Essen.
Die ehrgeizigste Schiffspremiere des Jahres, keine Frage. Die Indienststellung der Europa 2, des neuen Luxus-Kreuzers von Hapag-Lloyd, war 2013 einer der Höhepunkte für Liebhaber von Seereisen. Schließlich schickt hier eine Reederei endlich wieder ein einzigartiges Schiff auf die Reise und nicht die x-te Version einer bekannten Baureihe. Und auch beim Bordkonzept werden neue Wege beschritten. Legerer Luxus lautet die Devise. Doch wie gut kommen Schiff und Konzept bei den Gästen an, nachdem die Premierenparty beendet ist?
Der Gang an Bord verschafft Klarheit. Ab Istanbul, eine kurze Reise durch das Schwarze Meer. Das Routing ist während der Sommersaison auf die Bedürfnisse von Berufstätigen angepasst, im Wochentakt werden Abfahrten angeboten. Vor der Europa 2 sind Loungemöbel aufgestellt, vom Bosporus weht ein mildes Lüftchen. Die Stimmung bei der Begrüßung ist locker, eine Atmosphäre fast wie in einem Beach-Club. Gleichwohl fällt auf, dass die Gäste in der Mehrzahl einer gänzlich anderen Altersklasse angehören. Geschätzte 90 Prozent sind Stammkunden, die sich nun einen Eindruck von der neuen Europa 2 verschaffen möchten – eine ziemliche Überraschung.
Abendlicher Lichterglanz Istanbuls
Umgeben vom abendlichen Lichterglanz Istanbuls legt der Luxusliner ab, Zeit fürs Dinner. Ohne Reservierung geht das ganz spontan im Restaurant Weltmeere. Die Herren tragen Jacket, der oberste Hemdknopf aber bleibt geöffnet. Locker-leicht kommt auch die Speisekarte daher, die an jedem Tag eine eigene Rubrik „Cuisine légère“ enthält. Besonders verträgliche und kalorienarme Kost, bei der der Genuss dennoch nicht zu kurz kommt.
Auch bei den klassischen Gerichten fällt auf, wie konsequent die „weniger ist mehr“-Philosophie des Küchenchefs im positiven Sinne umgesetzt wird. Erlesene Genusserlebnisse statt üppiger Sättigungsbeilagen – dieses Konzept schmeckt. Die Tatsache, dass so am Ende der Kreuzfahrt das persönliche Gewicht nicht durch zusätzliche Kilos belastet wird, ist ganz nebenbei ein netter Nebeneffekt.
Europa 2 unterscheidet sich von anderen Luxuslinern
Zum etwas anderen Gastronomie-Konzept gehört auch, dass gewisse Spezialitäten gezielt verknappt werden, damit der Gast sie bewusster wahrnimmt. „Wir könnten problemlos jeden Tag Kaviar servieren“, erklärt Hotel-Manager Johann Schrempf. Klar, bei einer Tagesrate ab 500 Euro pro Person sollte Kaviar satt an jedem Tag möglich sein. „Die Frage ist nur, ob er dann überhaupt noch als etwas Besonderes wahrgenommen wird“, gibt Schrempf zu bedenken. „Genau deshalb bieten wir ihn nur einmal die Woche an. Dann aber richtig und schöpfen ihn aus der Dose.“
Man mag diese Details als Belanglosigkeiten abstempeln, doch sie sind ein wesentlicher Grund dafür, warum sich die Europa 2 von den bekannten Luxusschiffen unterscheidet: Eben weil sie auch auf ein ganz neues Publikum abzielen möchte. Zielgruppe sind weder neureiche Großprotze noch betuchte Traditionalisten, sondern vielmehr entspannte Genießer, die ein Luxusniveau schätzen, aber auf die klassische Etikette gerne verzichten.
Mutige Hand der Innenarchitekten
Und genau diese sind schon nach wenigen Stunden an Bord regelrecht verzückt. Von der mutigen Hand der Innenarchitekten, die beim Gesamtdesign sowie den Möbeln, Materialien und der Kunst überwiegend auf zeitgenössische Werke setzen. Von der enormen Großzügigkeit der öffentlichen Bereiche, die dem Gast in vielen Situationen das Gefühl vermitteln, man befinde sich auf einer privaten Yacht. Von der Einsatzbereitschaft und der herzlichen Freundlichkeit des jungen deutschen Servicepersonals, das nicht immer fehlerfrei, aber immer im besten Sinne der Gäste agiert. Allein einen Wermutstropfen gibt es: die entspannte Atmosphäre und die passende Stimmung stellt sich nicht ein, wenn die eigentliche Zielgruppe an Bord in der deutlichen Minderzahl ist und stattdessen die „alten“ Europa-Gäste das Zepter schwingen. Man muss es so deutlich sagen: Diese Mischung geht nicht auf.
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Doch zurück zu den wirklich tadellosen Genusserlebnissen, die es auf dem Schiff zu entdecken gibt. Diese werden nicht nur auf dem Teller, sondern auch im Glas serviert. Verantwortlich dafür ist Florian Sender, der als Sommelier die Weinauswahl vornimmt. Und der Mann kann aus dem Vollen schöpfen. Fast 500 Weine aus 14 Ländern sind ständig im Angebot, insgesamt beträgt der Bestand an Bord 25.000 Flaschen.
Eine Entdeckungsreise für Weinliebhaber
Neben großen Gewächsen von namhaften Weingütern bleibt da genug Platz für exzellente Winzer, die vielleicht kein großes Label, dafür aber umso größere Weine bieten können – für Weinliebhaber eine regelrechte Entdeckungsreise. Entweder im Rahmen eines organisierten Weintastings oder beim abendlichen Restaurantbesuch, bei dem zu jedem Gericht der passende Wein gefunden oder empfohlen wird.
Erfreulich: Die Preise sind moderat, da sie ohne den in der Gastronomie üblichen Aufschlag abgegeben werden. „Die Weine würden im Sternerestaurant mindestens das Doppelte kosten. Somit bieten wir den Gästen eine tolle Gelegenheit, ausgezeichnete Tropfen zu einem wirklich fairen Preis zu trinken“, erklärt der Sommelier.
Restaurantchefs bitten zur Kochschule
Genuss auf der Europa 2 bedeutet aber nicht nur entspanntes Konsumieren, er kann auch im Rahmen von mehreren Kursen aktiv erlebt werden. So bitten die Restaurantchefs regelmäßig zur Kochschule, verraten ihre Geheimrezepte und zeigen die richtigen Handgriffe. Beispielsweise, wie man einen Hummer zubereitet oder wie man auch zu Hause Sushi fast wie ein japanischer Profi kreiert.
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Spätestens zum krönenden Abschluss der Kreuzfahrt lockt dann der Besuch eines der Spezialitäten-Restaurants. Während auf anderen Schiffen nun das traditionelle Captains-Dinner mit Tischfeuerwerk anstehen würde, empfiehlt sich auf der Europa 2 zum Finale eine Reservierung im Tarragon. Nicht nur architektonisch, sondern auch von der Genussqualität her das mit Abstand beste Restaurant des Schiffs. Gespeist wird wie im Paris der Belle Époque. Zur Wahl stehen Beef Tatar klassisch oder Confit von der Taube mit Granatapfel und Couscous. Und als Hauptgang Hummer „Thermidor“, feinstes Chateaubriand oder Lammrücken Provençal mit Aligot und geschmorter Paprika.
Spätestens nach diesem Abend weiß man, dass die förmliche Auszeichnung mit einem Stern nicht zwingend das Maß aller Dinge ist. Genauso wenig wie die Europa 2 in das klassische Luxus-Schema passt und dennoch hell leuchtend als neuer Star am Kreuzfahrt-Himmel scheint.