Furth. Endlose, dichte, schneebedeckte Wälder in Berglandschaften gibt es nicht nur in Skandinavien. Auch im Bayrischen Wald können Freunde des Skifahrens und Wanderns ihrer Leidenschaft frönen. Dabei geht es, typisch für diese Region, immer äußerst gesellig und gutgelaunt zu.

Weil der Drache schläft, übernimmt Hans Lauerer heute mal die Sache mit dem Feuer. Mit Druck bläst er Pulver aus einem Röhrchen auf ein brennendes Feuerzeug – und ein kleiner Flammenball zischt durch die Luft. „Bärlappsamen. Das ist auch ein Potenzmittel“, sagt er trocken. Den weißbärtigen Mann nennen sie hier im niederbayerischen Furth den Vater des Drachen – eines gewaltigen, knapp 16 Meter langen und viereinhalb Meter hohen Roboters in Lindwurm-Haut aus Kunststoff, den Lauerer und sein Team per Funk steuern.

Das tonnenschwere und Millionen Euro teure High-Tech-Urviech ist der Star beim Further Drachenstich, einem uralten Festspiel, das tief in der lokalen Kultur veranker t ist. Jedes Jahr im August kommen Tausende zu dem Spektakel in das Städtchen an der tschechischen Grenze, um den Drachen Feuer speien zu sehen. Furth gilt als Tor zum Bayerischen Wald und ist Ausgangspunkt einer Reise durch Berge und ausgedehnte Wälder.

„Wir haben es eigentlich fast immer weiß“

Die Fichten auf den Hügeln leuchten grün in diesem ungewöhnlich milden Winter. Sonst sind sie bis in den Mai mit Schnee bedeckt. Doch den gibt es erst ab einer Höhe von Tausend Metern. Exakt so hoch liegen die Bretterschachten in Bodenmais. Nur mit Schneeschuhen und Skistöcken gelangt man über das Weiß durch den Wald. Manni, der unsere Gruppe anführt, bringt uns über steile Wege hinauf zur Hochzellhütte. Einen Nachnamen hat Manni hier nicht, denn „ab 1000 Metern duzt man sich“, erklärt er. Umso geselliger gestaltet sich denn auch das obligatorische Schnapserl-Trinken beim Zwischenstopp an der Hütte: Manni singt was von „Gsuffa“ und „Glaserl“ – im Kern geht es bei dem Prostgesang ums zügige Leeren der kleinen Plastikpinnchen. Als Manni am Ende der Zwei-Stunden-Tour elegant einen kleinen Abhang hinuntergleitet, sieht das so leicht aus, dass wir ihm nacheifern; ein Drittel der kleinen Gruppe schafft die Abfahrt, ohne der Länge nach im Schnee zu landen.

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Abfahrt-Ski geht hier nicht so gut, dafür aber auf dem Großen Arber, unserer nächsten Etappe durch den Bayerischen Wald. „Wir haben es eigentlich fast immer weiß“, sagt Thomas Liebl, Chef der Arber-Bergbahn, während wir von der Station aus zum Gipfel des höchsten Berges hier in 1456 Metern Höhe stapfen. Oben stehen noch zwei gewaltige kugelförmige Abhöranlagen aus Zeiten des kalten Krieges. Tschechien liegt nur ein paar Kilometer weiter, doch heute sind die östlichen Nachbarn mehr als willkommen, sagt Liebl. „Der Arber ist der Berg der Begegnung“, sinniert er und ergänzt: „Wenn nicht gar der Liebe“. Denn Verliebte können mit stilechter Kutschen-Gondel hochfahren und im Berg-Standesamt heiraten. Paare und vor allem junge Familien – das sei seine Zielgruppe, sagt Liebl: „Die Schickimicki-Skifahrer haben wir hier eher nicht.“

Der älteste deutsche Nationalpark

Unten am Fuß der Berge liegt ein Relikt aus der Eiszeit, als hier noch Gletscher waren: Der kleine Arbersee, in dem drei Inseln schwimmen. Das heißt: Eigentlich schwimmt nur noch eine, die anderen Hochmoorgebilde sind mit dem Ufer verwachsen. In dem einst durch Umweltverschmutzung lebensarmen gewordenen See gibt es jetzt wieder Fische, und am Ufer bauen Biber ihre Burgen. „Ein Zeichen dafür, dass es der Landschaft wieder gut geht“, erklärt Anette Lafaire vom Naturpark Oberbayerischer Wald. Seit Jahrhunderten wird in der Gegend Glas produziert, überall findet man kleine Manufakturen. So wie die Bläserei von Hubert Hödl, der an einem besonders ausgefallenen Ort arbeitet: Sein Ofen brennt Tag und Nacht in einer mittelalterlichen Kirche.

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Dabei wurde das Glas einst in einfachen Hütten mitten im Wald produziert, wo es mehr als genug vom Rohstoff Holz gab. Heutzutage kann man in solchen Hütten wohnen. Die mittlerweile höchst luxuriösen Chalets liegen weit oberhalb des Städtchens, auf das man im privaten Whirlpool unter Bäumen sitzend herabblicken kann. Das Dorf ist symptomatisch für den Tourismus im Bayerischen Wald: Die Gastronomen der Region setzen auf Romantik, Komfort und Wellness. Und nicht zuletzt auf Mutter Natur: Der lehrreiche Waldwipfelweg bei Sankt Englmar zum Beispiel führt die Besucher über eine schwindelerregend hohe Brücke in die Wipfel der Bäume.

Und vor allem ist hier im Bayerischen Wald der älteste deutsche Nationalpark. Den überlässt man sich selbst – auch wenn das nicht immer gut ankommt. Als der Borkenkäfer vor ein paar Jahren ganze Flächen in graues, totes Holz verwandelt hatte, forderten viele Einheimische die Aufforstung, erzählt Christian Bender vom Nationalpark Bayerischer Wald: „Es gibt sogar einen Verein, der das unbedingt erzwingen will.“ Doch die Parkverwaltung ließ der Natur ihren Lauf. Jetzt wächst aus dem Totholz neuer Urwald – und die Botschaft sei inzwischen angekommen: „Man braucht ein bisschen Geduld. Die Natur regelt das schon.“