Steyr. Die volle Ladung Weihnachten erlebt man dieser Tage in Steyr. Ein Highlight der Winterwunderwelt ist dabei das Steyrer Kripperl. Im letzten Stabpuppentheater im deutschsprachigen Raum werden die über 150 Jahre alten, handgeschnitzten Figuren immer noch von Laienspielern gekonnt in Szene gesetzt.

Hoch über Steyr auf der Stadtpfarrkirche, der Wind pfeift. Helgard Göd zieht ihren Nachtwächterhut ins Gesicht. Die 228 Stufen hinauf waren heftig, die Aussicht auf diese einzigartige spitzgiebelige Dachlandschaft belohnt. Steyr hat seine mittelalterliche Bausubstanz fast komplett bewahrt. Eine reiche Stadt war sie wegen der Eisenverarbeitung. Von oben gut zu erkennen: der Stadtplatz, „einer der schönsten Europas“, findet Göd.

Unten: Durch die „Enge“ kommend, ein Gässchen mit schmiedeeisernen Zunftschildern, öffnet sich am Stadtplatz der Blick auf ein historisches Häuserensemble, formenreich die Fassaden von der Gotik bis zum Rokoko. In der Mitte wacht über den Christkindlmarkt der Krippenbaum – nach mittelalterlichem Brauch bestückt mit Figuren der Weihnachtsgeschichte.

Eine Fahrt mit dem 50er-Jahre-Postbus

Nur ein paar Schritte weiter steht am Grünmarkt der reich verzierte Innerberger Stadl, ein mächtiger Kornspeicher der Renaissance. Hier hat das berühmte Steyrer Kripperl sein Zuhause. „Dies ist das letzte im deutschsprachigen Raum bespielte Stabpuppentheater“, sagt Spielleiter Gerhard Nezbeda. Er ist seit Kindertagen dabei. Die handgeschnitzten Figuren, teilweise über 150 Jahre alt, werden von Laienspielern bewegt. Bei den mündlich überlieferten Texten haben sie Spielraum für spontanen Wortwitz. Die volkstümlichen Szenen aus dem Handwerker- und Bürgerleben sind nur lose mit dem Weihnachtsgeschehen verbunden.

Nostalgisch gestaltet sich die Fahrt mit dem 50er-Jahre-Postbus Marke Steyr 380q ins nahe Garsten. Hier empfängt der „Jubel-Karl“ die Besucher. Er gehört zu den lebensgroßen Figuren der rundum aufgestellten Bretterkrippe. Vor dem Schulhaus sind Maria und Josef auf Herbergssuche. Der stämmige Wirt weist sie fort – Einheimische sagen, er sei dem Tavernenwirt auf der anderen Straßenseite nachempfunden.

Es weihnachtet sehr

In der Schule werden über 40 traditionelle Handwerkstechniken gezeigt. So fertigt Inge Muhr mit hohem Qualitätsanspruch jede Menge Engel, detailgenau nach Vorbildern aus der Barockzeit. „Mein Mann meint“, so sagt sie, „zuhause sei das ganze Jahr Weihnachten.“

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Nicht zu versäumen ist ein Besuch beim Krippenfachmann der Region, Karl Mayer. Seit Jahrzehnten sammelt und restauriert er mit seiner Frau Elfi wertvolle alte Krippen. In den Barockräumen des ehemaligen Benediktinerstifts Garsten haben sie ihre Schätze ausgestellt, etwa eine frühe Kastenkrippe von 1820. Geduldig erklärt Mayer die Bedeutung der „Loahmmandeln“, wie die Lehm-Figuren hier heißen. So gehören zum Krippenpersonal etwa Apfelmagd und Eremit, Hebamme und Mehlsackträger, Wilderer und Jubel-Karl. Draußen riecht es bei den „Standln“ nach Lebkuchen, Zimt-Punsch und Bratäpfeln. Im Hintergrund spielen Jagdhornbläser. Es weihnachtet sehr.

Eine der größten Krippen der Welt

Zum Abschluss geht es mit dem Oldtimer-Postbus in den nahe gelegenen Wallfahrtsort Christkindl. Seine Barockkirche beherbergt ein aus Wachs geformtes Christkind. Im Pfarrhof sind zwei herausragende Krippen zu bewundern. Die größte mechanische Weihnachtskrippe Österreichs hat ein Schlosser in 40 Jahren zusammengebaut. 1939 war sie fertig. Durch ein System von Zahnrädern, Wellen und Fahrradketten werden fast 300 Figuren lebendig, begleitet von der Musik einer böhmischen Walzenorgel. „Die Krippe störungsfrei am Laufen zu halten ist mühsam“, versichert Ferdinand Jakob vom örtlichen Krippenverein. Um Schleifgeräusche zu vermeiden, müsse die Mechanik zweimal pro Woche gewartet werden.

Pflegeleichter ist ein Stockwerk höher eine der größten Krippen der Welt, die Mitte des 20. Jahrhunderts entstandene Pöttmesserkrippe. In dieser orientalischen Landschaftskrippe tummeln sich auf 58 Quadratmetern genau 778 Figuren. Da könne man schon mal den Überblick verlieren, meint Jakob.

"An das Christkind in Österreich"

Dies darf natürlich Martina Prinz nicht passieren. Sie ist Leiterin des saisonalen Postamtes Christkindl, gleich neben der Kirche. 13 Angestellte sind damit beschäftigt, die aus aller Welt eintreffenden Stempelwünsche zu erfüllen. Knapp zwei Millionen Sendungen mit dem begehrten Sonderstempel verlassen pro Saison das Weihnachtspostamt.

Carmen betreut die rund 8000 Kinderbriefe, die alle beantwortet werden, in Deutsch oder Englisch. Die Hälfte der Briefe kommt aus dem Ausland, teilweise nur mit der Adresse: „An das Christkind in Österreich“. Schmunzelnd verrät Carmen, dass die meisten ausländischen Briefe aus Japan eintreffen. Die schönsten Zeichnungen und Texte werden gesammelt. Markus fragt neugierig: „Liebes Christkind! Wie siehst du aus? Woher hast du die Geschenke? Kannst du wirklich fliegen?“ Diese Fragen kann auch Carmen nicht beantworten.