Neu Delhi. Das Mini-Königreich Bhutan zwischen Indien und China ehrt seine Monarchen seit Jahrhunderten. Politiker der Gegenwart gelten dagegen als streitsüchtig. Entsprechend wenig trägt die kommende Wahl am 13. Juli zum weltweit einmaligen Bruttoglücksprodukt des Himalaya-Volkes bei.
Zu den Wahlurnen müssen die Bhutanesen an diesem Samstag oft stunden- oder tagelang laufen, auf Maultierpfaden und über wilde Flüsse. Viele Menschen in dem kleinen Himalaya-Staat werden die Reise wohl gar nicht erst antreten. "Die Wahlen erzeugen Furcht, denn die Menschen wissen nicht, welcher Partei sie trauen können - wohingegen sie einen beständigen Glauben in die Monarchie haben", sagt der politische Analyst Gyambo Sithey.
Die Wähler des 708 000 Einwohner zählenden Landes dürfen erst zum zweiten Mal die Nationalversammlung bestimmen. Die Transformation von einer Jahrhunderte alten Monarchie zu einer Demokratie wurde vom früheren König Jigme Singye Wangchuck 2005 eingeleitet. Wie er ist auch sein Sohn, der 33 Jahre alte heutige Monarch Jigme Khesar Namgyel Wangchuck, überall im Land beliebt. Politiker hingegen nehmen viele Menschen in dem buddhistischen Land, das zwischen Indien und China liegt, als streitsüchtig und unehrlich wahr. "Sie sind der Meinung, Politiker würden um jeden Preis gewinnen wollen und interessierten sich kein Haar breit für die Interessen des Landes und die traditionellen Werte", sagt Sithey, der ein Buch über Bhutans junge Demokratie geschrieben hat.
Wahre Macht liegt noch im Königspalast
In einem ersten Durchgang Ende Mai entschieden die Wähler, welche beiden Parteien es in die Stichwahl schaffen. Nun tritt die regierende Partei für Frieden und Wohlstand (DPT) an gegen die Volksdemokratische Partei (PDP), die die konstitutionelle Monarchie ebenfalls erhalten will. Die wahre Macht liegt noch immer im Palast und nicht im Parlament, wie Kunkhen Dorji betont, der als Analyst im Institut für Frieden- und Konfliktstudien im indischen Neu Delhi arbeitet.
"Unsere Demokratie ist neu, sie wird Zeit brauchen zu wachsen und zu reifen", sagt Dorji. Der 25-jährige Bisham Rai in der Hauptstadt Thimphu ist jetzt schon bestürzt über die Korruption und die politischen Schlammschlachten im Wahlkampf. "Die Parteien geben große Versprechen ab, das macht die Leute argwöhnisch", findet er.
Neue Parteien sind angetreten
Beobachter befürchten eine wachsende Desillusionierung in dem Land, das seinen Fortschritt in seinem einzigartigen Bruttoglücksprodukt misst. Dabei setzt sich der Index aus der Zufriedenheit mit Umwelt, Bildung, Kultur und den eigenen Perspektiven zusammen.
Während bei der Wahl vor fünf Jahren noch 80 Prozent zur Urne gingen, waren es im Mai nur noch 55 Prozent der 381 790 Wahlberechtigten. Die Wahlkommission weist allerdings darauf hin, dass in diesem Jahr drei neue Parteien angetreten seien - was als Zeichen des Interesses in die Demokratie gewertet wird.
Erst seit der jahrhundertwende gibt es TV in Bhutan
Favorit ist erneut die PDP, die derzeit 45 der 47 Sitze innehat. Sie ist vor allem bei der Landbevölkerung des lange isolierten Landes beliebt, das sich erst langsam öffnet. 1971 trat Bhutan den Vereinten Nationen bei, erst um die Jahrhundertwende wurde das Fernsehen eingeführt. Die Menschen in den Dörfern sind Analyst Sithey zufolge beeindruckt von den besseren Straßen, der Infrastruktur und den Handy-Netzen.
Doch sie könnten vor "Wahl-Erschöpfung" zu Hause bleiben, meint der Sprecher der Wahlkommission, Sherab Zangpo. Denn im April wurde bereits ein neues Oberhaus (Nationalrat) bestimmt, dann folgte die Abstimmung im Mai. Für mache scheint Wählen eher eine Pflicht als ein Recht zu sein. "Demokratie ist ein Geschenk unseres Königs", sagt der 29-Jahrige Khem Chhetri. Sein Fazit: "Als gute Bürger müssen wir unsere Stimme abgeben."