Tlacolula. Auf den Märkten im südmexikanischen Oaxaca tauchen Besucher in die ursprüngliche Kultur Mexikos. Hier geht es fast noch zu wie vor der Ankunft der Spanier: Es gibt Heuschrecken, Zutaten für Mole-Soßen und ganz besondere Getränke.

Die Stände biegen sich unter frischem Fleisch und knackigem Gemüse. Durch die Straßen zieht der Duft von saftigem Obst und scharfen Gewürzen. Am Sonntag ist Markttag in Tlacolula. Indio-Frauen aus den Dörfern des Umlands kommen dann in die Kreisstadt rund 30 Kilometer südlich von Oaxaca und bringen Blumen, Gewürze, Gemüse, Kunsthandwerk und Tiere zum Verkauf mit.

Tlacolula lädt den Besucher ein, sich in den engen Gassen zu verlieren und die Farben, Gerüche und Geschmäcker der Zeit vor der Entdeckung Amerikas zu genießen. An den Marktständen gibt es getrocknete Chilis und essbare Heuschrecken, Basilikum, Tomaten, knallbunte Holzfiguren von Fantasiewesen, Keramik, gewebte Taschen und lebende Truthähne.

Touristen verirren sich nur selten auf den Markt in Tlacolula. Hier kaufen Männer mit Sombreros ihre Macheten für die Feldarbeit. Frauen mit geflochtenen Zöpfen und in traditionell bestickten Röcken suchen nach Ledersandalen, die auch lange Fußmärsche überstehen.

Mit Blattgold verzierte Reliefs

Rund um die Kirche Nuestra Señora de la Asunción und die Kapelle des Heiligen Christus von Tlacolula herrscht viel Trubel. Wer für einen Moment Ruhe sucht, sollte sich einmal im Inneren der Gotteshäuser umsehen. Dort finden sich mit Blattgold verzierte Reliefs im Barock-Stil, Leuchter und Geländer aus Silber sowie kürzlich restaurierte Gemälde aus dem 17. und 18. Jahrhundert.

Große Auswahl: An den Ständen der Märkte in Südmexiko sind exotischen Früchte regionale Ware. Frisches Obst gibt es in Mengen.
Große Auswahl: An den Ständen der Märkte in Südmexiko sind exotischen Früchte regionale Ware. Frisches Obst gibt es in Mengen. ©  Andrea Sosa

"Zwiebeln für fünf Pesos", tönt es draußen von einem Stand. "Wir haben Gift: Die letzte Mahlzeit für Ratten", wirbt ein Verkäufer für sein todbringendes Pulver. "Probieren Sie eine Heuschrecke", lockt ein anderer eine Kundin an seinen Stand. "Ganz unverbindlich, meine Königin."

Eufemia Hernández Mateo sitzt hinter zwei Töpfen voller Heuschrecken. Die einen sind klein und rötlich, die anderen etwas größer. Die Einheimischen schwören auf die Kleinen aus der Regenzeit - die haben ihrer Ansicht nach mehr Geschmack. In Oaxaca gehören die proteinreichen Insekten seit jeher zur lokalen Küche.

Um die Delikatesse zu fangen, muss Familie Hernández mitten in der Nacht auf die Felder. "Wir fangen sie mit Netzen - wie für Fische, nur feinmaschiger", sagt die 60-Jährige. "Um 1.00 Uhr morgens geht es los, wenn sie noch schlafen."

Getränk aus Mais und Kakao

Die Heuschrecken werden mit kaltem Wasser gewaschen und für fünf Minuten abgekocht. Dann kommen Knoblauch, Salz und Limone hinzu, und sie werden getrocknet. Die Chapulines können einfach so zum Aperitif gegessen oder über Tostadas aus harten Tortillas, Fleisch, Salat und Soße gestreut werden.

An den Nachbarständen gibt es Sal de Gusano, eine Gewürzmischung mit zerstoßenen Raupen. Die Händler bieten die Grundpaste für Mole an, eine typische Soße der mexikanischen Küche, und Tejate, ein altes Getränk aus Mais und Kakao.

Take-Away auf mexikanisch: Ein Imbiss auf dem Markt von Tlacolula: Frauen aus dem Umland kommen wöchentlich in die Kreisstadt rund 30 Kilometer südlich von Oaxaca.
Take-Away auf mexikanisch: Ein Imbiss auf dem Markt von Tlacolula: Frauen aus dem Umland kommen wöchentlich in die Kreisstadt rund 30 Kilometer südlich von Oaxaca. ©  Andrea Sosa

Schon lange vor der Ankunft der Spanier hielten die Menschen in Mexiko regelmäßig Markttage ab. Der Entdecker Hernán Cortés berichtete König Karl I. in einem Brief über den Azteken-Markt in Tlatelolco im heutigen Mexiko-Stadt: "Jeden Tag kommen 60 000 Seelen zusammen, um zu kaufen und zu verkaufen".

Im Bundesstaat Oaxaca ist jeden Tag irgendwo Markt. Am Mittwoch in Etla, am Freitag in Ocotlán und am Samstag in der Stadt Oaxaca. Wenn in Tlacolula die Kunden am Abend den Markt verlassen, bleibt das Geld im Beutel. Wie es bereits ihre Vorfahren vor der Ankunft der Spanier taten, tauschen die Händler nun den Rest ihrer Ware miteinander, bis jeder das hat, was er braucht. (dpa)