist ein Frischkäse mit Paprika und Zwiebeln, zu dem kleine Brezeln gereicht werden. Und wer einen Kümmel-Sauermilchkäse mit Musik bestellt, diesen in einer speziellen Essig-Öl-Zwiebel-Marinade serviert bekommt.

Keine Burgen, keine Loreley, keine Kegelclubs

Das bevorzugte Getränk in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt ist natürlich der Wein, der bekannteste Spross ist Johannes Gutenberg, der Erfinder der modernen Druckerkunst. „Zwar stammt er aus einer Patrizier- und Kaufmannsfamilie, aber Pressen waren ihm sicherlich aus der weinreichen Region bekannt“, erzählt Claudia Strehl. So war die Konstruktion seiner Druckerpresse vermutlich eine Weiterentwicklung einer Spindelpresse wie sie auch bei der Most- und Weinherstellung eingesetzt wurde. Umfangreiche Informationen zu Gutenbergs Leben und Wirken gibt es im gleichnamigen Museum in der Nähe des Marktplatzes.

An den Ruinen des Römischen Theaters, das einst 10.000 Zuschauern Platz bot, beginnt der 60 Kilometer lange Rheinterrassenweg, der entlang der Rheinebene die beiden Städte Mainz und Worms miteinander verbindet. Auf diesem Abschnitt gibt es keine Burgen, keine Loreley und auch keine von Amerikanern, Japanern und Kegelclubs überlaufene Drosselgasse. Der Weg schlängelt sich durch Weinreben und beschauliche Orte mit großen Namen wie Nacken-, Oppenheim oder Nierstein. Rheinhessen ist mit seinen 26.500 Hektar Rebfläche das größte deutsche Weinanbaugebiet.

Rebstöcke so weit das Auge reicht

Nach Durchquerung des Mainzer Stadtparks verläuft die Route zunächst am Fluss entlang bis zur Laubenheimer Höhe. Jetzt dominieren Rebstöcke soweit das Auge reicht. Pralle Dolden mit roten und weißen Trauben leuchten in der Sonne. Müller-Thurgau, Riesling, Silvaner, Scheurebe, Weiß- und Grauburgunder überziehen die sanften Hänge. Tiefer einsteigen in die Weine Rheinhessens kann der Wanderer auf dem Weinerlebnispfad nahe Bodenheim – dem ersten Etappenziel nach 15 Kilometern. Hier präsentieren sich alle Rebsorten der Region auf schmalen Parzellen mit Hinweistafeln und kurzen Erläuterungen.

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Gleich hinter Nackenheim kommt wieder Vater Rhein in Sicht. Als einziger der kleineren Orte entlang des Wanderwegs liegt Nierstein direkt am Rheinufer. Je näher man der verträumten Kleinstadt kommt, desto mehr rote Erde knirscht unter den Stiefeln. Am „Roten Hang“ bewirtschaftet Winzer Jochen Schmitt zweieinhalb Hektar Rebfläche. Mit Sohn Laurenz ist er dabei, den letzten Beschnitt vor der Ernte zu tätigen. „Seit 1628 betreiben wir Weinbau. Heute bereits in der 17. Generation“, sagt der 48-Jährige stolz: Der offizielle Name des Roten Hangs lautet Niersteiner Horst.

Es handelt sich um eisenhaltigen Ton- und Sandstein und Kalkeinlagerungen aus dem mittleren Tertiär. „Zusammen mit den klimatischen Bedingungen verleihen die Mineralien den Weinen einen einzigartigen Charakter.“ Den perfekten Rheinblick und hinüber ins Hessische Ried genießt der Wanderer vom Brudersberg, dem Filetstück des Roten Hangs. In der Ferne unweit des Taunus glitzert die Hochhausilhouette Frankfurts am Horizont, zur anderen Seite erhebt sich der dunkle Odenwald.

Die Zeit der Kreuzzüge

Guntersblum heißt das Ziel am dritten Tag. Hier gibt es eine über einen Kilometer lange, höher gelegene Straße, in der sich Weinkeller aneinander reihen. Über Jahrhunderte haben Winzer in den vor Grund- und Hochwasser sicheren Kelterhäusern und tiefen Kellern ihre Weine ausgebaut und gelagert. Eine weitere Besonderheit in Guntersblum ist die evangelische Kirche St. Viktor mit ihren Heiden- oder Sarazenentürmen. „Vier romanische Kirchen dieser Art gibt es in Rheinhessen“, erklärt Pastor Johannes Hoffmann: „Auch in Alsheim, in Dittelsheim und in Worms. Der Ursprung der orientalisch anmutenden Turmhelme geht vermutlich auf die Zeit der Kreuzzüge zurück.“

Kurz vor Worms geht die Welt der Reben in Felder und Wiesen über. Die vier Türme des kleinsten der drei Kaiserdome entlang des Rheins (die beiden anderen stehen in Mainz und Speyer) weisen den Weg ins Wormser Zentrum. In der Stadt der Nibelungen stritten sich die Sagengestalten Kriemhild und Brunhild. Hier schmiedete Hagen seinen Plan zur Ermordung Siegfrieds. Brunnen und Denkmäler sind ihnen gewidmet. Letzteres auch dem Reformator Martin Luther. Embleme und Figuren zeigen die Reformationsgeschichte.

Weniger dramatisch geht es am Winzerbrunnen in der Kämmererstraße zu. Er versinnbildlicht, dass auch Worms im Wonnegau ein bedeutender Weinbauort ist.