Essen. Normalerweise gibt man Trinkgeld freiweillig, wenn man mit dem Service zufrieden war. Auf Kreuzfahrtschiffen läuft das allerdings etwas anders. Viele Reedereien buchen automatisch von jedem Passagier einen bestimmten Trinkgeldbetrag pro Tag ab. Ob das jedoch die Crew erreicht, ist häufig unklar.

Trinkgeld gibt man eigentlich freiwillig, wenn man sehr zufrieden war. Nicht so auf Kreuzfahrten: Da wird einem auf vielen Schiffen schon lange vorgeschrieben, wie viel zu zahlen ist. Diverse Reedereien buchen sogar ungefragt von der Kreditkarte feste Summen ab und begründen das damit, dass dies doch viel bequemer für die Passagiere sei. Was allerdings die wenigsten Reisenden wissen: Bei einigen Schwergewichten der Branche landet ihr Geld vielleicht gar nicht mehr komplett in der Trinkgeldkasse des Personals, sondern erhöht eventuell auch den Gewinn des Schiffsbetreibers. Jetzt hat eine der großen Reedereien diese verschämt in Service-Entgelt umbenannte Gebühr kräftig angehoben.

Kunden von MSC Kreuzfahrten müssen ab der Wintersaison 2014/2015 tiefer in die Tasche greifen. Für die gängigen Mittelmeerkreuzfahrten werden die Service-Entgelte um mehr als 20 Prozent erhöht. Noch schlimmer trifft es ausgerechnet Familien. Kinder bis 13 Jahre waren bislang vom Zwangs-Service-Entgelt befreit. Jetzt müssen außer Babys bis zu zwei Jahren alle Passagiere zahlen. Kids zwischen drei und 13 Jahren werden auf Mittelmeertörns künftig mit knapp 30 Euro pro Woche zur Kasse gebeten, Teens ab 14 zahlen wie Erwachsene knapp 60 Euro pro Woche.

Kleinkinder unter drei Jahren müssen nichts zahlen

Bei MSC spricht man von einer „moderaten Anpassung“, der ersten seit „fünf Jahren“. „Im Zuge der Überarbeitung für den Katalog Winter 14/15 wurden Höhe und Staffelungen auf ein marktübliches Niveau angehoben“, so eine Sprecherin gegenüber dem Reise Journal. „Die Entgelte entsprechen dem Personaleinsatz, der Serviceintensität und dem Qualitätsanspruch von MSC.“ Gleichwohl habe der Gast natürlich die Option, den vorgeschlagenen Betrag anhand der selbst erlebten Servicequalität zu korrigieren.

Auch interessant

Service-Entgelte gibt es natürlich auch bei einigen Wettbewerbern. Bei Costa Kreuzfahrten werden aktuell auf den Mittelmeerstrecken acht Euro pro Tag kassiert, das sind nur 3,50 Euro weniger pro Woche als beim Rivalen MSC. Kinder unter vier Jahren sind bei Costa frei, bis 14 Jahre berechnet Costa wie MSC halbe Service-Entgelte. Norwegian Cruise Line (NCL) berechnet auf allen Routen (also nicht nur im Mittelmeer) eine Servicepauschale von zwölf US-Dollar pro Tag. Ausgenommen sind nur Kleinkinder unter drei Jahren.

Pauschale für alle Crewmitglieder

Doch ob Service-Entgelt oder Service-Pauschale: Alle haben gemeinsam, dass es dem Passagier eben nicht frei steht, ob er den Betrag ganz, teilweise oder gar nicht bezahlt, auch wenn – neben MSC – auch NCL erlaubt, die Pauschale nach unten zu korrigieren, „in dem unwahrscheinlichen Fall, dass ein Problem trotz aller Bemühungen bestehen bleibt“.

NCL verspricht aber konkret, dass die Pauschale allen Crewmitgliedern zugute kommt. Bei Costa liegt der Fall mittlerweile etwas anders, 2014 heißt es allgemein: „Das Service-Entgelt wird vom Unternehmen als Anreiz für die Mitarbeiter genutzt, die Qualität der auf den Costa-Schiffen angebotenen Service-Leistungen kontinuierlich zu verbessern.“

Urteil ist noch nicht rechtskräftig

Auch bei MSC ist von der vollständigen Weiterleitung ans Personal nicht mehr die Rede. Stattdessen heißt es jetzt: „Die Erhebung des Service-Entgelts für Hoteldienstleistungen dient der Erhaltung des hohen Qualitätsstandards der an Bord gebotenen Serviceleistungen.“ Auf Nachfrage des Reise Journals betont MSC: „Die Service-Entgelte kommen selbstverständlich nach wie vor dem Servicepersonal zugute. Kabinenstewards und Restaurantmitarbeiter sowie weitere Mitarbeiter, die hinter den Kulissen für das exzellente MSC-Qualitätsprodukt an Bord sorgen, erhalten das Service-Entgelt.“

Gegen die Erhebung der Service-Entgelte wird bereits seit geraumer Zeit prozessiert. Allerdings nicht, um den Empfänger eindeutig zu klären, sondern weil diese Zwangstrinkgelder noch auf den beworbenen Reisepreis aufgeschlagen werden.

Das rief die Verbraucherschützer auf den Plan. Der Verband Sozialer Wettbewerb erstritt im vergangenen August vor dem Landgericht München, dass MSC sein Service-Entgelt in den Endpreis aufnehmen muss und darauf nicht nur unauffällig ganz am Ende der Ausschreibung mit einer Sternchen-Fußnote hinweisen darf. Auch die Richter waren der Ansicht, dass das Service-Entgelt nichts mehr mit einem freiwillig gegebenen Trinkgeld zu tun habe. Kunden müssten auch geizig sein dürfen. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.