Korea. Seit 60 Jahren herrscht zwischen Nord- und Südkorea offiziell Krieg. Die Demilitarisierte Zone teilt die beiden Länder und dient seit 2002 als Touristenattraktion. Als ein letztes Überbleibsel des Kalten Kriegs ist es heute noch Zeugnis des Kampfes zwischen Kapitalismus und Kommunismus.
"Los geht’s, sehen wir uns ein paar Nordkoreaner an.“ Gina Lee klatscht in die Hände und sieht sich im Bus um. Nur ein Platz ist bei dem Ausflug frei geblieben, den die Touristenführerin in die Demilitarisierte Zone (DMZ) zwischen Nord- und Südkorea begleitet. Seit 2002 werden Besucher der südkoreanischen Hauptstadt Seoul in die Grenzregion gebracht und mit dem Kalten Krieg konfrontiert, den sich die beiden Bruderstaaten schon 60 Jahre lang liefern.
Es ist der alte Kampf zwischen Kommunismus und Kapitalismus, zwischen Ost und West. Während Amnesty International die prekäre Menschenrechtslage in Nordkorea beklagt, ist man in der zwölf Millionen Einwohnerstadt Seoul auf der Suche nach Grundstücken für immer neue Wolkenkratzer. Die drei Quadratkilometer große US-Militärbasis Yeongsan, in der die Hälfte der 27.000 amerikanischen Soldaten in Südkorea stationiert ist, soll deshalb bald aus Downtown Seoul weichen.
An der gefährlichsten Grenze der Welt
Ginge es nach dem Willen der Nordkoreaner müssten die Amerikaner gleich ganz von der Halbinsel verschwinden. Stattdessen stehen sich die Soldaten beider Länder in Panmunjom, nur 50 Kilometer von Seoul entfernt, direkt gegenüber. Es ist der Höhepunkt einer Tour in die Demilitarisierte Zone. „Habt ihr Angst?“, fragt Gina Lee als der Bus die „Joint Security Area“, die gemeinsame Sicherheitszone in Panmunjom, erreicht. Die Straße ist blockiert, an den Seiten Stacheldraht. Ein Soldat steigt in den Bus und kontrolliert die Pässe. 450.000 Touristen kommen pro Jahr in die Sperrzone, um die gefährlichste Grenze der Welt zu sehen.
Für ihre Sicherheit im „Feindgebiet“ ist heute der US-Gefreite Beasley verantwortlich. Vor allem im Sommer sei hier die Hölle los, erzählt der junge Mann aus West Virginia. „Wir sind hier drei Touristenführer und jeder von uns begleitet bis zu 300 Besucher am Tag.“ Auch die Nordkoreaner würden manchmal Touristen herbringen. „Dann heißt es, wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, sagt Beasley. Denn die himmelblauen Baracken, die genau auf der Grenze stehen, können von beiden Seiten betreten werden. Keine Mauer. Kein Stacheldraht. Nur eine schmale Grenzmarkierung, kaum höher als eine Bordsteinkante. Der Feind in olivgrüner Uniform steht nur wenige Meter entfernt. Und lebt doch in einer anderen Welt.
Westliches Flair in Ostasien
Ein Stadtteil wie Gangnam wäre im Norden undenkbar. In nur einer Straße reihen sich hier 250 Schönheitschirurgen aneinander. Ganze Hochhäuser sind mit H&M-Werbung tapeziert. In den Einkaufszonen beschallen Shops von Lacoste und Diesel die Straßen. Ein roter Ferrari röhrt vorbei, junge Leute mit trendigen Brillen schlendern mit Kaffeebechern von Starbucks an den Schaufenstern entlang.
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Auch das Niemandsland der eine Autostunde entfernten Sperrzone trägt die Handschrift des Kapitalismus. Neben dem Ticket-Schalter ist eine kleine Kirmes mit Kettenkarussell und fliegendem Holländer aufgebaut. Auf den Parkplatz passen hundert Reisebusse. Uniformierte Plastikfiguren stehen bei einem Stacheldrahtzaun, der mit beschriebenen Bändchen, Fahnen und Kunstinstallationen in Neonfarben als Fotomotiv dient. In einem kleinen Kino dröhnen in einem Propagandastreifen Flugzeuge in schwarz-weiß über die Leinwand, dazu verkündet eine pathetische Stimme „Frieden und Hoffnung“. Einige Meter weiter verkauft ein Souvenirladen Brandy aus Pjöngjang.
Alltag vor gigantischer Drohkulisse
In den Bars von Gangnam hängen dagegen Plakate, auf denen der südkoreanische Sänger Psy für einen 20-prozentigen Reisschnaps wirbt. Sein „Gangnam Style“ dröhnt aus den Clubs, hin und wieder flimmert eine koreanische Variante der Backstreet Boys über die Musikkanäle. Nachts herrscht hier eine Atmosphäre wie am New Yorker Times Square: Riesige Bildschirme zeigen Werbefilme in Endlosschleife, Leuchtreklame taucht die Gesichter der Masse in digitales Licht. In der Luft hängt der Fettgeruch der kleinen Garküchen. Der Alltag in Seoul geht weiter. Trotz der gigantischen Drohkulisse, die das nordkoreanische Regime aufbaut.