Essen. Rund 50 Mönche leben im Kloster Beuron im Oberen Donautal. Am Wochenende empfangen die Benediktiner Besucher aus ganz Deutschland. Einige kommen, um an Bibelkursen teilzunehmen. Andere nur, um den Alltag hinter sich zu lassen und zu entspannen. Im Kloster Beuron ist jeder willkommen.

Die Mönchskutte ist für viele so geheimnisvoll wie das Klosterleben überhaupt. Pater Martin hat schon manche Überraschung mit ihr erlebt. Erst neulich wieder, als er sein dunkles, langes Kapuzengewand in die Reinigung brachte. Die Frau, die sie entgegen nahm, war ratlos: Auf ihrem Formular gab es Anzüge, Blusen, Pullover und mehr, aber nichts passte zu dem Kleidungsstück, das sie in ihren Händen hielt. „Als ich meinen Habit dort wieder abgeholt habe, stand auf dem Zettel ‚Abendkleid mit Stola’“, erzählt Pater Martin und bricht sogleich in schallendes Gelächter aus.

Sein Lachen ist oft zu hören, wenn man zur „Einkehr übers Wochenende“ ins Kloster Beuron fährt. Ein Widerspruch? Nein, nicht für den 68-Jährigen, der im hessischen Heppenheim aufgewachsen ist, bevor er ins Kloster der Benediktiner an der Donau kam. „Humor ist eine Form von Gelassenheit“, sagt Bruder Martin, „mit der ich mich in meiner Unvollkommenheit vor Gott stellen kann.“

Spürbare Stille

Seine Lockerheit schlägt eine Brücke zwischen den Gästen und dem abgeschiedenen Leben der rund 50 Mönche in der Klausur. Auf den ersten Blick hat das Kloster mit seinen langen, hohen Mauern etwas Abwehrendes, als wolle es im Innern eine Insel der Vergangenheit bewahren. Wenn Besucher durch die große Holztür am Eingang des Gästeflügels schreiten und ihr Alltagsgelärme hinter sich lassen, finden sie sich in einer fremden Welt wieder. In einem Haus voller Menschen, das dennoch nie laut ist, sondern eine Stille ausstrahlt, die man in manchen Momenten geradezu spüren kann. Ein mächtiges Bauwerk, in dem Gäste nur einen Teil der Räume betreten dürfen, weil sie in der Klausur, dem abgeschlossenen Bereich der Ordensbrüder, nichts verloren haben. Und manche denken sogar, dass überhaupt nur Katholiken als Gäste zugelassen sind.

„Alle sind willkommen“, sagt Pater Methodius, der für die Besucher zuständig ist. Und so sitzen im Speisesaal des Gästeflügels auch ganz verschiedene Menschen an einem Tisch: Die pensionierte Religionslehrerin neben der Frau, die sich dem Buddhismus verbunden fühlt. Junge Mütter, die eine Auszeit von der Familie nehmen, neben Unternehmern, die beruflichem Stress entfliehen. Gäste, die im Kloster allein sein wollen, und andere, die bei „Ora-et-labora-Tagen“ mitarbeiten. Tiefgläubige ebenso wie Menschen, die aus der Kirche ausgetreten und auf der Suche sind. „Eines ist aber sicher“, erklärt Anita, die schon in verschiedenen Klöstern war und zum „Wochenende der Einkehr“ nach Beuron gereist ist: „Hier trifft man keine langweiligen Menschen!“

Allein mit den Gedanken

Das gilt auch für Pater Martin, einen rundlichen Mönch mit Halbglatze, grauem Haarkranz und buschigen Augenbrauen, die beim Reden ständig in Bewegung sind. Er hält an diesem Wochenende mehrere Vorträge über Themen wie Feindesliebe und Verschwendung. Seine Denkanstöße im kleinen Seminarraum sind keine leichte Kost, doch er spickt sie mit Erfahrungen und Beispielen aus seinem Alltag.

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Die Zuhörer sind überrascht, was es hinter Klostermauern alles gibt: Rivalität und sogar Streit, geduldige und aufbrausende Brüder, die mitunter verschiedene Auffassungen davon haben, wie das Zusammenleben aussehen sollte. Davon bekommt der Klostergast auf Zeit nichts mit. „Die Menschen machen sich sowieso ein ganz falsches Bild vom Leben im Kloster“, sagt Pater Methodius.

Fünfmal am Tag läuten die Glocken zum Gebet

Sie können hinter den dicken, Jahrhunderte alten Klostermauern zur Ruhe kommen, ihren Gedanken nachhängen. In den schlichten, nur mit einem Kreuz geschmückten Gästezimmern lenkt nichts ab. Sogar das Handy hat im Donautal keinen Empfang. Stattdessen sind alle eingeladen, sich auf den Rhythmus der Mönche einzulassen, die den Regeln des Heiligen Benedikt folgen.

Fünfmal am Tag läuten für sie die Glocken zum Gebet. Mancher Gast macht sich schon um fünf Uhr in der Früh auf den Weg durch die dunklen, langen Gänge, in denen jeder Schritt hallt, und sitzt auf der kühlen Kirchenbank, wenn das Morgenlob anhebt. Sie schließen sich den Mönchen mittags zur Eucharistiefeier an. Sie kommen abends zur Vesper, wenn Kerzen die Kirche erhellen und der Blick von den Strahlen, die über dem Altar das Auge Gottes umgeben, angezogen wird. Leise erklingt die Orgel und die innigen, gregorianischen Choräle der Mönche legen sich wie ein Schutzmantel ums Gemüt und verlangsamen den Pulsschlag allen Lebens. Eine ganz besondere Stimmung, die alle mit auf den Weg zum Abendessen nehmen. In diesem Moment entspinnt sich zwischen den sonst redseligen Gästen nur zögerlich ein Gespräch.

Stress im Klosteralltag

Das hilft auch Menschen, die völlig gestresst sind. Manche werden gar von ihren Therapeuten geschickt, erzählt Pater Methodius. Was sie hier suchen und zum Teil auch finden, ist den Brüdern nicht immer vergönnt. Der frühere Gästepater hatte sogar „eine Art Burnout“, wie es Pater Methodius vorsichtig formuliert. Und in der Tat folgt ihr Tagesablauf einem straffen Plan: Wer nicht zu alt oder zu krank ist, hat seine Aufgabe in den Werkstätten, Büros, in der Bücherei oder im Garten. Neben den fünf Gebeten täglich kommen Putzen, Spülen und andere Gemeinschaftsdienste hinzu.

Der Gästepater führt außerdem Seelsorgegespräche mit Besuchern, organisiert Kurse, beantwortet E-Mails. Er steht immer mit einem Bein in der abgeschiedenen Klausur und mit dem anderen im öffentlichen Besucherleben. Da kann sogar im Kloster Stress aufkommen.

Damit scheint Pater Martin kein Problem zu haben. Nach Abendessen und Nachtgebet setzt er sich entspannt zu seinen Gästen und diskutiert mit ihnen über die Gesellschaft, die Zukunft der Kirchen im Lande allgemein und die des Klosters im Besonderen. Er nimmt sich Zeit für die vielen neugierigen Fragen zum Klosterleben: Ob es gar keinen persönlichen Besitz mehr gibt? Wer den Mönchen ihre Namen gibt? Ob sie auch Urlaub machen? Und ob es richtig ist, dass man einen Mönch nicht ansprechen soll, wenn er die Kapuze über den Kopf gezogen hat. „Das stimmt“, sagt Pater Martin und lacht wieder einmal herzlich, „wir nennen sie unsere ‚mobile Klausur’!“ Da sind sich seine Gäste einig: Nach diesem ruhigen Wochenende würden sie zu gerne eine mobile Klausur in ihren Alltag mitnehmen.