Essen. Hierzulande eher aus der Kirche bekannt, ist Weihrauch in anderen Ländern mehr als nur ein Duft. So werden im Oman die Harzstücke in Wasser gelöst getrunken, um Krankheiten vorzubeugen. Selbst als Aphrodisiakum ist Weihrauch dort bekannt und beliebt. Entdeckungsreise in ein traditionsbewusstes Land.

Im Weihrauchsouk von Salalah sind die Händlerinnen von Kopf bis Fuß schwarz verhüllt. Aus bunt bemalten Tongefäßen steigt Rauch auf und verbreitet himmlischen Duft – Weihrauch. Eine Händlerin, die freundlich aus ihrem schmalen Augenschlitz blickt, erklärt: „Die Qualität ist unterschiedlich, je nach Farbe und Größe.“ Je heller, desto besser. Grünlich-weiße Harzstücke seien zu schade, um sie zu verbrennen. In Wasser eingelegt, trinke man die milchige Flüssigkeit morgens gegen Krankheiten und für ein gutes Gedächtnis. „Fast alle Omanis“, kichert die Händlerin, „nehmen es täglich als Aphrodisiakum“.

Nur in den Trockentälern der südlichen Provinz Dhofar, im Grenzgebiet zwischen Sommermonsun und Wüste, gedeihen die empfindlichen Weihrauchbäume. Schon vor Jahrtausenden wurde auf der Weihrauchstraße Handel mit dem kostbaren Harz bis nach Ägypten und Rom getrieben. Weihrauch war damals so wertvoll wie Gold, ein mystischer Stoff. An der Lagune vor Khor Rori östlich von Salalah befand sich damals ein florierender Hafen, wo das Rauchharz verladen und über den Indischen Ozean nach Afrika, Indien und China verschifft wurde.

Archäologen haben die spektakulären Ruinen der Hafenstadt Samhuram ausgegraben. Wie eine Festung ist sie gebaut, von Bergen, Wasser und Mauern geschützt. Die Bewohner von Khor Rori glauben, dass in Samhuram ein Palast der Königin von Saba gestanden habe. Der Legende nach soll sie Unmengen von Weihrauch mitgenommen haben, als sie im 10. Jahrhundert vor Christus König Salomon in Jerusalem besuchte. Die heiligen drei Könige aus dem Morgenland brachten neben Myrrhe und Gold auch Weihrauch nach Bethlehem.

Erdöl beschert Straßen und Gleichberechtigung

Weihrauch gehört zu Omans Süden wie die großen Kamelherden. In Oman, sagt man, gebe es mehr Kamele als Menschen. In einem Land, das fast so groß wie Deutschland ist, aber nur drei Millionen Einwohner hat, mag das gar nicht abwegig sein. Die Herden weiden auf grünen Wiesen und liefern ihren Herren Milch und Fleisch. Grüne Wiesen im Wüstenstaat Oman – das ist kein Märchen. Die südliche Provinz Dhofar ist die einzige Region auf der Arabischen Halbinsel, die vom Südwestmonsun gestreift wird und ihr einige Monate lang eine üppige Vegetation beschert.

Oben auf dem Plateau des Jebel Samhan ist der Boden dagegen kahl und bräunlich. Bis dahin reichen die Wolken des Monsuns nicht. Weit geht der Blick über schroff gestaffelte Bergkämme und steil hinunter bis zur Küste, gesäumt vom Arabischen Meer. Auf einem Felsvorsprung steht Fahrer Issa Almashan in seiner weißen Dishdasha, dem traditionellen Gewand. Seinen Kopf hat er kunstvoll mit einem Tuch umwickelt, von dem eine nach Weihrauch duftende Quaste herabhängt. Dann zückt er ein Handy – ein typischer Omani eben.

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Wie kaum ein anderes Land auf der Welt hat sich das Sultanat in atemberaubendem Tempo entwickelt. Der populäre Alleinherrscher Sultan Qabus nutzte die Entdeckung von Erdöl, um im großen Stil in die Infrastruktur zu investieren. Er führte die Schulpflicht, kostenlose Bildung und medizinische Versorgung ein, schenkte Fischern und Beduinen neue Häuser, Elektrizität, Wasser und den Frauen Gleichberechtigung und Wahlrecht.

Eine immergrüne Oase

Ein Mittags-Picknick im Wadi Darbat, einer immergrünen Oase mit einem Süßwassersee, gespeist von Wasserfällen aus den Bergen: Am Ufer liegen noch die bunten Tretboote, mit denen sich Urlauber aus den Golfstaaten bei Dauernieselregen auf dem See vergnügen. Durchnässt zu werden – bei „kühlen“ 25 bis 28 Grad, wenn in Muskat, Dubai oder Riad das Thermometer auf mehr als 40 Grad steigt – ist für die Bewohner der Arabischen Halbinsel das schönste Wetter. Und dafür kommen sie von weit her und feiern mit Musik und Tanz den unaufhörlich fallenden Regen.

Salalah, die Provinzhauptstadt, zieht sich am Meer entlang, gesäumt von tropischen Obstplantagen, wo Kokospalmen, Mango- und Papayabäume Schatten spenden. An Verkaufsständen sind exotischen Früchte aufgetürmt, im ältesten Viertel Al-Hafah findet man noch Kalksteinhäuser – nahe jenem Weihrauchsouk, in dem es himmlisch nach Weihnachten duftet.