Köln. Die Nordroute auf dem Rhein von Köln flussabwärts bietet Kreuzfahrern nicht die Burgenromantik des Mittelrheintals. Doch auch Holland mit seinen Kanälen, Häfen und Grachten wartet mit reichlich Sehenswertem auf, das sich vom Wasser aus erkunden lässt. Und bei Wind fühlt es sich fast an wie auf See.

An dieser Karambolage war nicht die Loreley schuld, sondern der Wind. Der Kapitän hatte auch nicht gedankenversunken zur schönen Blondine hinaufgeschmachtet, sondern schon seit Stunden gegen die heftigen Böen angesteuert, die der großen Wasserfläche sogar Wellenkämme bliesen. Aber genau genommen ist bei dieser Rhein-Kreuzfahrt ohnehin alles anders. Und richtig auf dem Rhein findet sie auch nicht statt. Von Köln aus flussabwärts? Dort ist es vorbei mit der putzigen Idylle, mit Weinbergen an den Hängen und Burgen in der Höhe. Sobald der Kölner Dom in der Ferne verschwindet, bestimmt wuchtige Industrie das Bild. Container. Tanks. Rohrleitungen.

Die Gäste auf der MS Bellriva schippern ohnehin erst mal in ihre erste Nacht an Bord hinein, packen Koffer aus, ergattern sich Sitzplätze im Restaurant, buchen Ausflüge. Die Bellriva (Baujahr 1971) ist eine gepflegte kleine, alte Dame unter den Passagierschiffen. Sie hat weder Whirlpool noch Beauty-Salon und die Kabinen der untersten Kategorie sind arg schmal. Aber die Kellner kennen schon am zweiten Tag das Lieblingsgetränk eines jeden Passagiers und die Reisenden jeden Winkel ihres schwimmenden Hotels.

In Amsterdam bleiben die Passagiere auf dem Schiff

Wo es lang geht, sagt der alten Dame Thomas Topf, der erste Kapitän. Was macht für ihn als Schiffer das Spezielle an der Nordroute aus? „Die großen Wasserflächen und das flache Land sind nicht ohne für ein Flussschiff, das nur 1,60 Meter Tiefgang hat, aber acht Meter hoch und um die hundert Meter lang ist. Wenn da starke Winde kommen, beginnen die heftig zu schieben.“

In der Regel, so der Kapitän, ist das Publikum auf der Nordroute ein paar Jahre jünger. Es gibt mehr Passagiere, die sich für Schiffs- und Hafentechnik, für Polder und Pumpen interessieren. Aber auch dieses etwas geringere Durchschnittsalter verhindert nicht, dass am Abend in Amsterdam die Mehrzahl der Passagiere im Salon sitzt und auf Kommando des Bordmusikers „Die Hände zum Himmel“ streckt und zu „Tulpen aus Amsterdam“ schunkelt. Die Wenigsten stürzen sich in die Kneipenszene der Millionenstadt. Könnte man aber.

Hoorn bietet Holland in konzentrierter Form

Während das Schiff in einer Nacht von Köln bis Amsterdam volle Kraft voraus gefahren ist, beginnt dann die Bummelei von Hafen zu Hafen: Volendam, Rotterdam, Gent, Antwerpen, Nijmegen. Anders als am Mittelrhein, wo die Schiffe meist an der Promenade und sozusagen mitten in der Kultur anlegen, ist das im Norden in jedem Hafen anders. Wer sich durch die Kataloge wühlt, um seine passende Reise zu finden, sollte das im Auge haben. Ein Teil der auf dem Reiseplan angegebenen Orte ist nur per offiziellem Ausflug zu erreichen, Den Haag, Delft, Brüssel und Brügge oder das Windmühlen- und Käse-Museumsdorf Zaanse Schans. Amsterdam ist da eine Ausnahme. Rotterdam wäre ohne Stadt- und Hafenrundfahrt kaum zu überblicken: Skyline, eine moderne Architektur, der größte Seehafen Europas.

Einen gemütlichen Bummel auf eigene Faust kann man eher in kleineren Orten unternehmen. Absoluter Geheimtipp: Hoorn. Nach ein paar Minuten Spaziergang erlebt der Holland-Reisende alles, was sein Herz erfreut: Schmale hohe Giebel und Grachten, in denen sie sich spiegeln, Schiffchen, Kneipen und Teestuben. In Hoorn wurde übrigens der Seefahrer Willem Schouten geboren, der als erster die Südspitze Amerikas umsegelte: Kap Hoorn.

Reise-Infos

Veranstalter: 1AVista (0221/99 80 08 00, www.1avista.de) bietet eine fünftägige Flusskreuzfahrt ab Köln nach Holland mit der „Bellriva“ ab 279 Euro pro Person oder eine Kurzreise „deluxe“ mit der „VistaPrima“ ab 349 Euro pro Person.

Tui (01803/68 80 00, www.tui-flussgenuss.de) bietet die siebentägige Reise „Hochgefühl Niederrhein“ von Düsseldorf über Amsterdam nach Hoorn, Rotterdam, Dordrecht, Gent und Antwerpen und zurück über Nijmegen ab 949 Euro pro Person an.

Apropos Geografie: Am besten kauft man sich gleich am ersten Tag an der Rezeption eine Landkarte – und wird dort sehen, dass man ziemlich bald nicht mehr auf dem Rhein unterwegs ist. Kurz hinter der deutsch-niederländischen Grenze beginnt nämlich das Rhein-Delta.

Knifflige Geografie hinter der Grenze

Knifflig wird das Ganze dann noch durch diverse Wechsel der Bezeichnungen, durch Kanäle und große Wasserflächen, die die Holländer mit Dämmen von der Nordsee abgetrennt haben. Es bleibt also zweierlei: entweder die Route auf der Karte penibel nachverfolgen oder einfach an Deck sitzen, das Ufer am Liegestuhl vorbeigleiten lassen, ein Bier bestellen und davon ausgehen, dass der Kapitän schon weiß, wo es langgeht.

Wie war das nun mit der Karambolage? Topf winkt ab und erklärt: „Wir hatten Windstärke sechs, ich hatte entschieden, anzulegen. Da hat uns der Wind gegen ein anderes Schiff gedrückt. Ganz sanft nur.“ Eigentlich hätten die Passagiere auch ahnen müssen, dass ihnen ein seemännisches Abenteuer bevorsteht. Nur an diesem Abend, nach dem Ablegen in Hoorn, hatte die Mannschaft alle Liegestühle auf dem Sonnendeck zusammengeklappt. Nur an diesem Abend spritzen die Wellen bis an die Fenster der unteren Kabinen. Ein Abend mit Hochsee-Flair.