Berlin. Obwohl der neue Berliner Flughafen BER immer noch nicht in Betrieb genommen wurde, ist das Gelände bereits ein Touristenmagnet. Auf der “Erlebnis BER“-Tour kann man auf dem Vorfeld spazierengehen und eine Rundfahrt über den Flughafen genießen. Ein Angebot, das noch lange Bestand haben könnte.
In einem Haus ohne Bewohner muss man Wohnen simulieren. Sonst gammelt es irgendwann. "Still bewirtschaften" nennt Torsten Schulze das. Er ist der Direktor des "Steigenberger Hotels" am neuen Berliner Flughafen Willy Brandt. Seit einem Jahr drehen seine Mitarbeiter jeden Tag alle Wasserhähne einmal kurz auf und wieder zu. Sie wischen Staub, sie öffnen und schließen die Fenster, und schon vor einer ganzen Weile haben sie alle Möbel von den Teppichen gerückt - Druckstellen-Prophylaxe. "Wir wollen das Gebäude möglichst neu erhalten". Geschlafen hat dort bislang niemand.
Geschichten wie diese erfahren Touristen, wenn sie einen Tagesausflug in die brandenburgische Gemeinde Schönefeld machen, wo der neue Flughafen bereits mehrfach fast eröffnet wurde - und das Hotel mit ihm.
Zwei Dutzend Airport-Touristen zwischen Tower und Terminal
Die Flughafengesellschaft bietet verschiedene Ausflüge über die ruhende Anlage an - stilles Bewirtschaften gewissermaßen. Die Teilnehmer der Tour "Erlebnis BER" dürfen gehen, wo nichts geht: auf dem Vorfeld. "Bitte nicht rauchen, das versteht sich ja von selbst, und nicht zu weit weg vom Bus, bitte", lautet die Ansage der Führerin, kurz bevor sie die drängelnde Gruppe auf das Betonfeld lässt.
Gut zwei Dutzend Airport-Touristen stehen jetzt genau zwischen Tower und Terminal auf dicken Betonplatten, aus denen das gigantische Vorfeld zusammengesteckt ist. Die schmalen Rillen im Beton sind bei jedem Tritt zu spüren. Sie seien für die Bodenhaftung der Flugzeuge, weil die Reifen kein Profil haben, erklärt die Dame vom Flughafen-Marketing. Mehr als ein paar Platten weit weg vom Bus traut sich niemand so recht.
Zwei Stunden "Erlebnis BER"-Tour
"Hier kommst du so schnell nicht mehr hin - nur noch im Flugzeug", sagt ein aufgeregter Mann mit Sonnenbrille und Pferdeschwanz zu einem Mädchen, das wohl seine Tochter ist. Sie nickt schweigend und tippt eine SMS ins Handy. Ob es darin um das Vorfeld geht? Ihr Vater hat jedenfalls recht: Derzeit dürfen die Teilnehmer noch auf dem Vorfeld aussteigen, sagt Flughafensprecher Lars Wagner. Nach der Eröffnung sei das undenkbar. "Wir nutzen natürlich auch die Zeit der Nichteröffnung", erklärt er.
Denn das Vorfeld sei zwar schon nicht mehr öffentlich, aber auch noch kein Luftsicherheitsbereich. Über die öffentlichen Plätze und Straßen des Geländes können Besucher auf eigene Faust einen "Spaziergang durch die Luftfahrtgeschichte" machen. An den Straßenschildern finden sie die sogenannten QR-Codes, die sie mit einer Smartphone-App entschlüsseln müssen, um Informationen über Pioniere wie den Hubschrauberbauer Henrich Focke oder die erste deutsche Pilotin, Melli Beese, zu bekommen.
Überblick vom alten Flughafen Schönefeld
Was auch nicht mehr möglich sein wird, wenn der Flughafen erst einmal eröffnet ist: der Airport-Run. Seit 2010 laufen regelmäßig einige Tausend Sportler über die südliche Start- und Landebahn. In diesem Jahr sollte es eigentlich den letzten Airport-Run geben - abwarten.
Zwei Stunden dauert die "Erlebnis BER"-Tour, die hauptsächlich eine Busrundfahrt ist. Ein Ticket kostet zehn Euro. Der Infotower ist eine weitere Station. Für den Aufstieg auf den in sich gedrehten Aussichtsturm vor dem Haupteingang der Terminals zahlen normale Flughafen-Touristen außerhalb der Erlebnistour zwei Euro. Nach Fußmarsch oder Liftfahrt hat die Gruppe in 32 Metern Höhe einen Überblick vom alten Flughafen Schönefeld über die künftige nördliche Start- und Landebahn bis zum Terminal mit Cargo-Center, Parkhäusern, Bürokomplex - und dem "Steigenberger Hotel" mit seinen gekippten Fenstern.
Erkundung des Flughafengeländes mit dem Fahrrad
Anschließend fährt die Gruppe im Bus einmal um das Terminal, vorbei an Sandsteinsäulen und der imposanten Glasfassade. Dahinter stehen schon die Schalter mit Fronten aus feinem Nussbaumfurnier. Hübsch anzusehen ist der künftige Hauptstadtflughafen, keine Frage.
Unterwegs erfahren die Teilnehmer nette Details, wie die Tatsache, dass ein Venenscanner die zutrittsberechtigten Mitarbeiter beim Betreten des Sicherheitsbereichs identifiziert. Oder dass die kleinen, grünen Quadrate auf dem Boden des Vorfelds die Schnittstellen zu riesigen, unterirdischen Kerosintanks sind und die Flieger zum Tanken nur einen Rüssel in den Boden stecken müssen. Oder dass in den unteren Geschossen des Towers ein Fitness- und Wellnessbereich liegt, in dem die Fluglotsen nach ihren anstrengenden Schichten entspannen.
Ein elegant wirkender Terminal
Neben den Bustouren haben Besucher im Juli und August immer samstags die Möglichkeit, das Gelände mit dem Fahrrad zu erkunden. Auch die Radler bekommen die Extrawurst Vorfeld. Startpunkt ist der Infotower, später geht es über die neue Start- und Landebahn. Für 15 Euro ist ein Lunchpaket inklusive. Drei verschiedene Angebote gibt es für junge Besucher: die Flughafentour für Kita-Gruppen, eine für Schüler von der ersten bis zur achten Klasse sowie die "Ready for Take-Off"-Tour für ältere Jugendliche.
Sehr elegant wirkt das Terminal vom Vorfeld aus. Von der 715 Meter langen Glasfront ragen 16 Passagierbrücken auf die Betonfläche. Hinter den Scheiben warten unter durchsichtiger Plastikplane schwarze Sessel auf Passagiere. "Eigentlich müsste man nur noch mal feucht durchwischen, und es könnte losgehen", sagt die Airport-Führerin auf die zaghafte Frage einer älteren Dame ("Warum jetzt noch mal genau ist der immer noch geschlossen? Feuer?"). Wäre die Sache mit der Entrauchungsanlage nicht. "Die Rohre sind da, die Software ist da, aber die Schnittstelle funktioniert noch nicht", erklärt sie Besuchern mit fragenden Gesichtern. "Na ja, Klappe A weiß vorne nicht, was Klappe Z hinten macht."
Leere S-Bahnen
Im Untergrund tut sich schon etwas. Die S-Bahn rollt unter dem Terminal hindurch - leer, aber tapfer. Sie muss, andernfalls käme nicht genug Luft in den Tunnel, und Schimmel würde sich breitmachen. Da könnten Touristen doch mal eine Runde mitfahren, oder? "Die Idee ist schön, und die hätten wir auch gern umgesetzt", gibt Ingo Priegnitz zu, der Sprecher der Berliner S-Bahn. Die Nachfrage sei auch sicherlich da.
Aber die Brandschutzbestimmungen machen nicht nur oberirdisch viele Striche durch viele Rechnungen. Denn solange das Terminal nicht offiziell brandgeschützt ist, dürfen Touristen nicht in S-Bahn-Zügen unter dem Gebäude hindurchrollen - da kann der Tunnel noch so brandsicher sein. "Und der ist es auch", stellt Priegnitz klar.
Touristen steigen also an der Endstation Berlin Schönefeld aus. Einige Züge bleiben dort dann auch stehen, andere, bis zu 18 am Tag, fahren weiter - und halten die Tunnel frisch. Wie es weitergeht? Priegnitz wirkt ein wenig ratlos: "Bisher hat ja noch niemand Erfahrungen gesammelt mit so einem Problem." (dpa)