Frankfurt/Main. Im Kampf gegen den Taschendiebstahl an Bahnhöfen und Flughäfen geht die Bundespolizei ungewöhnliche Wege. Um Reisende auf ihrer Unachtsamkeit aufmerksam zu machen, werden sie zuweilen manchmal selbst zu Langfingern. Eine besondere Methode, die aber Erfolge zeigt.
Seit Minuten friemelt der junge Mann am Fahrkartenautomaten der Deutschen Bahn herum. Neben ihm liegt eine eingepackte Gitarre auf dem Boden, zwei Koffer stehen hinter ihm. Detlev Grünspek beobachtet die Szene am Fernbahnhof des Frankfurter Flughafens. "Ich könnte jetzt selbst hier als Uniformierter vorbeigehen, den Koffer mitnehmen, das würde die Person gar nicht mitkriegen", sagt der Beamte der Bundespolizei. Der Beauftragte für Kriminalprävention kennt die Tricks der Taschendiebe. Und seine Kollegen tun Ungewöhnliches, um Gaunern die Tour zu vermiesen. Um Passanten zu warnen, versuchen sie sich selbst schon mal als Langfinger.
Mehrmals pro Jahr sind Polizisten in Zivil deshalb im Regional- und Fernbahnhof des Airports unterwegs. Sie nehmen Reisenden für einen Moment Rucksäcke weg, ziehen Trolleys einige Meter davon. "Man muss da immer sehr vorsichtig agieren, damit nicht einer erschreckt oder einen Herzinfarkt bekommt", sagt Bundespolizei-Sprecher Christian Altenhofen. "Das ist ja schon ein Schreckensmoment. Aber dann merken die Leute: Aha, der hat's wirklich geschafft, mir was wegzunehmen. Und da muss ich vorsichtiger sein." Auch Visitenkarten schieben die Ermittler unbemerkt in Taschen. Die Nachricht: "Sie hätten jetzt bestohlen werden können. Ihre Bundespolizei."
Viele Diebe nehmen gleich ganze Gepäckstücke mit
In den beiden Bahnhöfen wurden im vergangenen Jahr 459 Diebstähle angezeigt. Oft werden die Leute auch schon im Zug beklaut. "Wir nennen das dann "Rollender Tatort"", sagt Altenhofen. Auf dem Flughafengelände selbst nimmt die Landespolizei Diebstähle auf, in den Terminals wurde 2011 rund 70 mal aus Jacken- oder Handtaschen gestohlen. "Das ist nicht viel", sagt eine Sprecherin der Frankfurter Polizei. Viele Diebe machten sich aber nicht mehr die Mühe, mit Tricks einzelne Wertsachen aus Taschen zu fischen. Stattdessen nähmen sie gleich ganze Gepäckstücke mit. Laut Statistik wurden 2011 etwa 500 bis 600 Koffer und Gepäckstücke am Flughafen geklaut - etwa 50 davon direkt an der Gepäckausgabe.
Werden Reisende noch vor ihrem Flug bestohlen, sind oft Ticket und Personalausweis weg. "Das ist immer eine Tragik", sagt Altenhofen. "Die wichtigen Unterlagen werden ja meist in der Tasche aufbewahrt. Und dann haben Sie natürlich den Riesenärger." Nicht immer muss der Urlauber dann am Boden bleiben. Buchungen sind heute elektronisch gespeichert, ein geklautes Ticket ist also kaum noch ein Problem. Wird einem Passagier vor seinem Flug nach Mallorca der Pass geklaut, kann er sich ans Service-Center der Bundespolizei wenden. "Wir versuchen dann, Ihnen einen Reiseausweis als Passersatz auszustellen. Es muss also nicht zwangsläufig die Reise ausfallen", sagt Altenhofen.
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Trickdiebe arbeiten oft im Team: Einer fragt die Passantin mit einer Karte nach dem Weg, der andere stibitzt ihr das Handy, ein Dritter bringt die Beute fort. "Richtig organisiert auf dem Bahnsteig arbeiten die mit bis zu sechs Leuten. Die werden über viele, viele Monate hinweg auf diese Einsätze vorbereitet", erklärt Grünspek. Erwischen müssen die Fahnder dann die ganze Truppe. "Sonst fehlt ihnen nachher das Diebesgut, das ein wesentliches Beweismaterial ist. Das wäre dann wie ein Mord ohne Leiche", sagt sein Kollege Altenhofen. Damit Ganoven wenig Chancen haben, weisen Polizisten auch in Uniform auf Gefahren hin. Nicht immer stoßen sie auf offene Ohren. Besonders beratungsresistent, berichten die Ermittler, seien Vielreisende und Flugbegleiter.