Essen. . Kreuzfahrten durch die Ostsee erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Vor allem junge Menschen entscheiden sich für die Route von Rostock nach Riga. Aber auch Familien mit und ohne Kinder genießen die vielseitige Strecke. Allerdings will Hapag Lloyd diese Kreuzfahrten nur noch bis Sommer 2013 anbieten.

Ein Kreuzfahrtrevier auf der Überholspur. Die Ostsee hat sich während der Sommersaison zu einem der beliebtesten Fahrtgebiete der Weltmeere entwickelt. Immer mehr und immer jüngere Gäste entscheiden sich neuerdings für eine der Routen zwischen Rostock und Riga. Die Fahrten durch das baltische Meer arten damit zwar noch lange nicht zu Partytouren aus, doch die Perlen der Ostsee glänzen wieder hell, die Patina vergangener Zeiten ist abgestreift.

Wie passend, ein solches Revier im Umbruch, auf einem Schiff mit Hybridkonzept zu bereisen. Die Columbus 2, seit diesem Jahr neues Flottenmitglied bei Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten, positioniert sich als Schiff für alle Generationen: Paare im Alter 55 plus, junge Familien mit Kindern sowie Enkel und Großeltern zählen zur Zielgruppe. Die Reise ab Kiel ist ausgebucht, rund 700 Passagiere sind mit an Bord.

Kopenhagen, Riga, Tallinn, St. Petersburg, Helsinki, Stockholm und Danzig stehen auf dem Routenplan – eine Ostseetour zwischen Zarengold und Hanseschätzen. Und schon in Kopenhagen zeigt sich, welch wunderschönes Sommerwetter es durchaus in Nordeuropa geben kann. Am berühmten Nyhavn mit seinen bunten Häusern herrscht der absolute Ausnahmezustand. Sämtliche Tische der schier endlosen Restaurantreihe sind schon zur Mittagszeit besetzt, vor den Eisdielen bilden sich lange Schlangen. Man gönnt sich etwas. Wer weiß, wie lange das sommerliche Wetter anhält. Knutschende Paare, eisgekühlter Weißwein und Hummerhälften vom Grill – die Impressionen könnten auch vom Mittelmeer stammen.

Der kleine Pool ist fest in Kinderhand

Zurück an Bord ruft am Spätnachmittag das Sonnendeck. Der relativ kleine Pool ist fest in Kinderhand, was sich auch im Laufe der Reise nicht mehr ändern wird. Insgesamt 50 Kids und Teens stehen auf der Passagierliste. In der ersten Saison wurden 13 Kreuzfahrten explizit als „Familienreisen“ vermarktet. Ausgegrenzt fühlt sich deswegen niemand, viele kinderlose Paare erfreuen sich sogar an dem Trubel – ein schöner Beleg, dass sich in dieser Beziehung die Gesellschaft gewandelt hat.

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Die Reederei registriert solche Details mit großer Aufmerksamkeit, denn die für zwei Jahre gecharterte Columbus 2 soll Hapag-Lloyd als Testlabor für die weitere Flottenentwicklung dienen. Zum einen, um die eine oder andere Übungsschleife für die neue Europa 2 zu drehen, die im Mai 2013 getauft wird. Zum anderen, um auszuloten, ob man mittelfristig mit einem eigenen Neubau im Vier-Sterne-Segment an den Start gehen will und kann. Ein legeres Premium-Schiff neben Aida und Mein Schiff im deutschsprachigen Markt galt als reizvoll. Inzwischen sind die Pläne jedoch vom Tisch: Es wird weder einen Neubau noch eine Verlängerung des Chartervertrags der Columbus 2 geben. Hapag-Lloyd will sich künftig ganz auf die Luxusklasse und Expeditionskreuzfahrten konzentrieren.

Städte beeindrucken als Gesamtensemble

Riga, Tallinn – die nächsten Stationen zeigen eindrucksvoll, warum die Ostsee wieder en vogue ist. Die herausgeputzten Städte beeindrucken als Gesamtensemble, welches sich wunderbar zu Fuß erkunden lässt. Doch während sich Riga trotz historischer Kulisse als lebendige, authentische Stadt präsentiert, wirkt Tallinn mit seinen perfekten Mittelalterfassaden fast schon eine Spur zu künstlich und inszeniert. Die Massen an Kreuzfahrttouristen, die den Altstadtkern jetzt zur Sommerzeit regelrecht fluten, verstärken das Gefühl, dass diese Stadt gerade an ihre Grenzen stößt.

Derweil verteilt sich der Gästestrom auf der Columbus 2 zu fast allen Zeiten hervorragend. Die 170 Balkonkabinen sowie 62 (!) Suiten mit Balkon leisten dazu ganz sicher ihren Beitrag, da viele Passagiere über Stunden den Luxus dieser Privatbereiche genießen. Etwas trubelig wird es lediglich am frühen Abend, wenn das Hauptrestaurant „Albert Ballin“ zu Tisch bittet. Das Prinzip der offenen Sitzung funktioniert meist, für Gäste mit dem Wunsch nach einem Zweier-Tisch aber nicht immer. Gerade die „Europa“-Gäste an Bord, die aus Neugierde die Columbus 2 ausprobieren, tun sich damit etwas schwer und wünschen sich lieber feste Tischzeiten.

Nicht nur schnödes Shopping in St. Petersburg 

Spätestens in St. Petersburg verstummen solche Klagen. Der Columbus 2 wird der beste Liegeplatz der Stadt direkt auf der Newa zugewiesen, während die Megaliner im gut eine Bus-Stunde vom Zentrum entfernten Industriehafen festmachen müssen. Übrigens ein Privileg, welches dem „nur“ 180 Meter langen Schiff während dieser Reise auch in sämtlichen anderen Häfen dieser Reise zugesprochen wird. So bleibt zusätzliche Zeit, um die Petersburger Pracht zu bestaunen. Allein der Bummel über den 4,5 Kilometer langen Boulevard Newski-Prospekt ist tagfüllend. Dabei ist die Einkaufsstraße für schnödes Shopping viel zu schade. Die beeindruckende St.-Petri-Kirche, die russisch-orthodoxe Kasaner Kathedrale, zahllose Jugendstilbauten und Cafés in Mint, Pink und Gelb wirken wie Opium für die Augen.

Regelrecht berauschend ist auch die Ausfahrt Richtung Meer auf der Newa. Um 19 Uhr steht die Sonne noch hoch am Himmel, die goldenen Kuppeln der Stadt glänzen und funkeln. Dieses Spektakel gilt es selbst für die Gäste der Balkonkabinen unbedingt auf dem Aussichtsdeck zu verfolgen. Zu groß ist der Drang, ununterbrochen zwischen Steuer- und Backbordseite zu wechseln, um bloß nichts zu verpassen.

Zu Fuß oder mit dem Rad geht es durch Helsinki

Schon am nächsten Morgen ist Helsinki erreicht. Irgendwie geht es plötzlich viel zu schnell. Noch sind die Eindrücke von St. Petersburg kaum verarbeitet, da steht das nächste Highlight vor der Tür. Auch für den geübten Kreuzfahrer ein fast unwirklicher Moment. Zeit darüber zu sinnieren bleibt – natürlich – nicht. Direkt nach dem Frühstück (Tipp: kostenlosen Room-Service nutzen und sich das Frühstück auf die Kabine bringen lassen) ruft die finnische Metropole. Zu Fuß und auf eigene Faust wird das malerische Helsinki erobert. Wer mag, kann auch per Rad losziehen, die Reederei hält 20 Mietfahrräder zur kostenlosen Nutzung bereit.

Unmittelbar neben dem Liegeplatz ist ein großer Markt aufgebaut: Die Stände, überwiegend bestückt mit nationaler Handwerkskunst und kulinarischen Spezialitäten, vermitteln einen schnellen und stimmungsvollen Eindruck des neuen Reiseziels. Drei völlig unterschiedliche Gotteshäuser, die stellvertretend für die Vielfalt Helsinkis stehen, lohnen ebenfalls die Besichtigung. Die russisch-orthodoxe Uspenski-Kathedrale oberhalb des Hafens, der lutherische Dom, der im Innern, abgesehen von Altar und Orgel, gänzlich ohne Prunk auskommt, sowie die berühmte Felsenkirche, die im Jahr 1969 in den zwölf Meter hohen Granitfelsen gebaut wurde.

Zwei Tage in der schwedischen Hauptstadt Stockholm, ein weiterer Tag in Danzig in Polen – auch die weiteren Stationen fügen sich nahtlos ein in das stimmige Gesamtbild dieser Ostseetour. Es ist sonnig und warm, das Leben auf den Straßen pulsiert, die geballte Anzahl an Sehenswürdigkeiten und wunderbaren Bauwerken ist einfach überwältigend. Und der ständige Begleiter, die Columbus 2, macht in allen wichtigen Kategorien ebenfalls eine richtig gute Figur. Schade, dass dieses Schiff schon im Sommer 2013 zum letzten Mal für Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten die Ostsee bereisen wird.

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