Zypern. Schöne Strände, eine bewegte Geschichte und ein beachtlicher Kultur-Mix. Das alles bietet Zypern, doch seit der Eurokrise bleiben die Touristen fern. Dabei hatte es die Urlaubsinsel zwischen den preiswerteren Touristenhochburgen Griechenland und der Türkei noch nicht wirklich leicht.

Fehlt eigentlich nur noch Aphrodite. Die Göttin der Liebe und Schönheit soll hier auf Zypern dem Schaum des Meeres entstiegen sein. Die Location jedenfalls wäre ideal für einen erneuten sagenhaften Auftritt. Wir sitzen am Strand der „Thalassines Beach Villas“ unter einem Baldachin, dessen Blätterdach der Sonne den Stachel nimmt, und blicken aufs Meer wie Menschen eben so aufs Meer blicken. Tiefenentspannt. Versonnen. Verträumt. Kräuselt dort vorne nicht die Wasseroberfläche? Da wird doch nicht… ? Nein, schade, denn ein bisschen Aphrodite könnte der von Krisen geplagten Insel jetzt ganz gut tun.

Andreas Limbourides (50) ist der Chef des kleinen Paradieses mit Strand, er kennt die Sorgen der Zyprer nur zu gut: „Die wichtigste Nachricht, die ich nach Deutschland schicken will: Ihr könnt hier ohne Probleme Urlaub machen. Es gibt genug zu essen und zu trinken in den Supermärkten. Es gibt genug Benzin, es gibt genug Bares in den Automaten und es gibt niemanden, der wegen der Folgen der Eurokrise irgendwelche Aggressionen gegen Deutsche hat.“ Der einzige Mangel ist der Mangel an Urlaubern. Zwei Millionen waren es im Schnitt jedes Jahr, 150.000 davon aus Deutschland. Belastbare Zahlen für dieses Jahr liegen noch nicht vor. Es sollen aber deutlich weniger sein.

Die Touristen fehlen

Mama Eva kann das Thema mit ein paar Fakten aus der Praxis vor Ort anreichern. Die 70-jährige Eva Kiriasis kocht im Ploumin, der Taverne ihres Sohnes Costas im benachbarten Sotira. Sie hat eigentlich gerade ganz andere Sorgen, denn Knie und Hüften versagen ihr nach einem Arbeitsleben auf dem Feld den Dienst, nach der letzten Operation geht sie am Stock, aber natürlich steht sie jeden Abend am Herd. Familienpflicht, Ehrensache. „Der letzte Winter war schlimm. Wir machen unsere traditionellen Gerichte alle frisch, bereiten lange vor, und dann saßen wir hier und kein einziger Gast kam.“ Das war bitter für sie, nicht nur finanziell gesehen, die Verschwendung von Lebensmitteln ist für Menschen wie Mama Eva noch weit bedrückender.

Jetzt läuft es wieder etwas besser, Touristen sitzen gerade an zwei, drei Tischen draußen im Innenhof. Mama Eva blickt zurück: „Noch vor zwei Jahren hatten wir an manchen Abenden 50 oder 60 Touristen hier, die Zahl ist auch zurückgegangen, weil immer mehr Leute in diese All-Inclusive-Hotels reisen und nicht nach draußen gehen.“ Ihr Sohn Costas (47) hat ausgerechnet, dass die Zahl der Gäste um etwa 30 Prozent zum Vorjahr gesunken ist. „Aber ich habe das Restaurant vor 20 Jahren aufgebaut, ich mache jetzt auch weiter, allein schon aus Stolz.“ Mama Eva steht auf, stützt sich auf die Krücke und geht nach hinten in die Küche. Das Stifado ist noch nicht fertig, der Eintopf aus Fleisch, vielen Zwiebeln und Weinessig, dessen Zubereitung sie so gut beherrscht.

Zypern hat es nicht leicht zwischen Griechenland und der Türkei 

Im Capo Bay Hotel in Protaras Beach ganz im Osten der Insel sind die Gästezahlen auch gesunken. Aber Tourismus-Manager Sotos Stephanou (49) ist so ein typischer „Macher“, der auch der größten Krise stets noch etwas Positives abgewinnt, sie eher als Herausforderung sieht. „Das Schlimmste haben wir hinter uns. Und die Krise wird uns ein gutes 2014 bescheren. Immerhin hat sie Zypern in die Schlagzeilen gebracht und so überhaupt erst mal ins Bewusstsein vieler Leute. Aber man muss was tun.“ Er tut.

Das Capo Bay trägt jetzt den Beinamen „Art-Hotel“. Stephanou hat bekannte zyprische Künstler gewinnen können, einige Werke im Hotel auszustellen, gerade lässt er die Außenwände durch eine Aktion verschönern. Mit Farbe gefüllte Ballons werden zum Platzen gebracht, der Zufall malt ein buntes Bild.

Bewegte Geschichte mit beachtlichem Kultur-Mix

Am Tennisplatz daneben entsteht eine künstliche Flaniermeile, auch hier sollen Graffiti-Künstler die Wände verschönern. Musiker sollen die Touristen locken, drei dieser großen amerikanischen, silbern glänzenden Wohnwagen wurden ins Land geschifft, um die Bars und Snack-Shops zu beherbergen. „Wir werden es schaffen“, sagt Stephanou, „und die Sonne scheint ja zum Glück noch immer“.

Die Tourismus-Planer auf Zypern wissen natürlich, dass sie es als Destination nicht leicht haben zwischen Griechenland, dem Original sozusagen, und der Türkei, dem deutlich günstigeren Urlaubsland. Allerdings hat die Insel durch ihre bewegte Geschichte mit ständig wechselnden Machthabern einen beachtlichen Kultur-Mix zu bieten.

Die Teilung Zyperns sitzt noch immer tief 

Byzantinische Kirchen, venezianische Bastionen, fränkische Gotik, es gibt viel zu sehen. Und zu schmecken: Die Küche ist von griechischen, türkischen und arabischen Gerichten aufs Leckerste beeinflusst worden. Dazu gibt es eine besondere Sehenswürdigkeit, die man eigentlich nicht so nennen darf, weil so viel Kummer und Leid hinter der Geschichte steht.

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Seit 1974 ist die Insel geteilt in türkischen Norden und griechischen Süden. Seit 2008 kann man mit einem kostenfreien Visum die Seite wechseln. Was besonders für ältere Deutsche ein denkwürdiges Unterfangen ist, erinnert die Szene doch an die Zeit vor der Wende, auch wenn die Lage hier deutlich entspannter ist als seinerzeit in Berlin oder Helmstedt.

Hauptsache, die Touristen kommen zurück

Trotzdem sollte man Gespräche über die Teilung der Insel sensibel führen. Vor allem mit älteren Zyprern. Die Vertreibungen damals haben tiefe Wunden hinterlassen, vergleichbar vielleicht mit Schlesiern oder Ostpreußen in Deutschland nach dem Weltkrieg.

Andreas Limbourides, der mit mir noch immer unter dem Baldachin sitzt, weiß davon zu berichten. Elf Jahre war er alt, als er 1974 mit seinen Eltern aus dem Haus in Famagusta fliehen musste. In Shirt und Shorts. Das hat ihn natürlich geprägt – wie alle Zyprer in seinem Alter. Es hat ihn verletzt und auch stark gemacht. Und so ist es eine gängige Formel auf der Insel: Wir haben es 1974 geschafft, wir werden es jetzt wieder schaffen.

Das Meer vor uns ist wieder ganz ruhig. Aphrodite ist nicht gekommen. Nicht ganz so schlimm, sagt Andreas, Hauptsache die Touristen kommen zurück.