Kapstadt. Der botanische Garten von Kirstenbosch gehört zu den Touristenmagneten von Kapstadt. Seit 100 Jahren wachsen hier exotische und vielfältige Pflanzenarten auf insgesamt 36 Hektar. Der älteste Baum des Gartens soll gar vom Kolonie-Pionier Jan van Riebeek gepflanzt worden sein.
"Und jetzt Wasser treten“, ruft der Vorturner. Zehn Männer und Frauen in weißen Jacken heben die Füße wie Störche in die Luft und setzen sie wieder in ein imaginäres Wasserbecken. Es ist neun Uhr morgens, und die Köche und Küchenhelfer des Restaurants Moyo im botanischen Garten von Kirstenbosch bei Kapstadt bereiten sich mit Morgengymnastik auf den Ansturm des Tages vor – unter den schmunzelnden Blicken der ersten Besucher.
Der Vormittag ist die beste Zeit, um Kapstadts botanischen Garten zu erleben: Dann nämlich taucht die Sonne die Hänge des Tafelbergs, an denen die Anlage liegt, in das schönste Licht. Jogger traben über die gepflasterten Wege, vorbei an Scharen plappernder Kinder in blauen Schuluniformen. Familien breiten Decken auf den Grasflächen aus. Der Nachwuchs stürzt sich auf den Picknickkorb. Blütenduft liegt in der Luft. „Kirstenbosch ist die grüne Seele von Kapstadt“, sagt Andrew Jacobs, der täglich Besucher durch den Park führt. Der betagte Gärtner ist prädestiniert für diese Aufgabe: Die gute Laune scheint ihm nicht auszugehen, ebenso wenig wie die Begeisterung für „seinen“ Garten. „Laut Top-Botanikern ist er einer der sieben schönsten der Welt“, schwärmt Jacobs.
Dieses Jahr hat Jacobs besonders viel zu tun, denn Kirstenbosch feiert seinen 100. Geburtstag: Am 1. Juli 1913 wurde der Garten gegründet, damals mit einem Budget von 1000 Pfund im Jahr. Wildschweine wurden dafür verjagt, aus Europa eingeschleppte Pflanzen vernichtet, Wege und Beete angelegt. Heute bedeckt der Park mehr als 36 Hektar inmitten eines 528 Hektar großen Naturschutzgebietes, zählt mehr als 9000 Pflanzenarten und gehört als Teil des Kap-Pflanzenreiches zum Weltkulturerbe der Unesco. „In der Kapregion findet man auf kleinstem Raum die höchste Konzentration von Pflanzenarten weltweit“, sagt Jacobs. Etwa zwei Drittel der Arten seien hier endemisch, darunter so seltene wie der Silver Tree: „Davon existieren gerade mal noch drei Haine, alle hier am Tafelberg.“
Jacobs muss es wissen, denn er arbeitet seit 57 Jahren in Kirstenbosch. Dann zeigt er uns den ältesten Baum von Kirstenbosch: Es ist ein wilder Mandelbaum, dessen Äste sich wie die Fangarme einer Krake mehrere Meter in alle Richtungen winden. Es sei überliefert, so Jacobs, dass der Baum 1660 vom Holländer Jan van Riebeeck gepflanzt wurde, dem Gründer der Kapkolonie.
„Mandelas Gold“ steht direkt am Parkeingang
Auch spätere Besitzer von Kirstenbosch hinterließen in dem Garten ihre Spuren: Die ersten Siedler nutzten die Hänge zum Holzabbau, einige ihrer Pfade werden heute noch benutzt. Anfang des 19. Jahrhunderts besaß Colonel Christopher Bird das Gebiet: Er vermachte der Nachwelt einen kleinen Swimmingpool in Form eines Vogels – ein romantischer, verwunschener Platz inmitten des heutigen Parks.
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1895 kaufte Cecil John Rhodes Kirstenbosch. Der Premierminister der Kapkolonie ließ eine Allee aus Feigenbäumen pflanzen, die heute ein schattiges Dach über dem Eingangsbereich bildet.
Sogar Nelson Mandela hat sich hier verewigt: Dem ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas wurde bei seinem einzigen Besuch in Kirstenbosch eine Pflanze gewidmet: „Mandelas Gold“ steht direkt am Parkeingang.
Im Laufe der Jahre kamen auch immer neue Abteilungen hinzu: ein so genanntes Arboretum mit 450 Baumarten. Ein „verzauberter Wald“ mit Drachenbäumen oder eine große Sektion mit Proteen, Südafrikas Nationalblumen, die im Herbst rosa, lila und cremefarben blühen. „Ihr habt noch nicht genug?“, fragt Jacobs zum Ende unseres Besuchs, und zeigt auf einen schmalen Pfad in Richtung einer Felswand. „Hier geht es direkt auf den Tafelberg: 900 Höhenmeter durch unberührte Vegetation – auch dort findet Ihr jede Menge seltener Pflanzen des Kap-Pflanzenreichs.“