Westerland. Sylt ist Nordsee in Vollendung. Dort liegt nicht nur Deutschlands nördlichster Punkt. Topografie und Natur laden zu ausgiebigen Radtouren oder Wanderungen ein. Der Klassiker dabei ist die durch die faszinierende Dünenlandschaft verlaufende Trasse der alten, im Jahr 1970 eingestellten Inselbahn.

Eigentlich gibt es keine Ausreden. Die Topografie ist flach, und eine besondere Kondition ist auch nicht erforderlich, wenn man den Wind nur richtig berechnet. Es spricht also nichts gegen eine Radtour auf Sylt.

Auch die Routenwahl ist einfach: Der Klassiker ist die alte Trasse der Inselbahn von Westerland nach List oder Hörnum, jeweils rund 18 Kilometer, oft schnurstracks durch eine faszinierende Dünenlandschaft. Selbst Ungeübte brauchen hierfür kaum mehr als zwei Stunden. Und verfahren können sich Radler auch nicht. Nur dass es auf beliebten Strecken an manchen Tagen im Hochsommer ziemlich voll wird.

Ellenbogen, Kliff oder Odde

Wer partout nicht radeln mag, kann wandern: Fragt man Sylter, welcher Wanderweg auf der Insel der schönste ist, fallen Worte wie Ellenbogen, Kliff oder Odde. Fast immer wird auch die Braderuper Heide genannt – ein herrliches, allerdings auch bedrohtes Stück Natur an der Wattenmeerseite von Sylt, dessen Reiz sich schon nach wenigen Schritten erschließt.

Die leicht gewellte Landschaft ist nur zu Fuß zu entdecken. Heide ist in Schleswig-Holstein eher selten, etwa die Hälfte des Vorkommens findet man auf Sylt. Nachdem die Wälder, die es früher hier gab, gerodet worden waren, wirkte Heide der Bodenerosion entgegen und lieferte zugleich Brennmaterial und Streu für den Stall. Es gab Zeiten, da bedeckte Heide das gesamte Gebiet zwischen Kampen und Keitum. Geblieben sind 137 Hektar. Fast die Hälfte der Pflanzenarten stehen auf der Roten Liste, sind vom Aussterben bedroht. Besucher sollten deshalb die markierten Wege nicht verlassen.

Ein Sandzipfel, vom Meer umtost

Ebenfalls ein Muss ist die Hörnumer Odde: Odde ist dänisch und bedeutet Spitze. Und die Hörnumer Odde ist die Südspitze Sylts, ein Sandzipfel, vom Meer umtost. Hier nimmt man die Latschen in die Hand und stemmt sich gegen den Wind, im Ohr nur das Rauschen des Meeres.

Wind und Wellen haben immer mehr von dieser Odde weggespült. Ältere Hörnumer erzählen, dass sie früher in drei Stunden um die Odde gelaufen sind. Wir brauchen die Hälfte. Wie die Kräfte der Natur an der Insel nagen – an der Hörnumer Odde bekommt man eine Ahnung davon.

Der Weg endet am Hörnumer Hafen. Ein Ausflugsschiff, ein paar Muschelfischer, der Krabbenhändler, der Fischimbiss – es geht unspektakulär zu. Hier ist Sylt noch sehr alltäglich.

Kegelrobbe als Touristenattraktion 

Manchmal allerdings bilden sich auch hier wahre Menschentrauben. Und zwar immer dann, wenn Willi da ist: Willi ist eine Kegelrobbe, die eigentlich weiblich ist und Wilhelmina heißt, aber das können sich die Touristen nicht so gut merken. Willi taucht immer dann im Hafenbecken von Hörnum auf, wenn ihr der Sinn nach grünen Heringen steht.

Aus jahrelanger Erfahrung weiß Willi: Wenn sie die Nase zum Wasser herausstreckt, stürzen Touristen los, um beim Fischhändler nebenan für einen Euro das Stück ein paar schmackhafte Heringe zu kaufen. Damit füttern die Touristen dann Willi. Und alle sind glücklich. Die Touristen, weil sie Willi gesehen haben. Willi, weil es mal wieder lecker Fisch gab. Und der Mann in der Fischbude, weil er wieder ein paar Heringe verkauft hat.

Deutschlands nördlichster Punkt

Zwei Leuchttürme, ein paar Häuser und ganz viel Natur – das ist das andere Ende von Sylt, der Lister Ellenbogen, Deutschlands nördlichster Punkt. Fußgänger und Radfahrer haben freien Zutritt, Autofahrer müssen an einer Mautstelle zahlen. Denn das Land befindet sich in Privatbesitz. Dafür hält der Besitzer die Straße und die Parkplätze in Schuss.

Einer dieser Parkplätze liegt an der schmalsten Stelle des Ellenbogens, ganze 330 Meter trennen hier die Watt- und die Seeseite. Gleich hinter der Düne öffnet sich der Blick: Viel ruhiger und friedlicher kann es auf Sylt nicht zugehen. Angler werfen ihre Ruten aus, ein paar Leute nehmen ein Sonnenbad. Nur ins Wasser traut sich niemand, aus gutem Grund: Die Strömung ist lebensgefährlich, an der Spitze des Ellenbogens brodelt das Wasser geradezu.

Die Uwe-Düne und das Rote Kliff

Und dann gibt es noch den höchsten Punkt der Insel: die Uwe-Düne, benannt nach Uwe Jens Lornsen, einem „Sylter Jung“ und Vorkämpfer für die Einheit Schleswig-Holsteins. Sie ist mit 52,5 Metern für Sylter Verhältnisse atemberaubend hoch. Der Ausblick ist famos: die Reetdächer, der schwarz-weiße Leuchtturm, die Hochhäuser von Westerland, die Dünen, das Meer.

Auch interessant

Nur ein paar Fußminuten entfernt liegt mit dem Roten Kliff ein weiteres Highlight. Wohl niemand bleibt unberührt, wenn die letzten Sonnenstrahlen des Tages die Abbruchkante in warmes Rot tauchen. Das Kliff ist rot, weil es rostet: die eisenhaltigen Bestandteile im Geschiebelehm oxidieren. Wer die Uwe-Düne und das Rote Kliff von Kampen aus besucht, absolviert zugleich ein kleines Ertüchtigungsprogramm: 110 Stufen hoch, 46 Stufen runter, 15 wieder hoch, noch mal 119 wieder runter – und wieder zurück. Doch daran denkt hier niemand. Weil man so viel beeindruckende Natur an der Nordseeküste selten bekommt, noch dazu zum Nulltarif.