Sylt. Nelson Müller kennt man durch die diversen Koch-Sendungen im TV inzwischen im ganzen Land. Doch auch er hat mal klein angefangen - als Lehrling auf der Deutschen liebster Ferieninsel Sylt. Jahre später kehrte er nun als Tourist auf das teure Eiland zurück und erinnerte sich an seine Lehrzeit.
Dort arbeiten, wo andere Urlaub machen. Eine völlig andere Perspektive auf ein Reiseziel erhalten. Ungeschminkt, authentisch, knallhart. Starkoch Nelson Müller kann ein Lied davon singen. Über Sylt. Über die Lieblingsinsel der Deutschen. Die fasziniert, aber genauso stark polarisiert. Dort hat er seine Küchen-Karriere begonnen. Nicht als Meister, sondern als Lehrling, auf der untersten Stufe der Karriereleiter als Praktikant eingestiegen. Aber mit einer Versprechung ausgestattet, die gleichzeitig zum Antrieb für ihn wurde: „Wenn Du richtig was lernen willst, dann musst Du nach Sylt gehen.“
Diesen Satz hatte ihm sein Mentor aus dem Schwabenland mit auf den Weg gegeben, ehe er Nelson einen Platz in der Küche von Sternekoch Holger Bodendorf in Tinnum verschaffte. Und der junge Müller hielt durch. Mehr als drei Jahre hat er auf dem Eiland nicht nur geschuftet, gelernt und gearbeitet, sondern auch intensiv gelebt. Ein gutes Jahrzehnt später kehrt Nelson als Koch-Star, den inzwischen ganz Deutschland dank diverser TV-Shows kennt, auf „seine“ Insel zurück. Diesmal als Gast, als Tourist. Seine Sicht auf Sylt hat das aber nur bedingt geändert. Denn vergessen hat er nichts.
„Ich hatte anfangs richtig Bammel vor Sylt, wusste nicht, was mich erwartet“, erzählt Nelson. Doch der erste Eindruck war mehr als positiv. „Ich war zunächst von der perfekten Infrastruktur überrascht. Und auch, wie groß die Insel ist. Dass eigentlich alles da ist“, schmunzelt der heute 34-Jährige. Und doch bekam der Lehrling des Landhaus Strickers gleich schonungslos die Wohnungsknappheit zwischen List und Hörnum zu spüren. „Wir waren alle in der Nähe von Westerland im Süderhof untergebracht.“ Ein alter Reitstall. Jeder Mitarbeiter lebte in einer umgebauten Pferdebox, genau elf Quadratmeter groß. „Aber ich habe nichts vermisst, wir haben uns immer im Innenhof getroffen und waren wie eine große Familie“, schwärmt Nelson heute.
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Harte Arbeit, harte Nächte
Überhaupt der Feierabend: Egal wie lang und hart die Schicht war, anschließend ging eigentlich immer noch was. „Es war schon eine wilde Zeit. Ich habe zwar nicht zur ganz harten Fraktion gehört, aber für eine gute Party war ich immer zu haben“, lacht der Koch. Etwa in den einschlägigen Lokalitäten wie der „Wunderbar“ oder dem „American Bistro“, wo man kein Wochenende braucht, um bis in die Morgenstunden zu feiern. Wer nicht pünktlich aus den Federn kam, durfte zur Strafe 20 Kilo Obstsalat schnibbeln. „Auch ich musste diese Lektion erst lernen.“ Geschadet hat es ihm nicht. Die Belegschaft des Luxushotels wurde zur eingeschworenen Gemeinschaft. „Und doch habe ich auf Sylt immer Kontakt über die Gastrowelt hinaus gesucht“, erinnert sich Müller. Etwa zur Musik-, Surf- und Skateboardszene der Insel.
Und im Herbst, wenn die Arbeitsbelastung nach den härtesten Wochen des Jahres wieder ein normales Niveau erreichte, schaltet Nelson oft genug auch ohne Gesellschaft ab. Alleine am Strand, durchpusten lassen, das Spiel der Wolken beobachten, neue Energie aufsaugen, das Salz auf den Lippen schmecken. Das Verhältnis zu Sylt beginnt sich zu wandeln. Es entwickelt sich ein eigenes Alltagsleben fern der Ablenkungen der Urlaubsinsel. Nelson macht seinen Führerschein, die Prüfung eher eine Spazierfahrt. Dafür wird ihm in der Küche nichts geschenkt. Insgesamt neun Sterne verteilt auf sechs Restaurants gibt es auf der Insel, der Wettbewerb zwischen den Betrieben ist extrem. Das spüren auch die Mitarbeiter.
Mit den Sterneköchen auf Augenhöhe
„Als Gastronom findest Du auf Sylt beste Voraussetzungen. Viele Nobel-Urlauber, die eine hohe Bereitschaft mitbringen viel Geld für gutes Essen auszugeben. Hier kannst Du auch schon um elf Uhr morgens eine Flasche Champagner verkaufen. Aber wenn Du nicht richtig gut bist, schaffst Du es trotzdem nicht.“
Bei seiner Rückkehr nach Sylt betrachtet er vieles aus einer neuen Perspektive. Er, der jetzt selbst einen Stern erkocht hat, besucht die ehemaligen Vorbilder, die ihm nun auf Augenhöhe begegnen. Nelson schaut genau hin. Aber der Blick wandert nicht nur in die Küchen, sondern auch auf die Lokalitäten, das Ambiente, das Marketing, das Drumherum. Eine wichtige Lektion dabei: Nur selten ist die Hardware entscheidend. „Die Sansibar ist vom Gebäude her ein „Strandrestaurant“, allerdings mit überraschendem „Inhalt“, einzigartiger Atmosphäre und nicht mehr weg zu denkendem Kultcharakter. Auch mit welcher Leidenschaft und Perfektion das Restaurant betrieben wird, ist einmalig“, konstatiert Müller.
Die „Schote“ expandiert
Als Gastronom fühlt er sich ermutigt. „Daran sieht man, wie sehr es auf die Einzelperson ankommt und was man mit persönlichem Engagement tatsächlich bewirken kann.“ Müller selbst steht gerade vor wichtigen Entscheidungen, entsprechend wertvoll erscheinen ihm die auf Sylt gewonnen Erkenntnisse. Sein Restaurant „Schote“ in der Emmastraße in Essen-Rüttenscheid soll gastronomischen Zuwachs bekommen und sich um ein Restaurant im Stadtgebiet erweitern. Es ist geplant, dass es dazu ein Bistro geben soll, welches mit frischer und regionaler Küche auch Gäste abseits der Haute cuisine anziehen soll. Zudem plant er auch außerhalb des Ruhrgebietes die Restaurantmarke unter dem Namen „Müllers“ zu etablieren. Dort will er den vielen Inspirationen, die er auf Sylt gesammelt hat, eine neue Heimat geben. „Knarrende Holzdielen und Landhaus-Stil mit einem gewissen Chic.“
Zunächst soll die Expansion auf das Festland beschränkt bleiben, perspektivisch ist aber auch ein Ausflug auf die Insel möglich. Nelson Müller schmunzelt: „Die Vorstellung ein Restaurant direkt am Meer zu haben, würde mich schon reizen. Aber es muss ja nicht zwangsläufig Sylt sein, oder?“ Und wenn es ein Angebot gibt, was man einfach nicht ablehnen kann? Aktuell ist zu hören, dass absehbar ein neuer Besitzer für die legendäre „Sturmhaube“ gesucht wird. „Wenn das konkret wird, werde ich mich mit dem Gedanken beschäftigen“, gesteht Müller. „Zumindest habe ich ja den Vorteil, dass ich ziemlich genau weiß, worauf ich mich mit Sylt einlassen würde.“