Essen. Der klassische Familienurlaub in den Mama, Papa und die Kinder verreisen ist längst durch alternative Modelle abgelöst worden. Nicht selten verreisen heute Singles oder Patchworkfamilien mit ihrem Nachwuchs. Dementsprechend verändert hat sich auch die Nachfrage und Ansprüche an die Anbieter.

Früher waren Mama und Papa verheiratet und hatten gemeinsam zwei Kinder. Heute sind Singles mit Kindern genauso normal wie Patchworkfamilien. Auch der Familienurlaub sieht deshalb längst ganz anders aus. „Familie gibt es in vielen Facetten, die deutsche Familie ist sehr bunt geworden“, so Axel Hübner, Produktmanager für Familienreisen bei Neckermann Reisen. „Da verreisen Eltern mit Kindern, Großeltern mit Enkeln, Großeltern mit Kindern und Enkeln, Singles mit Kindern oder Patchwork-Familien“, zählt auch Hans Schaefer von Robinson auf.

Und auch Prof. Torsten Kirstges von der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven ist sich sicher: „Dass Großeltern mit Enkeln Urlaub machen, ist ein Marktsegment, das noch an Bedeutung gewinnen wird.“ Gerade diejenigen, die schon viel gereist seien, wollten das auch im Alter und zeigten den Enkeln dann die Welt. Das ist ein Trend, den man auch bei Neckermann ausgemacht hat: „Die Großeltern sind heute ganz anders mobil als noch vor 30 Jahren“, bestätigt Axel Hübner.

Mehr Platz im Hotel vonnöten

Auch dass Familien zusammen mit den Großeltern verreisen, werde zunehmend interessant, sagt Prof. Kirstges. Schließlich sei es längst nicht mehr selbstverständlich, dass sie alle an einem Ort wohnen. „Der Urlaub macht es möglich, sich wieder einmal zu treffen.“

Gar nicht so selten komme es vor, dass die Großeltern die Reise gleich bezahlen, sagt Axel Hübner: „Sie wollen etwas für ihre Enkel tun, und statt Geschenke zu kaufen, übernehmen sie den Urlaub.“ Die Folge sei, dass die deutsche Familie im Schnitt zwar nicht größer wird, im Hotel aber mehr Platz braucht und beispielsweise Apartments mit drei Schlafzimmern bucht – möglichst direkt nebeneinander, weiß Axel Hübner.

Familienhotel mit Wellnessbereich

Die Ansprüche sind allerdings auch sonst etwas anders, wenn mehrere Generationen gemeinsam verreisen: „Gefragt ist ein gutes Familienhotel, das auch Wellness-Angebote hat, die von den Älteren genutzt werden.“ Wenn nur ein Großelternteil mit der Familie verreist, sind es oft die Omas. „Und die passen dann oft auf die Kinder auf. Die Oma ist der mobile Kinderclub.“

Hinzu kommt, dass Großeltern keine Greise sind: „Oft sind sie Mitte 50, und das gefühlte Alter ist noch jünger“, sagt Hans Schaefer von Robinson. Beim Mehrgenerationen-Urlaub im Club komme ihnen das breite Freizeitangebot entgegen: „Sie können Golf spielen, Bogenschießen oder gehen in den Spa.“ Gerade das sei der Vorteil: Jeder könne etwas für sich machen, aber immer auch etwas gemeinsam. „Im Restaurant gibt es bei uns Achter-Tische, da können auch größere Familien zusammensitzen“, sagt Schäfer. „Oma kann morgens mit den Frühaufstehern vorgehen und der Rest der Familie kommt später nach.“

Manchmal sei der Urlaub eine Art großes Familientreffen am Strand, bei dem sich Familienmitglieder wieder begegnen, die sich sonst nur einige Male im Jahr sehen, ergänzt Prof. Kirstges. „Es gibt einen Trend, den Urlaub zu nutzen, um wieder Familie zu sein.“

Gefragt sind gemeinsame Aktivitäten

Dass viele Eltern ihren Nachwuchs nicht einfach an den Kinderclub delegieren wollen, ist auch eine Erfahrung bei der Tui, Deutschlands größtem Reiseveranstalter. Gefragt seien zunehmend gemeinsame Aktivitäten, sagt Stefanie Schulze zur Wiesch.

Das können Kochkurse für Eltern und Kinder oder der Nachmittag im Klettergarten sein, wo Mama und Papa genauso in den Seilen hängen wie die Teenager. So unterschiedlich wie die Familienformen sind heute auch deren Erwartungen: „Die Urlaubsbedürfnisse differenzieren sich wahnsinnig“, sagt die Tui-Managerin. Während die einen ihre Kinder gut behütet wissen wollen, deutsche Gäste am Nachbartisch schätzen, klare Regeln und Zeitpläne bevorzugen, wollen andere möglichst wenig Vorgaben, möglichst viele Freiheiten und genießen es gerade, wenn nicht überall Deutsch gesprochen wird. Außer den Zielen rund ums Mittelmeer entscheiden sich immer mehr Menschen für eine Fernreise.

Die Kunst für den Veranstalter besteht also darin, all diesen unterschiedlichen Erwartungen gerecht zu werden: Die Kataloge für den erholsamen Familienurlaub müssen also ebenso bunt sein wie die Familien selbst.