Elche. Die spanische Semana Santa, die heilige Woche zwischen Palmsonntag und Ostersonntag, ist bekannt für ihre unzähligen Osterprozessionen. Doch während die meisten Prozessionen eher Trauerzügen gleichen, wird es in Elche nahe der Stadt Alicante richtig bunt.

Es ist nichts mehr zu sehen. Wir sind wie blind. Vor uns, hinter uns, über uns: überall Papier. Es regnet von den Terrassen, von den Balkonen und sogar von den Hausdächern. Der Wind verteilt die roten, blauen, gelben und grünen Bilder in der ganzen Stadt. Einige fliegen bis in den berühmten Palmenwald El Palmeral, andere trägt der Wind bis auf die Orangen-, Oliven- und Mandelfelder vor der Stadt.

Wie viele Orte in Spanien ist Elche bekannt für seine Osterprozessionen in der Semana Santa, der heiligen Woche von Palmsonntag bis Ostersonntag. Doch in der 230.000-Einwohner-Stadt südlich von Alicante folgt man einer besonderen Tradition: Bei der Prozession am Ostersonntag füllt sich die Luft mit einem bunten Blätterwust. Tausende sogenannter Hallelujas, kleiner kopierter Zettel mit Heiligenbildchen und Bibel-Sprüchen, werfen die Bewohner hoch. Der Himmel ist dann voller Papier.

Ein Fest der Freude und des wieder erwachenden Lebens

Die Vorbereitungen für die „Prozession der Hallelujas“, wie die Einheimischen sie nennen, beginnen bereits am frühen Morgen: Kaum wird es hell, versammeln sich die Menschen in festlicher Kleidung auf den Straßen. Gespannt warten sie darauf, dass die Figuren des auferstandenen Jesus Christus und der Stadtpatronin Elches, der Virgen de la Asunción, auf ihren mit Rollen versehenen Osterthronen durch die Straßen geschoben werden. Während die meisten Karwochen-Prozessionen in Spanien eher Trauerzügen gleichen, ist das Fest zu Ehren des Auferstandenen und der Stadtheiligen ein Fest der Freude und des wieder erwachenden Lebens nach der Kälte des Winters. Sogar die Nazarenos, die Büßer, treten an diesem Tag ohne die für sie typischen Kapuzen auf.

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Wenn um 10.30 Uhr die Mitglieder der Cofradía Cristo Resucitado, der Bruderschaft des auferstandenen Christus, die Jesus-Figur aus der Pfarrkirche San Agatángelo hinaus ans Licht tragen, sind die Straßen bis zum Bersten gefüllt. An den Absperrgittern findet sich kaum noch ein Platz. Fast die ganze Stadt ist jetzt auf den Beinen. Zur selben Zeit schieben in einer feierlichen Zeremonie nur ein paar hundert Meter weiter andere in einer zweiten Prozession den Osterthron der Jungfrau der Auferstehung aus der Basílica de Santa María. Dann rollen beide durch die Stadt. Dort, wo der Auferstandene und die Jungfrau vorbeikommen, regnet es Tausende von Heiligenbildchen. Der Zug versinkt in Papier.

Eine der schönsten Prozessionen 

Auch immer mehr Besucher aus dem Ausland stehen am Straßenrand, um sich das Spektakel anzusehen. International bekannt ist Elche aber vor allem durch seine Palmengärten geworden. Im 18. Jahrhundert umfasste der Palmenwald im Herzen der Stadt, der auf die Araber zurückgeht, fast eine Million Bäume. Heute ist er kleiner, doch noch immer die größte Palmenpflanzung Europas: Insgesamt 200.000 Palmen wachsen in den Stadtgärten und in den Palmenhainen vor der Stadt.

Im Jahr 2000 wurden die Plantagen von der Unesco zum Welterbe erklärt. Die Manufakturen liefern das ganze Jahr über Flechtwerk wie Körbe und Besen und für Palmsonntagsprozessionen in ganz Spanien den Palmenschmuck. Elche selbst verfügt über eine der schönsten Prozessionen am Palmsonntag. Bunter und ausgelassener ist jedoch die Halleluja-Prozession am Ostersonntag. Haben sich die beiden Heiligen auf den Weg gemacht, sind überall in der Stadt fröhliche Gesichter zu sehen. Bis zu 60.000 Menschen versammeln sich jedes Jahr am Ostersonntag in den Straßen. Unter den Fenstern sind dann spanische Fahnen gehisst.

Ganze Generationen auf den Balkonen

Ganze Generationen sind auf den Balkonen: Kinder, Eltern, Großeltern. Alle werfen sie die bunten Bilder in die Luft. Viele der Heiligendarstellungen werden noch vor der Landung aus der Luft gepflückt: Sie sollen Glück bringen. Doch die meisten segeln auf den Boden, bis er mit Papier bedeckt ist. Begleitet wird das Spektakel von den Musikkapellen und Trommelwirbeln der Bruderschaften.

Der Höhepunkt der Prozession ist allerdings erst erreicht, wenn sich die Figuren des auferstandenen Jesus Christus und der Stadtpatronin an der Kreuzung der Straßen Reina Victoria und Jorge Juan treffen. Ganz Elche versinkt dann im Jubel der Massen. Haben der Auferstandene und die Jungfrau am Ende der Prozession den Weg zurück an ihre Ausgangsorte gefunden, wird in der Basílica de Santa María eine feierliche Messe gehalten.

Wer in dem Gotteshaus keinen Platz gefunden hat, der sieht sich den Gottesdienst zu Hause im Fernsehen an. Nur nicht die Reinigungskräfte, denn die müssen die Stadt vom Papier befreien: Etwa eine Million Heiligenbildchen, so wird geschätzt, rieseln jedes Jahr am Ostersonntag auf Elche nieder.