Grächen. Das Skigebiet Grächen liegt im Süden der Schweiz. Neben zahlreichen Pisten gibt es hier auch einen Kinderpark, den alle Gäste kostenlos nutzen können. Doch wie kommen Kinderkino, Märchengondeln und Animation bei den Kleinen an? Frederik Jötten berichtet undercover aus dem Kinderparadies.

Mein Ski-Tag als Kind beginnt damit, dass ich mich vordrängele an der Talstation der 8er-Gondelbahn. Sorry, aber so sind wir Kinder – es ist nämlich eine ganz besondere Gondel. Sie sieht von außen aus wie ein Lebkuchenhaus und das kann ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Ich setze mich auf die Bank. Als sich die Tür geschlossen hat und die Fahrt nach oben beginnt, erklingt eine warme Stimme. „Es war einmal…“

Wir sind in Grächen, im Kanton Wallis im Süden der Schweiz. Im letzten Jahr hat man die Seilbahn erneuert und dabei zehn der Gondeln zu Märchengondeln gemacht, in jeder läuft ein anderes.

Grächen hat an der Bergstation dieser Seilbahn auf der Hannigalp außerdem den größten Schnee-Kinderpark der Schweiz, ein Kinderrestaurant, ein Kinderkino im Iglu, ein Kinderanimationsprogramm – ich will mich einschleichen als Undercover-Kind, um zu überprüfen, ob das auch wirklich alles so super ist, wie die großen Grächener sagen.

Kinderpark kann kostenlos benutzt werden

Den Kinderpark können alle Gäste des Skigebiets kostenlos benutzen, aber als Kind muss man ja auch Skifahren lernen und außerdem wollen die Eltern in Ruhe über die Piste heizen. Deshalb großes Gewusel um 9.45 Uhr – Treffen der Skischulklassen, alle Jungen und Mädchen scheinen hier zu sein. Ich werde bei den blauen Prinzen eingestuft.

Die Namen sind allerdings allesamt so gewählt, dass man sich schon recht versiert fühlt. Blau heißt: „Deine Ski-Karriere ist noch jung und du hast Großes vor.“ Prinz heißt: Unter denen bist du noch der Schlechteste, denn es gibt noch die Level „King/Queen“ und „Star“. Aber auf dem Niveau, auf dem ich eingeschult werde, geht es in den Sisu-Kinderpark – und genau da will ich ja hin.

Sieben Kinder stehen im Halbkreis um Cindy herum. „Guten Morgen – wir haben einen neuen Schüler: Frederik“, sagt sie. Als Kind in der Skischule war ich früher immer der Schmächtigste, jetzt gehen mir meine Skischul-Kollegen höchstens bis zum Bauchnabel, das ist schon mal ein besseres Gefühl.

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Das Geschick der Kinder ist größer geworden

Dann geht es los, auf den Zauberteppich, ein Förderband. Man stellt sich einfach drauf und wird nach oben gezogen, rausfallen unmöglich. Das gab es zum meiner Zeit in der Skischule noch nicht. Ein weiterer Vorteil: Mir fällt auf dem Weg nach oben gleich mal der Handschuh hin. Ich erschrecke, auf dem Skilift wäre das eine Skischulklassen-Katastrophe, weil die Lehrerin hätte aussteigen müssen, um den Handschuh zu retten. Fast hätte ich schon laut nach Cindy gerufen. Aber hier fährt das Gummiband unter mir samt Handschuh einfach mit nach oben, wie praktisch!

Oben verteilt Cindy Ringe, vom Durchmesser so groß wie eine Langspielplatte. Dann fährt sie Pflugbogen, mit dem Ring lenkt sie, als ob sie hinter dem Steuer eines Autos säße. Wir hinterher – besonders beliebt bei meinen kleinen Kollegen: „Tuuut, Tuuut“ zu rufen. Mit unserer Huporgie bahnen wir uns den Weg zum Tellerlift.

Seit den 80er Jahren hat sich viel verändert 

Der Tellerlift ist das absolute Skitrauma meiner Kindheit. Ich erinnere mich noch gut daran, wie mir der Teller immer zwischen den Beinen durchflutschte, ich mich dann mit beiden Händen daran festklammerte, bis die Kraft mich verließ und ich aus dem Lift fiel. Ich befürchte, dass einige Kinder an dieser Aufstiegshilfe scheitern könnten – eventuell auch ich, denn Tellerlift bin ich seit Ewigkeiten nicht mehr gefahren. Doch nicht nur die Technik eines solchen Lifts ist besser, auch das Geschick der Kinder ist größer geworden. Selbst meines – diesmal falle ich auch nicht aus dem Lift.

Nach dieser Lektion geht es wieder in Kurven bergab. Ich will als Letzter in der Gruppe fahren und lerne Sven kennen, den Kleinsten, sechs Jahre alt. „Nein, ich fahre immer als Letzter“, ruft er mir zu. Als ich mich kurz später umdrehe, sehe ich warum. Sven hält nicht viel von Kurven. Er rast geradeaus den Berg runter, dann neben der Piste über ein paar Buckel.

Ich hinterher, will schließlich auch zu den Coolen gehören. Ohne Stöcke auf eisigen Rippen verliere ich allerdings das Gleichgewicht, rudere wild mit den Armen. Fast hätte ich mich hingelegt. Peinlich, direkt vor dem Aufzug und vor allem: direkt vor Cindy. Ich schwöre mir, in Zukunft wieder meiner Lehrerin zu folgen – und nicht Danger-Sven.

Eine Stunde später. „Hütte, Hütte, Hütte“, ruft Jeremy. „Ich bin tiefgefroren!“ Cindy gibt das Zeichen zum Aufwärmen. Cindy hat für jeden ein herzliches Lächeln. Die Mädchen und Jungen drängen sich um sie, jeder will ihr bester Freund sein – ich natürlich auch. Sie verteilt Luftballons. „Wir wollen den zwischen die Knie klemmen, so lernen wir, breit genug auf den Skiern zu stehen.“

Abschied ohne den Tausch der Nummer

Das habe ich echt nötig, ich habe in den 80er Jahren Skifahren gelernt, damals galt: je enger die Ski beieinander sind, desto besser. Heute sagt man, die Ski sollten schulterbreit geöffnet sein. „Wollt ihr wieder fahren?“ fragt Cindy. „Jaaaaa!“ rufen die Kinder.

Letzte Abfahrt, dann Verabschiedung. Es war Cindys letzter Tag, wir sind traurig. Alle machen Abschiedsfotos mit der besten Skilehrerin der Welt. „Morgen kommt der Andreas, das ist ein ganz Lieber“, sagt sie. Jolita schmiegt sich mit ihrem Helm an ihre Hüfte. „Kann ich deine Telefonnummer haben?“ Cindy blickt etwas verdutzt drein, dann schreibt sie ihr lächelnd die Nummer auf einen Zettel. Ich verabschiede mich, allerdings ohne nach Cindys Nummer zu fragen. Mein schöner Tag als Kind ist zu Ende.